Predigt zu Heiligabend - 24.12.2014

(Eine besinnliche Predigt zur Christmette oder Christvesper - für die erwachsene Gemeinde.

Textlesung des Original-Bibeltextes Lk. 2,1-14 (15-20) vielleicht nach der Predigt?)

Liebe Gemeinde am Heiligen Abend! Wir wollen auf die Weihnachtsgeschichte hören:

Es begab sich aber zu der Zeit, als in Syrien ein schrecklicher Verteidigungskrieg gegen eine grausame Terrormiliz tobte. Ein junges Paar aus Kubane, das liegt nahe der türkischen Grenze, sah keine Zukunft mehr, in der von den Fundamentalisten belagerten und von Bomben und Granaten halb zerstörten Stadt. So beschlossen sie - wie schon so viele andere syrische Christen - die Stadt zu verlassen und über die Grenze in die Türkei zu fliehen. Das Aufnahmelager dort war übervoll, denn außer ihnen waren schon mehr als 400.000 Menschen aus Syrien in die Türkei geflohen.

Maryam und Yusuf, so hießen die beiden jungen Leute, hielten es im Lager nur wenige Tage aus. Täglich kamen einige Hundert weitere Flüchtlinge. Die türkischen Behörden bemühten sich zwar, aber waren dem Ansturm nicht gewachsen. Die Enge im Lager wurde täglich bedrückender. Die hygienischen Zustände waren kaum erträglich. Maryam drängte darauf, die Flucht bis Europa fortzusetzen. Dort, in Deutschland, so hatten sie gehört, würden sie gern aufgenommen und hätten bessere Zukunftschancen. Maryam dachte dabei auch an ihr Kind, denn sie war schwanger.

So machten sie sich also auf, meist zu Fuß, manchmal mit einem Esels- oder Ochsenkarrern, manchmal auf der Ladefläche eines Lastwagens, die sie mit vielen anderen Flüchtlingen teilten. Schlepper, die sie teuer bezahlen mussten, brachten sie bei Nacht über die Grenze nach Griechenland. Von dort reisten sie mit dem Flugzeug nach Italien, dann ging es per Bahn weiter bis nach Deutschland. In Gießen* fanden sie zwar freundliche Aufnahme, aber auch das Aufnahmelager dort war völlig überfüllt.

Inzwischen war nicht mehr viel Zeit bis zur Geburt des Kindes. Yusuf bemühte sich bei der Leitung des Aufnahmelagers darum, dass man sie in ein Dorf in der Umgebung von Gießen verlegte, wo mit Hochdruck Ausweichquartiere gesucht und für die Flüchtlinge vorbereitet worden waren. Zunächst wurden sie von einem Tag auf den anderen vertröstet. Flüchtlinge, die schon länger in den beengten Verhältnissen des Lagers lebten, wurden bevorzugt. Endlich genehmigte der Lagerleiter ihre Verlegung in ein kleines Dorf westlich von Gießen. Dort bezogen sie in einer kleinen ehemaligen Pension ein Zimmer. Noch am Tag ihres Einzugs mussten sie erleben, dass sie in dem kleinen Dorf nicht willkommen waren. Eine Gruppe von offensichtlich aufgebrachten Einwohnern des Ortes demonstrierte mit Spruchbändern und lautem Geschrei. Auf den Spruchbändern standen Worte, die sie nicht lesen konnten. Und was die Leute schrien konnten sie nicht verstehen. Aber soviel spürten sie: Freundlich gesonnen waren die Menschen ihnen hier nicht.

In derselben Nacht gebar Maryam ihren ersten Sohn. Sie hatte noch aus ihrer Heimat ein paar Windeln mitgebracht und eine kleine Decke aus Kamelhaar. Als erstes Bettchen für das Kind diente ihr eine Schublade aus dem Schrank, der in ihrem Zimmer stand.

Yusuf und Maryam wussten nicht, wer die Nachricht von der Geburt verbreitet hatte, aber noch in der Nacht kamen die anderen Bewohner der kleinen Pension, um ihre Glückwünsche zu überbringen. Und alle, obwohl sie selbst ja kaum etwas besaßen, hatten Geschenke für die Mutter oder das Kind dabei: Ein Stück Butter, eine Flasche Saft, ein kleines Spielzeug...

Wie hatten sich Maryam und Yusuf davor gefürchtet, im fremden Land mit ungewisser Zukunft auch noch die Verantwortung für ein Kind tragen zu müssen. Jetzt, im Gespräch mit den anderen Flüchtlingen, die wie sie meist aus Syrien gekommen waren, wurde die Angst immer kleiner. Ja, sie wich einer großen Freude über die Geburt ihres Kindes, das all die entwurzelten Menschen in der kleinen Pension als ein gutes Zeichen für eine glücklichere Zukunft ansahen.

Liebe Gemeinde, diese Geschichte könnte nicht nur passiert sein, sie passiert, so oder ganz ähnlich tausendfach jeden Monat, zehntausendfach in jedem Jahr. Und sie wird auch in Zukunft immer wieder passieren und wahrscheinlich nicht immer so, dass die Personen aus der Geschichte am Ende Hoffnung haben. Aber heute ist der Heilige Abend und da wollte ich schon eine Geschichte schreiben, die zu diesem Abend passt. Und eine solche Geschichte muss hoffnungsvoll ausgehen!

Aber, vielleicht ist es Ihnen aufgefallen, ich habe die Hinweise auf Weihnachten fast ganz vermieden. Nur die Namen des jungen Elternpaares, Maryam und Yusuf, sind die Namen Maria und Josef auf arabisch. Aber meine Geschichte spielt jederzeit im Jahr. Ich wollte nicht die milde Stimmung des Heiligen Abends heraufbeschwören, denn die Flüchtlinge kommen an allen Tagen des Jahres. Und sie treffen bei den Menschen in den Orten, an denen sie einquartiert werden, eben nicht immer weihnachtlich offene, mitleidige Herzen an. Deshalb habe ich in meiner Geschichte auch die Gruppe der Demonstranten auftreten lassen. Denn mit denen müssen die Flüchtlinge, die zu uns kommen, oft schlimme Erfahrungen machen. (Auf den Spruchbändern stand übrigens "Ausländer raus!" und "Das Boot ist voll!" und geschrien haben die Leute: "Deutschland den Deutschen" und "Hier ist kein Platz für euch!")

Gewiss fragen Sie sich jetzt, wie denn die Geschichte weitergegangen ist. Schon am Morgen nach der Geburt des Kindes hat ja doch wieder das sicher harte Leben als Flüchtlinge im fremden Land begonnen. Darum will ich Ihnen die Geschichte jetzt weitererzählen und auch das, was ich jetzt erzähle, entspricht, Gott sei Dank, an vielen Orten unseres Landes der Wirklichkeit. Es treten dabei sogar weise Männer und Frauen auf und Engel...

Schon am nächsten Morgen nach der Geburt des Kindes, bekamen Maryam und Yusuf Besuch von einer Frau und einem Mann von der zuständigen Kommunalbehörde, die von der Wohnheimleitung über die Geburt informiert worden waren. Der Mann sprach arabisch und füllte mit den jungen Eheleuten die Anmeldung des Kindes beim örtlichen Standesamt aus. Die Frau war eine Hebamme, die das Kind untersuchte und über den Dolmetscher ihre Hilfe bei der Pflege des Babys in den ersten Tagen und Wochen anbot. Auch ein Geldgeschenk der Großgemeinde wurde übergeben.

Gegen Mittag stellte sich eine Gruppe von Gliedern der Kirchengemeinde des Ortes ein. Auch hier war der Dolmetscher dabei, der alle Bewohner bat, im Gemeinschaftsraum der Pension zusammenzukommen. Man hätte schon lange von den Plänen gehört, in der kleinen Pension ein Wohnheim für Flüchtlinge einzurichten und hätte beraten und sich darauf vorbereitet, wie sie den Flüchtlingen den Start in Deutschland erleichtern könnten. Sie hätten in der Kirchengemeinde einen Ausschuss gebildet und schon einige Male getagt. Dabei wären viele Ideen zusammengekommen:

Zwei von Ihnen, sie wären beruflich in der Gemeindeverwaltung beschäftigt, würden drei Mal in der Woche abends vorbei kommen und stünden - begleitet von ihm, dem Dolmetscher - für das Ausfüllen der zahlreichen Formulare zur Verfügung, die in der nächsten Zeit einzureichen wären. Drei von ihnen wären gern dabei behilflich, den Heimbewohnern die besten Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung zu zeigen und auch bei den Einkäufen selbst dabei zu sein. Alle drei böten dazu auch Fahrdienste mir dem eigenen PKW an. Eine pensionierte Deutschlehrerin mit Erfahrung im Unterrichten von Migranten würde zunächst vier Mal pro Woche den Deutschunterricht übernehmen. Dabei läge der Schwerpunkt der Sprachübungen darauf, die Deutschen Eigenarten und Gepflogenheiten kennenzulernen. Schließlich wären die Christen unter den Heimbewohnern herzlich zum Gottesdienst in der örtlichen Kirche eingeladen. Er fände sonntags um 10.00 h statt.

Liebe Gemeinde, jetzt bin ich wirklich am Ende meiner Geschichte. Das heißt, sie ist da angekommen, wo wir uns keine Sorgen mehr machen müssen, ob Maryam und Yusuf mit ihrem Kind und die anderen Heimbewohner eine gute, glückliche Zukunft haben werden. Ich bin auch ganz sicher, dass sich die Demonstranten im Ort nach und nach beruhigen und feststellen werden, dass sie die Fremden nicht fürchten müssen, dass sie vielmehr Menschen sind, wie sie selbst: Menschen, die in Frieden und ohne Angst leben wollen, die einen Ort zum Wohnen und ihr Auskommen haben wollen und bereit sind, dafür auch zu arbeiten, die Hoffnung für sich selbst und ihre Kinder haben wollen und erwarten, dass man ihren Glauben und ihre religiösen Überzeugungen respektiert.

Zugegeben: Meine Geschichte klingt am Ende schön, zu schön? Aber warum soll das nicht möglich sein, dass sie so passiert, wie ich sie erzählt habe? Ja, ich bin sogar davon überzeugt, dass Sie, liebe Gemeinde, gern dabei mitmachen würden, dass sich die Geschichte, wenn sie vielleicht bald in unserer Nähe spielt, genauso entwickelt, so freundlich und so hoffnungsvoll. Und vielleicht haben Sie noch ganz andere gute Ideen, wie man den Fremden zeigen kann, dass sie bei uns willkommen sind! Lassen wir uns dabei davon leiten, wie wir selbst es uns wünschen würden, wenn wir an der Stelle der Flüchtlinge wären. AMEN

* Hier vielleicht einen Aufnahmeort in der Nähe der jeweiligen Kirchengemeinde angeben!

Textlesung: Lk. 2,1-14 (15-20)

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.

Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.