Predigt am Altjahrsabend - 31.12.2009

Textlesung: Röm. 8, 31b - 39

Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?

Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.

Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? wie geschrieben steht (Psalm 44,23): "Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe." Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.

Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Liebe Gemeinde am Altjahrsabend!

Irgendwie können wir uns auch in diesem Jahr wieder nicht dem Sog des Kalenders entziehen! Was ich damit meine: "Sog des Kalenders"? Ich will's einmal so erklären: Was ist denn eigentlich wirklich anders geworden, wenn wir gestern noch 29 waren und heute 30? Oder 49 und dann 50 oder 59 und heute 60? Wenn wir die Nacht dazwischen verschlafen, dann sind das nur ein paar Stunden, die vergangen sind. Und wenn wir in den Geburtstag hineinfeiern, wie viele das heute machen, dann ist das nur eine einzige Sekunde, die verstrichen ist. Trotzdem: Gerade wenn ein runder Geburtstag ansteht, ist das immer wieder eine ganz besondere Sache. Besonders aufregend, spannend und vielleicht beängstigend. Und ob wir wollen oder nicht, wir werden hineingezogen in diesen Sog ... des Kalenders!

Und wie ist das beim Jahreswechsel? Da wird ja sozusagen immer "hineingefeiert"! Sie erinnern sich vielleicht noch an die Jahreswende 1999 nach 2000. Das war doch damals ganz deutlich, dass dieser Übergang ins neue Jahrtausend noch einmal mehr Spannung und Ängste hervorgerufen hat!

Morgen beginnt nun ja immerhin ein rundes neues Jahr: 2010! Aber nicht nur deshalb sind heute Nacht die innere Erregung, die bangen Erwartungen, ja, die Furcht, die sich uns auf die Seele legt, besonders stark und damit der "Sog des Kalenders" noch einmal größer als sonst. Wir müssen uns ja auch darauf einstellen, dass im kommenden Jahr manches schlechter wird: die wirtschaftliche Situation zum Beispiel, die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und wir werden auch damit rechnen müssen - etwas, was uns wohl von nun an immer begleiten wird - dass die schlimmen Wetterereignisse, wie sie durch den Klimawandel bedingt sind, immer noch an Zahl und an Zerstörungskraft zunehmen. Darüber hinaus gibt es ja noch unsere ganz persönliche Furcht, die dunkle Erwartung, die uns tief drinnen beschäftigt, von der oft außer uns niemand weiß und die uns die Luft nimmt und den Schlaf raubt ...

Wie begegnen wir all diesen Ängsten und Aussichten? Wie versuchen wir diesen Übergang ins neue Jahr zu meistern? - Die meisten von uns auf die selbe Weise: Wir bleiben - oft entgegen unserer sonstigen Gewohnheit - lange auf. Wir umgeben uns mit lieben, vertrauten Menschen. Wir trinken den Abend über Bowle oder Punsch und ein Gläschen Sekt, wenn es dann 12 ist. Wir küssen uns und umarmen uns und sprechen gute Wünsche füreinander aus. Und manche zünden dann noch ein paar Raketen und Böller.

Hilft das alles bei den ersten Schritten ins unbekannte Jahr? Im Augenblick schon. In der Stunde zwischen 24 und 1 Uhr. Aber was ist dann, wenn wir wieder mit uns selbst allein sind, wenn wir uns zur Ruhe legen und wenn wir dann morgen früh erwacht sind?

Ich denke, um für unseren Weg ins neue Jahr noch eine weitere Begleitung zu bekommen, sind wir heute Abend hier. Und wenn Worte uns wirklich helfen können, dann sind es die aus der Bibel. Und wenn Bibelworte uns wirklich mit Trost und Ermutigung begleiten können, dann sind es solche: "Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?" - Und dieses wunderbare Wort wird nicht nur so stehengelassen. Wie der Beleg dafür, dass wir nie daran zweifeln müssen, dass Gott für uns ist, hören wir auch noch das: "Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt."

Liebe Gemeinde, auch wenn das ja nun wirklich für uns Christen das Selbstverständlichste sein sollte, dass wir uns darauf verlassen, dass Gott seinen Sohn für uns dahingegeben hat, es entfällt uns doch immer wieder, wir vergessen es und denken nicht mehr daran - besonders eben in solchen beängstigenden Zeiten wie beim Übergang in ein neues Jahr.

Darum noch einmal: "Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?" Wir sind ein für alle Mal mit der stärksten Macht im Himmel und auf Erden im Bund! Dass uns das deutlich wird, dafür hat Gott seinen Sohn in Leid und Tod gegeben. Mit ihm ist uns alles geschenkt: Vergebung, Leben - hier und ewig! Wir sind Auserwählte! Vor Gott gerecht gemacht. Keiner kann uns verdammen. Keiner kann uns von der Seite Jesu Christi reißen, der uns vor Gott vertritt. - Sind das nicht wirklich Worte, die mit uns gehen können, wenn die gewohnten und oft lauten Übergangsriten heute Nacht zu Ende und wir wieder mit uns allein sein werden? - Aber allein sind wir eben gar nicht: Gott ist und bleibt bei uns!

"Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? ... in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat." Jede Zeit und so auch unsere, kann hier noch ihre eigenen Gefahren und Bedrohungen einfügen: Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger ... die verheerenden Folgen des Klimawandels, die drohende Arbeitslosigkeit, der wirtschaftliche Abstieg, Krankheit, Alter, Pflegebedürftigkeit ... In einem letzten Sinn kann uns das alles nicht von unserem Herrn trennen. Wohlgemerkt: Er führt uns nicht an dem vorbei, was uns Angst macht, aber er führt uns hindurch. Und er geht mit uns, er ist keinen Augenblick weiter von uns entfernt, als wohin wir mit unserem Gebet reichen. Und noch bevor wir ins Dunkel hinein gehen, wissen wir eines ganz gewiss: Wir werden es mit Christi Hilfe überwinden.

Aber nicht genug mit diesen Worten, die uns schon so großen Halt geben und wie ein Geländer sind, an dem wir uns festhalten können auf dem Weg ins unbekannte Jahr. Es wird noch eindringlicher, noch ermutigender: "Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn."

Hier sind nun auch alle die geheimen Ängste angesprochen, was uns ganz persönlich die Ruhe raubt, die vielen Zweifel und Befürchtungen tief drinnen ... Aber es gibt keinen Menschen, es gibt keine Macht, weder heute noch in der Zukunft, die uns von Gott trennen könnte und von seiner Liebe. Er lässt uns niemals fallen, vielmehr führt er uns durch Leid und Tod hindurch zum Leben.

Liebe Gemeinde, wir werden wohl wieder - auch und vielleicht gerade in dieser Nacht mit ihrem Übergang in ein rundes Jahr - in den Sog des Kalenders geraten. Aber wir wollen, wenn das Sektglas leer ist, die Küsse und die Umarmungen vorbei und die Raketen und Böller gezündet worden sind, festhalten, was wir heute Abend gehört haben. Das allein reicht weiter als alle Rituale und Bräuche dieses Abends, ja, diese Worte gehen mit uns durch das nächste Jahr 2010 und alle Jahre, die für uns noch kommen werden - bis hinüber in Gottes Ewigkeit:

"Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? ... Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? ... in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn." AMEN