Predigt zum Sonntag "Septuagesimä" - 31.1.2010

1. Textlesung: 1. Kor. 9, 24 - 27

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Liebe Gemeinde!

Neulich sagte in der Schule ein Junge aus der 10. Klasse zu seiner Lehrerin: "Wir sind die Null Bock-Generation". Die Lehrerin war ziemlich überrascht, denn sie bemüht sich mit ihrem Unterricht den jungen Leuten das Rüstzeug für eine gute, eigenständige Zukunft zu vermitteln. Aber das, was der junge Mann sagte, hieß doch: "Wir haben zu nichts mehr Lust, wir reißen uns für nichts ein Bein aus, wir sind für gar nichts mehr zu begeistern." So war die Lehrerin wohl auch nicht nur überrascht, sondern enttäuscht und ratlos.

Wenn das uns gegenüber jemand äußern würde? Wie ginge es uns damit?

Vielleicht könnten wir es ja verstehen. Manches in unserer Gesellschaft ist wirklich zum Verzweifeln. Viele junge Leute haben heute ganz und gar keine rosigen Zukunftsaussichten. Es ist sehr schwer geworden, in der Welt der Erwachsenen und vor allem im Berufsleben Fuß zu fassen. Einen Beruf lernen zu können, der einem Freude macht, kann man sich heute sowieso aus dem Kopf schlagen!

Trotzdem, ich würde denen, die so reden, gerne mit dieser Frage antworten: "Stimmt das denn wirklich, dass ihr zu gar nichts Lust habt und an nichts mehr interessiert seid?" Und das würde ich auch viele Erwachsene gern fragen! - Wie komme ich darauf?

Ich beobachte überall, wo ich mit Menschen zusammenkomme, wie stark eine bestimmte andere Lust gewachsen ist. Ich erlebe tagtäglich immer wieder und immer mehr ein sehr intensives Interesse. Dass, worauf heute ein immer größerer Teil der Menschen - bei allem Null-Bock-Gerede - zunehmend versessen ist, hat viele Namen: "Ich" heißt es, oder "mein", oft auch "mir" oder "eigen" ... Dieses Interesse tarnt sich meist sehr gut. Es wird vielleicht von "der Familie" gesprochen, für die man sich einsetzt oder von "den Jugendlichen" oder "den Arbeitnehmern" für die man sich engagiert. Meist aber sind diese Verkleidungen nur sehr dürftig. Das "Ich", das dahinter steht, ist schnell durchschaut. Nackt und bloß wollte es sich hinter Worten verstecken, wollte vorgeben: Es geht mir ja gar nicht um mich, ich wollte doch nur für die Kollegen, für meine Lieben, für die anderen jungen Leute etwas erreichen ... Aber es ist ja gar nicht wahr! Du selbst wolltest etwas kriegen! Dir sollte dein Einsatz dienen. Für dich sollte dein Engagement etwas bringen.

Ja, liebe Gemeinde, das klingt hart. Aber es ist wohl oft so! Mag sein, das liegt an Umständen, für die wir nicht die ganze Verantwortung tragen. Wer im Wirtschaftswunderland groß geworden ist, kann nur schwer akzeptieren, dass es Grenzen für seinen Lebensstandard gibt. Wem die gute Meinung von den uneigennützigen Politikern und der Politik zum "Wohle der Allgemeinheit" erst kaputtgegangen ist, der wird auch bald soweit sein, dass er nichts mehr dabei findet, wenn er sich auch nur noch in die eigene Tasche wirtschaftet. Wer Eltern und Erzieher hatte, die ihm leichtfertig jeden Wunsch erfüllt haben, der kann nicht anerkennen, dass er auch einmal zurückstecken muss. Das heißt, er kann wohl, aber es wird ihm sehr schwer fallen!

Aber von wegen "Null-Bock-Generation"! Die meisten heute wissen sehr genau, was sie wollen: "Ich, ich und noch mal ich", heißt der Wunsch. In tausend Verkleidungen, hinter tausend Masken, in tausend ach so schönen Worten verbirgt er sich. Es wird Zeit, dass wir uns und anderen einmal den Spiegel vorhalten.

So heißt unser Spiegel heute: "Wisst ihr nicht, dass wir alle in einer Kampfbahn laufen ..." Zugegeben, auf den ersten Blick sehen wir da eher eine Bestätigung der Ich-Sucht, die wir allenthalben beobachten: "Kampfbahn"? - Ja, eben! Leben ist Kampf! Ich muss mich behaupten, durchsetzen, das größte Stück vom Kuchen kriegen, die längste Wurst schnappen ...

Sehen Sie, liebe Gemeinde, der Schreiber dieser Verse wusste sehr genau, mit was für Menschen er es zu tun hat! "Kampfbahn"? - jawohl! Aber wir Christen kämpfen ein für alle mal anders als die Welt und wir haben ja auch einen Vor-Kämpfer gehabt, der uns zeigt, wie das geht: Kämpfen in seiner Nachfolge. Denn wofür hat Jesus sich eingesetzt? Dass die Menschen in seiner Umgebung die Liebe seines Vaters kennen lernten. Was war sein Interesse? Dass die Menschen in seiner Nähe etwas von dieser Liebe spürten - durch ihn. Was war sein Wunsch? Dass die Menschen, mit denen er zu tun bekam, durch diese Liebe gesund wurden an ihrem Körper und heil an ihrer Seele. Das war sein Kampf. Dafür lebte er. Dafür litt er. Dafür starb er. Er ist unser Vorkämpfer. Und es ist eine klare Sache: In der christlichen Arena bewähren sich nur die, die ihn zum Vorbild haben. Nur sie empfangen den "Siegespreis", den "unvergänglichen Kranz".

Nicht wahr, liebe Gemeinde, bei dem Stichwort "christliche Arena" eben, sind Sie auch hellhörig geworden! Sie haben bei sich gedacht: Da sind für den Menschen unserer Tage zwei Bereiche, in denen er sich bewähren muss. Da ist einmal die Welt, und da ist zum andern die Kampfbahn des Christen. In der Welt herrschen eigene Gesetze, da muss man "Ich" sagen können, für den "eigenen Bauch" sorgen, sehen "wo man bleibt", die anderen "an die Wand spielen", darf ruhig auch "über Leichen gehen", wenn die Mitmenschen den eigenen Wünschen im Wege sind. (Mit-menschen ... vielleicht sagen wir hier besser Gegen-menschen!) Und dann ist da eben die "christliche Arena". Dort gewinnt, wer verzichtet, wer dem anderen den Vortritt lässt, wer liebt, teilt, schenkt und heilt ... Dort ist Jesus der Vor-Kämpfer. Dort gelten seine Spielregeln. Dort bewähre ich mich als sein Nachfolger, seine Nachfolgerin.

Ich glaube, wir merken jetzt selbst, wie unsinnig so eine Trennung von Welt und Christsein ist. Können Sie am Ausgang der Kirche Ihren Christen ausziehen und hier zurücklassen wie einen Trainingsanzug. Arm, wer das kann. Aber vielleicht ist das ja gerade der Grund für das Bild, das unsere Zeit und die Menschen heute abgeben: Dass viele das eben können: Ihr Denken, Reden und Handeln als Christen ausziehen und an den Nagel hängen. (Und irgendwann hängt das dann dort schon seit Jahren an diesem Nagel und man weiß es gar nicht mehr!) Immerhin: Der Sportanzug für die christliche Arena kann ja schließlich auch sehr unbequem und unpassend sein vor den Augen der Leute ... in der Welt. Er ist ja doch recht auffällig. Wer ihn trägt, sagt damit: Ich gehöre zu den Leuten des Vor-Kämpfers Jesus Christus. Da muss ich mich dann messen lassen an ihm. Da kann ich dann nicht mehr so viel "Ich" sagen und "mein" und "mir" und "eigen"... Da riskiere ich den Preis, den mir diese Welt verspricht, den "vergänglichen Kranz". Einfacher komme ich durch, wenn ich eben alles ablege, was mich als einen Menschen aus Jesu Mannschaft ausweist. Dann nämlich kann ich erst mein Leben so recht nach meinen Wünschen, Interessen und Begierden einrichten. Und die Welt wird mich loben, wenn ich diesen Weg gehe. Man wird mich bewundern, wenn ich's zu mehr bringe als die andern. Die Masse der Menschen interessiert sich ja ohnehin nicht dafür, wie einer das Geld gemacht hat, das er besitzt und auf wie viel Leid der andern sein Haus gebaut ist - Hauptsache einer ist reich, Hauptsache sein Haus steht da ... Gewiss: Hin und wieder begibt man sich vielleicht noch in den Einflussbereich Christi. Wie ein Almosen wirft man dem Herrn der Welt einen Kirchgang hin, eine Tat, die "man eigentlich nicht nötig gehabt hätte"! Und so nach und nach stirbt das Bewusstsein ganz, dass es noch mehr gibt als diese Welt. Man vergisst einfach oder man verdrängt es, dass uns der Herr der Christen mehr anbietet, als ein paar Jahre zweifelhaften Glücks und den vergänglichen Preis, den diese Welt geben kann.

2. Textlesung: 1. Kor. 9, 24 - 27

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Liebe Gemeinde, mir sind diese Mahnungen des Paulus zur Anregung geworden. Ich habe angefangen, darüber nachzudenken, was und wie viel ich in meinem Leben eigentlich nur für mich tue, wo ich "Ich", "mir" und so weiter sage. Ich will einmal wieder klar sehen, wie weit ich auch in den genannten zwei Bereichen lebe und denke, wo ich der "Welt" verfallen bin und wo ich noch den unvergänglichen Kranz im Auge habe. Ich möchte mir damit gerade den letzten Satz der Worte des Paulus zu Herzen nehmen: Dass ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Fest steht jedenfalls: Der Christ steht sein Leben lang in der Arena Christi, er gehört in die Mannschaft dieses Herrn - und zwar ungeteilt, ganz und nicht lau und halbherzig. Auf Nachfolger, die sich dieses Vorkämpfers schämen, kann der Herr recht gut verzichten. Mit-Streiter, die nur sonntags zu haben sind, können der guten Sache nicht dienen. Namenschristen gar, die längst jede lebendige Beziehung zu Jesus aufgegeben haben, sollten sich einmal ganz klar machen, welchen anderen Herren sie lange schon dienen. Mir ist der Kampf des Herrn Jesus Christus und sein Sieg am Kreuz einfach zu schade, als dass ich ihn für 60 oder 80 Jahre Weltglück verspiele. Und mir ist der unvergängliche Kranz, den er mir mit seinem Blut verdient hat, zu wertvoll, als dass ich dafür nicht gern in seiner Mannschaft mitkämpfe und in der christlichen Arena bleibe.

Ich glaube, es kann für uns alle einmal wieder wichtig sein, dem nachzudenken: Wo stehe ich? Wer ist mein Herr, mein Vor-Kämpfer? Gehöre ich ihm ganz oder schlägt mein Herz für den vergänglichen Kranz dieser Welt? Aber schauen wir dabei nicht auf die anderen Menschen, sondern ganz tief in unser eigenes Inneres!