Predigt zum Sonntag "Okuli" - 7.3.2010

Textlesung: Eph. 5, 1 - 8a

So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.

Liebe Gemeinde!

In jeder gelungenen Erzählung, aber auch bei jedem Gleichnis, steht das wichtigste am Ende. Und genau so ist es auch bei einem Predigttext, der gut ausgewählt wurde und gut zu predigen sein soll. So ist es auch hier: Der letzte Satz oder Vers bringt es auf den Punkt, fasst alles, was vorher gesagt wurde, zusammen und ist die Lehre aus dem Abschnitt und damit das, was wir von diesem Text und der dazu gehörigen Predigt mitnehmen sollen.

Aber ich denke - und ich habe Verständnis dafür! - Ihnen sind die letzten Worte dieser Verse aus dem Epheserbrief jetzt nicht mehr so genau im Ohr. Darum sage ich sie hier noch einmal: "Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts." Und wir wollen hier jetzt nicht nur so tun, als ob uns das anspricht, sondern wollen ganz gewiss davon ausgehen, dass uns dieser Vers persönlich meint!

Und das sind wahrhaftig wichtige Gedanken, die wir hier lesen! Einmal mutet uns das ja grundsätzlich einiges zu: Lebt als Kinder des Lichts! Das ist nicht leicht und wir wissen auf Anhieb gar nicht, wie das gehen soll. Aber das andere ist für mich fast noch interessanter: Ihr wart Finsternis - jetzt seid ihr Licht! Das ist kein Aufruf, kein Appell, nichts was noch aussteht und worum wir uns bemühen sollen: Wir sind Licht! Das ist schon Gegenwart. Ihr wart Finsternis! Das ist vergangen!

Wir kommen hier einer im Neuen Testament ganz grundlegenden Sache auf die Spur: Das, wovon wir oft als der Zukunft für uns Christen reden, ist heute schon Wirklichkeit! Und umgekehrt: Was wir eigentlich noch an uns haben, die Sünde und die Schuld unseres Lebens zum Beispiel, ist eigentlich schon von uns abgefallen und nicht mehr gültig und belastend.

Wenn wir ein wenig bibelfest sind, kommen uns hier Worte wie diese in den Sinn: "Christus hat unsre Sünde selbst hinaufgetragen an seinem Leibe auf das Holz, damit wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr heil geworden." (1.Petr. 2,24) Oder: "Das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde." (Jh.1,7) Oder dieses: "Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden." (2.Kor. 5,17) Und schließlich ganz besonders dieses Wort: "Mit Christus seid ihr begraben worden durch die Taufe; mit ihm seid ihr auch auferstanden durch den Glauben aus der Kraft Gottes, der ihn auferweckt hat von den Toten." (Kol.2,12)

Aber nicht nur in den Briefen des Neuen Testaments lesen wir von der Wahrheit, dass der Mensch in der Nachfolge Jesu Christi die Welt der Sünde und des Todes überwunden und Teil hat am Reich der Gottes, das er seinen Kindern bereitet. Auch in den Worten Jesu und in den Geschichten, die von ihm und über ihn erzählt werden, begegnen wir schon diesem Gedanken: So spricht Jesus in der Lazarus-Geschichte zu Marta: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben." (Jh.11,25) Oder erinnern wir uns an die Geschichte vom Verlorenen Sohn: Hier und heute geschieht Vergebung - selbst für einen wie diesen Taugenichts, der sein Erbe verspielt hat. Hier und heute breitet der Vater die Arme aus, um ihn zu umfangen. Hier und heute beginnt das neue Leben im Haus des Vaters. Und der spricht es deutlich aus: "Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden." (Lk.15,11-24) Schließlich hat Jesus die Menschen, denen er begegnet ist, niemals auf ihre vergangene Sünde festgelegt, sondern immer in ihnen gesehen, was in und durch die Begegnung mit ihm aus ihnen werden kann. Denken wir daran, wie er die Ehebrecherin behandelt oder die beiden Zöllner Zachäus und Matthäus!

Vielleicht kann man es so sagen: Gott gibt uns Vorschuss, so wie der Chef manchmal einem zuverlässigen Angestellten eine bestimmte Summe im Voraus gibt, bevor der sie verdient hat. Allerdings besteht ein großer Unterschied: Gottes Vorschuss ist ein reines Geschenk! Wir müssen ihn nicht abdienen oder sonstwie zurückzahlen. Gott will uns damit auch nicht an sich binden oder bei uns irgendein Verhalten erreichen, das ihm gefällt. Gottes Liebe ist viel zu groß, als das er so kleinlich sein könnte, uns mit seinen Wohltaten uns gegenüber für sich einnehmen zu wollen.

Denken wir noch einmal an den Verlorenen Sohn: Der hat ja nun wirklich den Vorschuss, der ihm gewährt war, auf den Kopf gehauen. Er hat alles vertan und vergeudet - und er erwartet ja eigentlich gar nichts anderes mehr von seinem Vater, als dass der ihm einen Schlafplatz gewährt und als einen seiner Tagelöhner anstellt. Aber der Vater zeigt sich ganz anders: Er setzt den Sohn, der ihn doch so enttäuscht hat, voller Freude wieder als seinen Sohn ein. Und wir sollen daraus lernen: So ist Gott! Barmherzig, gnädig, freundlich, großzügig ... Und er sieht eben nicht das an, was einer in der Vergangenheit oder gestern noch war oder auch im Augenblick noch ist, sondern das, was aus ihm durch seine Güte werden wird. Wir lesen zwar nichts davon, aber der Verlorene Sohn wird gewiss kein zweites Mal von der Seite seines Vaters weichen!

Liebe Gemeinde, da ist jetzt aber die Frage offen geblieben, wie wir, du und ich, denn mit dem Vorschuss Gottes umgehen. Und eine andere Frage liegt sozusagen noch davor - diese meine ich: Können und wollen wir Gottes Vorschuss überhaupt haben? Sind wir fähig, dieses Geschenk anzunehmen oder sind wir nicht schon viel zu sehr gewohnt, bei allem zu fragen, was das denn wohl kostet?

Noch einmal von der anderen Seite her gesprochen: Wie sollen wir denn in einer Welt, in der wirklich alles seinen Preis hat und nichts umsonst gegeben wird, damit klarkommen, dass es im christlichen Bereich anders sein soll?

Eine kleine Geschichte dazu: Da hat (es war noch in der DM-Zeit) ein Pfarrer in seiner Jugendstunde - so dass es alle anderen hören konnten - einem jungen Mann einen 50 Mark-Schein hingehalten und laut vernehmlich gesagt: "Den schenke ich dir!" Sicher können Sie sich denken, was der junge Mann geantwortet hat: "Und was soll ich dafür tun?" Der Pfarrer sagte nun: "Nichts, es ist ein Geschenk, ohne jede Verpflichtung!" Um es kurz zu machen: Der junge Mann hat das Geld nicht angenommen. Überhaupt ist der Pfarrer seinen 50 Mark-Schein nicht losgeworden - und es waren in der Jugendstunde sicher 20 junge Leute beisammen.

Ich bin nun überzeugt, dasselbe würden wir auch heute noch erleben - und eher noch sicherer als vor Jahren - und nicht nur in einem Club von Jugendlichen, auch in einer Vereinsversammlung und im Seniorenkreis: Keiner will sich etwas schenken lassen! Jeder vermutet einen Haken bei der Sache. So sehr sind wir schon Kinder dieser Welt.

"Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts." Es ist nicht schwer, die Geschichte vom abgelehnten 50 Mark-Schein auf dieses Wort zu übertragen: Wir wollen, wenn wir unser Leben mit all seinen Fehlern, auch seiner Bosheit, der Sünde und der Schuld, die wir auf uns geladen haben, ansehen, uns das nicht alles schenken lassen. So etwas tut niemand in dieser Welt! Und wir tun es auch nicht - aus uns heraus jedenfalls nicht! Gott aber tut es! Er schenkt uns das alles. Es zählt nicht mehr für ihn. Er sagt dazu: Mein Sohn Jesus Christus hat dafür bezahlt - am Kreuz von Golgatha - ihr müsst dafür nicht mehr bezahlen. Ihr seid jetzt in meinen Augen frei von aller Schuld und aller Sünde. Es steht nichts mehr zwischen uns. Ihr seid meine geliebten Kinder, Kinder des Lichts.

Wenn wir jetzt hören: "Lebt als Kinder des Lichts.", dann werden wir das nicht mehr als Bedingung des Geschenkes Gottes verstehen, sondern als seine selbstverständliche Folge: So danken wir Gott für seine wunderbare Güte. So antworten wir auf seine große Barmherzigkeit. So teilen wir auch mit anderen Menschen die Freude über unseren großzügigen Gott.

Jetzt verstehen wir sicher auch, was wir über das Leben aus Gottes geschenkter Gnade am Anfang dieser Predigt sonst noch gelesen haben: "So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung."

AMEN