Predigt zum 6. Sonntag nach Trinitatis - 12.7.2015

Textlesung: Mt. 28, 16 - 20

Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Liebe Gemeinde!

Eigentlich erwarten wir doch am Ende dieser Verse noch einen Hinweis, dass Jesus nun in einer Wolke in den Himmel gefahren ist. Aber mit diesen fünf Versen ist das Ende des Evangeliums erreicht. Eine Himmelfahrtsgeschichte gibt es bei Matthäus nicht. Aber - fehlt sie uns?

Ich kann mir eigentlich keinen passenderen und schöneren Schluss eines Evangeliums von Jesus Christus vorstellen, als wenn er diese Worte sagt: "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Damals wie heute müssen wir Christinnen und Christen doch damit fertig werden, dass unser Herr nicht mehr bei uns ist. Und da finde ich eine Auffahrt Jesu Christi in einer Wolke aus unserer Welt in die Welt Gottes doch seltsam und nicht so recht vorstellbar - zumal die Richtung dieser Auffahrt in den Himmel ja nicht gerade unserem Glauben entspricht. Gott, der Vater, zu dem Christus heimkehrt, ist ja nicht oben oder unten, sondern überall. Wenn der Christus hier zum Abschied davon spricht, dass er immer bei uns ist, dann gefällt mir das doch wesentlich besser. Er geht zum Vater, aber er bleibt doch unsichtbar in unserer Nähe! Ist das nicht eine ganz wunderbare, tröstliche, hilfreiche Botschaft?

Nun weiß ich schon, dass es nicht immer einfach ist, daran zu glauben, dass Jesus wirklich auch heute immer bei uns ist. Halten wir uns dabei nicht bei der Frage auf, die uns modernen, aufgeklärten Menschen da ja sofort in den Sinn kommt: Wie das überhaupt möglich sein soll - bei so vielen Menschen rings um die Erde. Und wenn auch nur die Christen angesprochen wären, sind das nicht auch schon zu viele? - Der christliche Glaube geht davon aus, dass Gott der Schöpfer dieser Welt ist. Er hat das Weltall gemacht, die Natur, die Pflanzen, die Tiere und die Menschen. Kann es etwas Größeres geben als das? Warum sollte Jesus dann nicht immer bei uns sein können; er ist doch der Sohn Gottes! Ich glaube, wir dürfen ihm schon abnehmen, dass er sein Versprechen hält.

Aber etwas anderes sagt uns noch viel überzeugender, dass wir in der Welt nicht ohne ihn sind: Ich glaube fest, dass jede Christin und jeder Christ in ihrem, in seinem Leben schon einmal deutlich erfahren hat, dass Jesus bei ihnen war. Vielleicht hat er ein Gebet erhört. Vielleicht hat er uns ganz spürbar vor einem Unglück bewahrt. Ja, manchmal in Stunden des Glücks, aber auch in Zeiten großen Leids wissen wir ganz sicher, dass wir nicht allein sind, dass wir geborgen sind und er uns die schönen Stunden geschickt hat und uns auch die schweren bestehen lässt durch seinen Trost, seinen Zuspruch und seine Hilfe. Darum noch einmal: Wir dürfen unserem Herrn glauben, wenn er uns verspricht, dass er allezeit und überall in unserer Nähe ist - immer nur ein Gebet weit von uns entfernt, immer bereit uns anzuhören und uns auf seine Weise zu helfen.

Aber wir hören hier nicht nur eine Verheißung, es gibt auch einen Auftrag Jesu an uns: "Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe."

Wenn wir ganz ehrlich sind, dann ist uns dieser Auftrag doch viel zu schwer! Ja, für die Jünger damals, die Jesus auf den Berg beschieden hat, mögen das die richtigen Aufgaben gewesen sein: Menschen zu Jüngern machen, Taufen und sie in dem unterrichten, was die Sache Jesu von ihnen verlangt. Aber doch nicht für uns...kleine Christenmenschen! Und weil wir diese Aufgaben als viel zu hoch für uns empfinden, haben wir sie heute auch anderen zugeteilt, Spezialisten sozusagen: Zu Jüngern macht ein Missionar die Menschen. Taufen wird von den Pfarrerinnen und Pfarrern übernommen. Und für die Unterweisung darin, was zu einem christlichen Leben gehört gibt es neben den Pfarrerinnen und Pfarrern auch noch Religionslehrer, Katecheten die Mitarbeiter im Kindergottesdienst. - Bleibt also gar nichts von diesen Aufgaben für uns einfache Glieder der Gemeinde Jesu Christi?

Vielleicht wird Sie das überraschen, was ich jetzt sage, aber es wird Sie keinesfalls überfordern: Alles, was zum Auftrag Jesu gehört, können und sollen auch wir "kleine Christinnen und Christen" erfüllen: Zu Jüngern machen - das geschieht doch nicht nur dort, wo Missionare ehemalige Heiden oder Gläubige, die zu anderen Religionen gehört haben, zu Jesus Christus bekehren. Zu Jüngern und Jüngerinnen werden Menschen auch zum Beispiel dadurch, dass ihre Eltern oder Großeltern ihnen von Jesus erzählen, mit ihnen über Gott sprechen und was er ihnen selbst bedeutet. Aber auch wenn sie "nur" in ihrem Leben zeigen, dass sie die christlichen Werte achten, den Sonntag heiligen, Nächstenliebe üben, auch gegenüber Fremden aufgeschlossen und gastfreundlich sind, helfen sie ihren Kindern und Enkeln, zu Jüngern Jesu werden zu können. Aber auch Menschen, die keine Kinder haben, können an dieser Aufgabe mittun. Immer wieder ergeben sich Gelegenheiten, mit Kindern zu reden und im Lebenswandel ein Beispiel dafür zu geben, wie Christen denken und handeln. Und selbstverständlich haben wir nicht nur einen Auftrag an den Kindern! Jeder Mensch, der uns begegnet, wird an unserem Reden und Verhalten ablesen, was uns der Glaube an Jesus Christus bedeutet. So legen wir allen unseren Mitmenschen auch immer wieder die Frage vor, ob sie nicht auch ihr Leben mit diesem Herrn gestalten wollen.

Taufen - das war das zweite, was Jesus uns aufgetragen hat und Sie sind jetzt sicher gespannt, wie das auch zu unserer Aufgabe werden kann. - Wie ist denn das mit der Taufe? Ist das alles, wenn an einem Sonntag im Gottesdienst die Frau Pfarrerin oder der Herr Pfarrer dem Täufling dreimal Wasser über den Kopf gegossen und einige Segensworte gesprochen hat? Ich finde, das wäre zu wenig! Auch das anschließende Kaffeetrinken gibt der Taufe keine dauerhafte Bedeutung. Bleibend wichtig ist vielmehr, dass wir unserem Täufling das sagen, was die Taufe für das Leben eines Christen bedeutet. Das Abendgebet am Bett unseres Kindes ist vielleicht der erste Schritt auf dem Weg, einem kleinen Menschen zu vermitteln, dass es eine höhere Macht gibt, der Vater und Mutter vertrauen, die das Leben segnet und zu allen Zeiten Geborgenheit schenkt. Später, wenn unser Kind verständig genug dazu ist, können wir auch mit ihm darüber sprechen, was ihm da ganz am Anfang seines Lebens zugesagt worden ist und dass diese Zusage der Liebe und des Segens von Gott niemals zurückgenommen wird. Wir sehen: Das Wassergießen und die Feier der Taufe ist zwar schön und wichtig, viel bedeutsamer aber ist, wie wir den Kindern ihre Taufe später wichtig machen und ihnen erklären, welch großes Geschenk sie für sie und alle ist, die getauft sind.

Das dritte, was auch unser Auftrag ist, sagt Jesus so: "...lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe." Wir könnten jetzt meinen, das wäre doch schon in den anderen beiden Aufgaben enthalten: Zu Jüngern machen und taufen... Aber ich denke, es gibt im christlichen Glauben immer noch mehr zu wissen, als dass unser Gott uns liebt, Jesus immer bei uns ist und wir durch die Taufe geborgen und gesegnet sind. Den Zeitfragen nach dem Umgang mit dem Klimawandel zum Beispiel, der Massentierhaltung oder der Sterbehilfe kommen wir damit nicht bei. Auch die Zehn Gebote können nicht bei allen Problemen raten, die in unserer so komplizierten Welt auftreten. Manches muss mit Sorgfalt und Sachverstand aus der Heiligen Schrift erschlossen werden, was zu ganz unterschiedlichen Meinungen und Ergebnissen führen kann.

Darf man etwa einem Menschen, der schwer leidet, beim Sterben helfen. Dürfen Ärzte das tun? Wann ist das Leid groß genug, dass ein Leben aufgrund des Wunsches eines Sterbenden straffrei beendet werden kann? - Ich will jetzt nicht sagen, wie diese Fragen zu beantworten sind. Aber ich möchte Jesu Wort: "Lehret sie halten, was ich euch befohlen habe", so verstehen, dass wir diese Fragen nicht an die Ethikkommission, an Politiker, Psychologen oder Theologen abtreten können, sondern dass wir selbst auch die Bibel und darin die Worte Jesu befragen müssen, um zu wissen, wie denn unsere Antwort aussehen könnte. Ganz schnell stehen wir selbst vor Lebensfragen, zu denen unser Herr nicht direkt etwas gesagt hat. Dann müssen wir gelernt haben, sein Wort auszulegen und auf die Situation anzuwenden, vor die wir gestellt sind.

Liebe Gemeinde, die Aufträge Jesu - besonders der zuletzt besprochene - kann uns zuerst doch ziemlich schwer vorkommen und vielleicht den Mut nehmen. Wie gut ist es da, wenn wir jetzt noch einmal die letzten Worte aus den Versen hören, die uns heute zu bedenken vorgelegt sind. So spricht unser Herr: "Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." Dieses Wort will uns gewiss machen, dass Jesus Christus nicht nur Aufträge gibt, nicht nur Aufgaben, die er uns auferlegt und die wir kaum erfüllen können. Er ist auch selbst immer in unserer Nähe. Er hilft uns, er berät uns im Gebet und bei unserem Nachdenken, und wir dürfen ihm vertrauen, dass er uns nicht alleine lässt, was immer wir tun und reden. AMEN