Predigt zum 6. Sonnt. nach Trinitatis - 11.7.2010

Liebe Gemeinde!
Der heutige Sonntag, es ist der sechste nach dem Trinitatisfest, ist traditionell ein Tag, an dem wir in unseren Gottesdiensten über die Taufe nachdenken. Darum geht es auch im Predigttext um die Taufe. Wir hören ein paar Verse aus dem Römerbrief des Paulus, sie stehen dort im 6. Kapitel:

Textlesung: Röm. 6, 3 - 8 (9 - 11)

Oder wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott. So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.

Liebe Gemeinde, was sich hier doch ein wenig fremd und unverständlich anhört, ist eigentlich nur ein Vergleich von Jesu Weg durch Leiden und Tod bis zur Auferstehung mit dem Geschehen der Taufe. Dieser Vergleich war den Menschen zu Lebzeiten des Paulus noch leichter verständlich, denn sie waren meist als Erwachsene getauft worden und hatten die Beziehung der Taufe zur Leidensgeschichte Jesu am eigenen Leib ganz plastisch erfahren. Die meisten von uns sind wohl als Kinder getauft worden und haben keine Erinnerung an die eigene Taufe. Überdies sind die Tauffeiern, die wir heute in den Gottesdiensten erleben, ja inzwischen wesentlich einfacher gestaltet und liturgisch geordneter als die, wie man sie in den ersten Jahren der jungen Christengemeinden erleben konnte.

Um die Worte des Paulus richtig verstehen zu können, ist es sicher hilfreich, wenn wir uns einmal vor Augen und Ohren führen, wie das zu seiner Zeit war, wenn ein Mensch durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen wurde. Dabei sind besonders drei Dinge wesentlich:

Einmal waren die Täuflinge ja fast immer erwachsen und hatten auf irgendeine Weise einen gewissen Glaubensunterricht erhalten. Jedenfalls war ihnen bewusst, dass sie auf den Namen Jesu Christi getauft wurden und das bedeutete, dass sie sich auch ausdrücklich zu ihm als ihrem Herrn bekannten, dem sie nach Kräften nachfolgen wollten. So gehörten Glauben und Bekenntnis des Täuflings unverzichtbar zur damaligen Taufe.

Das zweite, was in den frühen Tagen der Christenheit anders war als heute: Den Täuflingen wurde nicht nur ein wenig Wasser über den Kopf gossen oder die Stirn damit benetzt, sondern sie wurden meist in der freien Natur, in einem Fluss, einem stehenden Gewässer oder in einem Wasserbecken gänzlich untergetaucht. Dabei wurde sicher mehr als heute deutlich, dass die Taufe so etwas wie das Sterben des alten Menschen - eben im Wasser - und danach das Auferstehen eines neuen Menschen aus dem Wasser symbolisiert.

Das dritte wesentliche Merkmal der Taufe bei den ersten Christen war nun dies: Mit der Taufe wurden dem Täufling auch alle seine Sünden vergeben. So war ein getaufter Christ nicht nur durch Untertauchen im Wasser symbolisch neugeboren, sondern auch geistlich ein neuer, von allen Sünden der früheren Zeit gereinigter Mensch.

Ich glaube, jetzt begreifen wir die Worte des Paulus schon viel besser und können sie - wenn wir an die damalige Taufpraxis denken - sicher gut als Worte für uns hören, auch wenn unsere Taufe heute etwas anders aussieht: "... wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln." Paulus will auch uns daran erinnern, dass wir auf Jesus Christus getauft sind. Wenn auch nicht schon bei unserer eigenen Taufe als kleine Kinder, aber doch später im Konfirmandenunterricht haben wir von diesem Jesus Christus erfahren und wir hören es ja auch bei jeder Tauffeier, die wir miterleben wieder, wenn es heißt: "Ich taufe dich auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ..."

Das eigene Bekenntnis zu unserem Herrn, das bei unserer Taufe unsere Eltern und Paten ausgesprochen haben, holen wir - nach unserer evangelischen Auffassung - bei der Konfirmation nach. Und dass wir auf Jesu Tod getauft sind, wissen wir nach unserer Konfirmandenzeit sicher auch und vergessen es hoffentlich ein Leben lang nicht mehr, selbst wenn bei unseren Tauffeiern nur noch ein bisschen Wassergießen von dem Untertauchen des ganzen Menschen bei den ersten christlichen Taufen übrig geblieben ist. Die Taufe bedeutet immer noch: Sterben mit Jesus - und danach Auferstehen mit ihm als ein neuer Mensch!

Aber ich denke, jetzt können wir noch ein wenig in die Tiefe der Verse gehen, die uns heute als Predigttext verordnet sind: "Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde." Paulus malt das Bild vom Sterben durch das Untertauchen im Wasser der Taufe noch ein wenig aus: Sogar Jesu Kreuzigung vollzieht sich in unserer Taufe. Oder sagen wir es anders: Auch die Frucht seines Leidens am Kreuz, nämlich dass wir frei werden von der Sünde, wird uns in der Taufe geschenkt. In unserem Leben nach der Taufe kann uns die Sünde also nichts mehr anhaben und nicht mehr von Gott trennen. Ja, an dieser Stelle wird das Bild, das Paulus uns ausmalt sogar ein bisschen drastisch: "... wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde." Das heißt nichts anderes als: Ein Toter kann nicht mehr sündigen! Er kann darum auch keine Schuld mehr auf sich laden. Er ist frei - in Ewigkeit!

Und das Bild bekommt noch weitere Striche und Farben: "So sind wir ja mit Christus begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln." Nach der Kreuzigung folgt nun unser Begräbnis - auch das geschieht in der Taufe. Wir müssen dabei nur an den Moment denken, in dem der Täufling in die Stille unter Wasser eintaucht, in die Tiefe, in der er keinen Atem mehr holen kann und nicht leben könnte. Begraben unter Wasser, sozusagen. Der Augenblick, in dem der Getaufte dann aus dem Wasser wieder ans Licht und die Luft kommt, wieder atmen, hören und sehen kann, der ist seine Auferweckung zu einem neuen Leben ohne Sünde, aus dem Glauben, zur Ehre Gottes, in der Gemeinschaft und im Dienst der anderen Menschen.

Dass wir das auch wirklich begreifen und nie mehr vergessen, fasst uns der Apostel noch einmal Sinn und Wirkung unserer - wie der Taufe aller Christen - zusammen und malt damit den Hintergrund, den ewigen Horizont in sein Bild von der Bedeutung der Taufe hinein: "Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott."

Zwar gehört die Taufe bei uns heutigen Christen an den Beginn des Lebens, wie sie bei den ersten Christen an den Beginn des Glaubenslebens gehörte. Aber für alle, die auf den Namen Jesu Christi getauft sind, ist damit ein für allemal auch das Ende des Lebens schon bestimmt: "Sind wir mit Christus in der Taufe gestorben, so werden wir mit ihm auch einmal ewig leben!" Unser Herr ist lebendig und wird nicht mehr sterben, weil Gott ihm den Sieg über die Sünde und den Tod geschenkt hat. Genauso werden auch wir nicht mehr sterben, weil am Kreuz unseres Herrn auch unsere Sünde hängt und wir hinter unserem auferstandenen Herrn her hinübergehen über die Todesschwelle in Gottes Ewigkeit.

Liebe Gemeinde, es gibt ein paar Dinge im Glauben der Christen, die sind aufs erste Hören nicht so eingängig, dass wir sie gleich begreifen. Dazu zählt sicher die Taufe. Sie in ihrer Tiefe zu verstehen, ist gewiss dadurch nicht leichter geworden, dass wir sie heute meist als Kindertaufe und in unserem Kirchgebäude üben und ihr auch mit unserer Taufliturgie noch einiges von ihren anschaulichen Elementen genommen haben. Das hat die Taufe mit vielen anderen Glaubensinhalten gemeinsam. Wer versteht denn zum Beispiel, warum Gott uns Menschen lieb hat? Oder wer begreift, warum Gott unsere Schuld nicht heimsucht, sondern uns vergeben will? Und das Gebet fällt mir noch ein: Wer kann denn sagen, wie das möglich ist, dass Gott unsere Bitten hört und uns oft so spürbar hilft?

Aber die Mühe, die es bedeutet, diesen Glaubensdingen auf die Spur zu kommen, lohnt sich - oder sagen wir besser: wird von Gott belohnt. Das ist bei der Liebe Gottes so. Das ist bei der Vergebung so. Das ist beim Beten so. Und das ist auch bei der Taufe nicht anders. Unsere Mühe hat Gottes Verheißung. Von der Verheißung, die es hat, wenn wir uns darum bemühen, die Taufe tiefer zu verstehen, spricht Paulus am Ende der heutigen Predigtverse: "... haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus." Wenn wir heute auch nur diesen Gedanken begreifen und mit nach Hause nehmen, dann haben wir genug über unsere Taufe verstanden, was wir wissen und behalten müssen: Wir sind getauft! Unsere Sünde ist tot, sie hängt am Kreuz von Golgatha, wir sind frei und dürfen hier und einmal ewig leben - für Gott und die Menschen. AMEN