Predigt zum So. "Misericordias Domini" - 18.4.2010

Textlesung: 1. Petr. 2, 21 - 25

Denn dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen; er, der keine Sünde getan hat und in dessen Mund sich kein Betrug fand; der nicht widerschmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht richtet; der unsre Sünde selbst hinaufgetragen hat an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden.

Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.

Liebe Gemeinde!

Christus hat "... euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen ..."! Ja, wer kann denn das? Und wer will das? SEIN Vorbild ist ja nun nicht das irgendeines guten Menschen! IHM nachzufolgen heißt eben auch: leiden, ohne sich dagegen aufzulehnen, geschmäht werden, ohne Widerworte zu geben, Schmerzen ertragen, den unteren Weg gehen, dienen und zurückstecken ... Das mag ja ein gutes Vorbild sein, aber sicher keines, dem wir nacheifern wollen.

Ich glaube, so oder ähnlich versuchen wir immer der Forderung zu entgehen, die uns unser Herr stellt. Die Aufgabe ist uns einfach zu schwer: Das können wir nicht, das wollen wir nicht, das kann keiner von uns verlangen - nicht einmal der, nach dem wir Christen heißen!

Aber wir übersehen dabei etwas - auch hier! Wir weisen den Auftrag zur Nachfolge weit von uns - weil wir ihn nur als Last verstehen - auch jetzt! - Aber seinen "Fußtapfen" nachzugehen ist auch eine Bereicherung für unser Leben! Nachfolge bedeutet auch Sinn, Freude und Erfüllung zu finden! Und wir lesen von dieser Bereicherung, von Freude und Erfüllung - auch in diesen Versen aus dem 1. Petrusbrief, besonders am Ende: "Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen."

Wir sind eben Nachfolgerinnen und Nachfolger eines Herrn - der uns schon heil gemacht hat. Wir sollen in seine Fußtapfen treten - nachdem wir uns schon zu ihm bekehrt haben und nun keine "irrenden Schafe" mehr sind, sondern in der Obhut des guten Hirten. Das ist weiß Gott keine zu große Aufgabe, ihm nun nach Kräften nachzufolgen! Alles, was wir jetzt für unseren Herrn und unsere Mitmenschen tun, ist eigentlich nur Dank und Antwort auf das, was Jesus Christus ein für allemal für uns und alle Menschen getan hat.
Aber wir wollen das einmal ganz konkret und plastisch werden lassen - dabei erzähle ich zuerst von einem Menschen, der den Gedanken der Nachfolge weit von sich weisen würde:

- Nennen wir ihn Max, diesen Menschen. Er hat eine glückliche Kindheit verlebt und einen guten Schulabschluss erreicht. Dann hat er ein Studium absolviert und - anders als so viele junge Leute heute - einen sehr gut bezahlten Job bekommen, der ihm auch noch Spaß macht.

Die Sache Gottes hat in seinem Leben eigentlich nie eine Rolle gespielt. Vielleicht noch damals, als er ein kleines Kind war. Da hat seine Mutter mit ihm gebetet. Aber später? Der Religionsunterricht in der Grundschule bei einem alten Pfarrer war für ihn immer eine gute Gelegenheit, seine Schulaufgaben vom Vortag zu erledigen - im Zeugnis hat er trotzdem immer eine "Zwei" gehabt. Im Gymnasium dann fiel der Unterricht erst mangels Lehrkräfte aus und als er 14 war, hat er sich entschieden, nicht mehr an Religion teilzunehmen. Auch hat er sich nicht konfirmieren lassen.

Heute ist Max 34. Er hat - nur standesamtlich - seine Jugendliebe geheiratet und inzwischen sind die zwei Töchter schon acht und zehn Jahre alt. Die Nachbarn in der Reihenhaussiedlung würden von einer freundlichen, normalen Familie sprechen, deren Kinder gut erzogen sind. Ansonsten keine Besonderheiten, vor allem nichts, was in der Nachbarschaft unangenehm auffallen würde.

Denken wir jetzt einmal, Max säße heute Morgen hier unter uns in der Kirche. Er hätte den Predigttext gehört und er sollte sich jetzt vorstellen, was für ihn Nachfolge heißen könnte und wie das wohl wäre, bekehrt zu sein "zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen" ...

Sie haben recht, liebe Gemeinde: Max könnte sich das nicht vorstellen. Er hat ja nie gelernt, dass wir diesen Herrn Jesus Christus, diesen Hirten und Bischof unserer Seele brauchen. Er hat immer gedacht und denkt das bis heute: Was ich erreicht habe im Leben, das habe ich durch meine eigene Energie und Kraft, durch meinen Verstand und meine Tatkraft erreicht. Ich verdanke, was ich bin, ausschließlich mir selbst. Dass er einen guten Start ins Leben gehabt hat, ist allenfalls dem Umstand geschuldet, dass seine Eltern nicht arm waren, sondern ihm eine gute Ausbildung ermöglichen konnten. Aber auch darüber würde er nicht so gern nachdenken und schon gar nicht reden.

- Jetzt möchte ich über Fritz sprechen - ich habe dabei bewusst einen zweiten Mann ausgesucht, da kann niemand sagen, die Entwicklung zum Erwachsenen wäre halt bei Mädchen immer anders: Fritz wurde von der Mutter allein erzogen. Schon früh war er den Tag über ganz auf sich gestellt, aber die Mutter hat - wenn sie gegen 17 Uhr nach Hause kam - sich immer sehr liebevoll um ihr Kind gekümmert. Vor allem war ihr auch die religiöse Erziehung ihres Kindes ein Anliegen. Das Gebet am Morgen und am Abend war selbstverständlich. Am Sonntag - da war Fritz erst drei Jahre alt - hat sie ihn zunächst in den Kindergottesdienst begleitet, später ging der Junge allein. Und er ging gerne dorthin. Die Schulzeit über hat Fritz immer am Religionsunterricht teilnehmen können. Ein Jahr bevor er mit einem Realschulabschluss die Schule verlassen hat, wurde er von dem Pfarrer, den er schon aus dem Kindergottesdienst kannte, konfirmiert.

Nach einer Lehre als Feinmechaniker war Fritz dann über ein Jahr arbeitslos. Er hat die Zeit für eine Fortbildung genutzt und dann wirklich - jetzt höher qualifiziert - eine gute Stelle in einem mittleren Betrieb bekommen. Auch er ist heute 34. Auch er ist verheiratet und hat zwei Buben. Allerdings hat es bei ihm nur zu einer Vierzimmerwohnung auf Miete gereicht. Leider geht es im 12-Parteien-Haus ein wenig anonym zu, die Nachbarn aber, wenn sie überhaupt wüssten, wer gemeint ist, könnten nichts Negatives über die Familie von Fritz sagen.

Stellen wir uns jetzt vor, Fritz wäre heute in diesem Gottesdienst. Das wäre erstens gut möglich und zweitens wäre er mit Sicherheit nicht allein: Mindestens die Frau würde ihn begleiten und die Jungen wären wahrscheinlich regelmäßige Besucher unserer Kinderkirche.

Und mit Sicherheit wüsste Fritz mit dem Gedanken der Nachfolge etwas anzufangen. Und Jesus Christus könnte er ohne weiteres seinen Hirten und Bischof seiner Seele nennen. Schließlich - und das ist gewiss der größte Unterschied zwischen ihm und Max - zweifelte er keinen Augenblick daran, dass alles, wirklich alles, was er erreicht hat und heute sein Eigen nennt, nicht seine eigenen Verdienste, sondern Geschenke Gottes sind.

Liebe Gemeinde, was will ich nun mit diesen beiden Lebensbildern sagen (die übrigens durchaus so oder ähnlich in der Wirklichkeit vorkommen!)?

Drei Dinge sind es: Zuerst können wir aus diesen Lebensgeschichten ablesen, dass Menschen, die keinen Glauben haben, die Welt und das Leben völlig anders sehen und deuten als die anderen, die schon in ihrer Kindheit und Jugend Jesus Christus haben kennenlernen dürfen. - Dazu werden Sie sicher sagen: Das wussten wir schon.

Das zweite aber ist dies - und da wird es jetzt persönlich: Der Glaube an den Herrn der Christen, die Bereitschaft zur Nachfolge hat sehr viel mit der Erziehung zu tun, die wir genießen durften. Als Eltern und Großeltern tragen wir eine große Verantwortung unseren Kindern und Enkeln gegenüber - und ich glaube, auch gegenüber unserem Herrn! Fragen Sie mich nicht, warum Gott der Erziehung und den Erziehern eine so große Aufgabe und Verantwortung überlassen hat, aber er hat es - dafür sprechen nicht nur die beiden eben gehörten Lebensgeschichten! Wir könnten jetzt also zu dem Schluss kommen - und der ist sicher richtig und gut - wir wollen weiter nach Kräften in der Familie für unsere Kinder auch die religiöse Erziehung nicht zu kurz kommen lassen. Und auch dieser Vorsatz ist richtig und hilft unseren jungen Leuten.

Genauso persönlich, aber vielleicht noch ein wenig schwieriger, ist jetzt das dritte, was wir den zwei Lebensgeschichten entnehmen können: Auch "Max" - und da meine ich alle Menschen, die in ihrem Leben bisher nicht zum Glauben gefunden haben - ist unserer Fürsorge und Fürbitte aufgegeben! Durch unser Vorbild, durch unser Reden, Denken und Handeln sollen sie davon erfahren, was ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi schenkt. Jeder Kontakt mit ihnen ist eine Möglichkeit, auch von dem zu reden, der in der Mitte unseres Lebens steht und für den zu zeugen, der unserer Seele Hirt und Bischof ist. Wir könnten hier sicher denken, dass Max doch auf seine Art und mit seiner Vorstellung von dem, was im Leben wichtig ist, eine ganz angenehme und gute Zeit in dieser Welt hat. Aber ich glaube fest, es gibt in jedem Leben irgendwann Tage, da kommen wir ohne den Halt unseres Glaubens nicht hindurch, jedenfalls nicht so wie einer, der weiß, dass er einen guten Hirten und seine Jahre ein ewiges herrliches Ziel haben.

"Dazu seid ihr berufen, da auch Christus gelitten hat für euch und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen ..." Nachfolge heißt immer auch, die Menschen aufsuchen und ansprechen, die IHN nicht kennen und nicht an ihn glauben.

"Durch seine Wunden seid ihr heil geworden. Denn ihr wart wie die irrenden Schafe; aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen." Wer sich zu Jesus Christus als Heil und Bischof seiner Seele bekehrt hat, der wird nicht davon schweigen, sondern es anderen vorleben und allen davon erzählen wie das ist: Heil werden durch IHN! AMEN