Predigt zum 2. Advent - 7.12.2014

Textlesung: Lk. 21, 25 - 33

Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen.

Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.

Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist.

Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.

Liebe Gemeinde!

Ich bin ganz offen, der Satz am Ende dieser Verse hat mir erst große Schwierigkeiten gemacht: "Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht." Viele Ausleger des Lukasevangeliums beziehen diesen Satz darauf, dass kurze Zeit nachdem der Evangelist das aufgeschrieben hat, die Römer den Tempel in Jerusalem zerstört und die heiligen Geräte mitgenommen und damit entweiht haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses schreckliche Geschehen für die Juden einem Weltuntergang gleichkam. Aber in diesen Versen des Lukas heißt es ganz deutlich, dass wenn "dies alles geschieht, [...] das Reich Gottes nahe ist" und der "Menschensohn kommen" wird "in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit". Er ist aber nicht gekommen, damals im Jahr 70 n.Chr. als die Römer den Tempel in Jerusalem dem Erdboden gleich gemacht haben!

Wie sollen wir das verstehen? Wie löst sich dieses Problem? Überhaupt nicht! Es muss so stehen bleiben, ohne das wir uns einen Reim darauf machen können.

Aber ist das so schlimm? Sind das denn die wichtigsten Verse in diesen Worten des Lukas? - Ich glaube nicht. Warum sollten wir an den Gedanken hängen bleiben, die wir nicht verstehen, wenn es doch andere gibt, die wir begreifen und die uns ansprechen? Der zum Beispiel:

"Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht." - Jesu Worte vergehen nicht! Ist das nicht wahr geworden, wenn auch Himmel und Erde sichtlich nicht vergangen sind? Wissen Sie einen anderen Menschen - seit unser Herr über diese Erde ging und davor - dessen Worte Jahrhunderte lang so oft gehört, gelesen, zitiert, bedacht, gepredigt oder auf andere Weise weitergesagt wurden. Und ich frage auch noch das: Kennen Sie Worte, die uns von einem Menschen überliefert sind, die eine solche Wirkung gehabt haben, so viele Menschen verändert haben, begeistert, Glauben und so reichen Trost geschenkt haben und so viel Hoffnung? Und von den politischen Folgen, von den 100.000 Kirchen in aller Welt, die für die Zusammenkünfte der Millionen Gläubigen gebaut wurden, will ich gar nicht sprechen, denn das könnte uns verdunkeln, wie viel wichtiger "seine Worte" und der Glaube, den sie bei uns geweckt haben, für uns persönlich waren und sind.

Stellen Sie sich doch nur einmal vor - wenn Sie das überhaupt können - Sie hätten, als ihr lieber Angehöriger gestorben ist, nicht den Trost der Worte Jesu gehabt: "Ich lebe und ihr sollt auch leben!" Oder: "In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. [...] Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?" (Jh.14,2)* Oder die vielen anderen Worte davon, dass unsere Lieben - und wir selbst - nach dem Tod die Auferstehung und das Ewige Leben erwarten dürfen.

Oder denken wir an die Zeiten, in denen wir uns Schuld an einem Mitmenschen oder vor Gott aufgeladen haben. Wenn uns da nicht die Gewissheit hindurchgetragen hätte, dass wir bei Jesus Vergebung finden, wir hätten wohl nicht bereut und uns nicht bei unserem Mitmenschen entschuldigt und die Beziehung zu ihm wäre nicht wieder in Ordnung gekommen! Und im Vaterunser, das uns Jesus gelehrt hat, haben wir es gelernt und es wird uns immer, wenn wir es sprechen, wieder ins Gedächtnis rufen, dass Gott uns vergibt, wenn wir selbst zur Vergebung bereit sind: "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern."

Es gibt noch so viele andere Worte Jesu, die uns seit der Taufe auf unserem Lebensweg begleiten, immer wieder geholfen und vielleicht wieder zurecht gebracht haben. Unser Taufspruch ist vielleicht solch ein Wort, eins wie dieses: "Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da suchet, der findet; und wer da anklopfet, dem wird aufgetan." (Mt.7,7f) Oder unser Konfirmationsvers: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten." (Jh. 6,35) Viele Menschen haben auch bei ihrer Trauung ein Wort gehört, das ihnen viel bedeutet und immer wieder eine Hilfe war, das gemeinsame Leben zu überdenken und neu auszurichten: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe." (Jh.15,12) Und selbst wenn wir den Menschen, von denen wir Abschied nehmen müssen, ein Jesuswort mitgeben, kann darin auch für uns selbst sehr viel Trost liegen: "Ihr seid jetzt traurig, aber ich werde euch wiedersehen. Dann wird euer Herz sich freuen, und eure Freude wird euch niemand nehmen." (Jh. 16,22)

Schließlich machen wir als Christinnen und Christen bald jeden Tag Erfahrungen, die uns an Worte Jesu erinnern, die uns dann dieses oder jenes Erlebnis deuten und leichter verarbeiten und tragen lassen: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." (Mt.28,20b) Oder: "Ich bin der gute Hirte; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich." (Jh.10,14) Oder: "Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich." (Lk.18,27)

Aber es gibt noch einen Gedanken, der uns in dem Textabschnitt aus dem Lukasevangelium anspricht und den wir verstehen. Wir können ihn diesem Vers entnehmen: "Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." - Was da "anfängt" steht gleich davor: "Zeichen geschehen" - "auf Erden wird den Völkern bange sein" -"sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres" - "die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde" und "die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen." Ich will diese Dinge, die da geschehen werden, auch wenn es sich ja geradezu aufdrängt, nicht auf den immer deutlicher sichtbaren Klimawandel beziehen mit seinen vielen beängstigenden "Zeichen" wie der Erhöhung des Meeresspiegels und der anderen Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Trockenheit und Überflutungen, die immer häufiger und zerstörerischer werden. Die Bibel ist kein Buch, aus dem wir die Zukunft und das Weltende bestimmen könnten. Es geht hier vielmehr darum, dass wir uns von allem, was in der Welt geschieht, nicht von Furcht und Schrecken übermannen lassen! Weder von den verheerenden Naturkatastrophen unserer Tage noch von dem, was sich Völker und Menschen gegenseitig antun: Krieg, Gewalt und Terror, Folter und Unterdrückung, Ausbeutung und Vertreibung... Wir gehören im Glauben zu Jesus Christus! Wir haben einen Vater im Himmel. Er hat die Welt geschaffen und erhält sie - solange es ihm gefällt. Er hat uns eine Ewigkeit versprochen, in der alle "Dinge", die uns hier Furcht einflößen, vergangen sein werden, dazu auch unsere Tränen, alle Krankheit, das Leid, der Schmerz und der Tod. Darum können wir unser "Haupt erheben", aufrecht gehen und allem mutig widerstehen, was uns beängstigen will. Das heißt nicht, dass wir nicht nach Kräften dafür arbeiten und wirken, dass die schlimmen "Dinge", die unsere Angst erregen, in unserer Welt aufhören und die Katastrophen, durch uns gelindert werden. Aber zu Boden drücken lassen wir uns nicht mehr von ihnen. Sie sind nicht das Letzte, was wir durchleben und ertragen müssen.

Danach ist uns das verheißen: "...wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist." Noch einmal sind wir in Versuchung, zu denken, dass wir doch in der Endzeit leben. Denn allzuviel Böses und Erschreckendes von kriegerischen Auseinandersetzungen über Terror und Vertreibung bis hin zu den zahlreichen Naturkatastrophen "geschieht" ja doch vermehrt in unseren Tagen. Aber es bleibt dabei: Wir wissen nicht, wann es geschieht und wir werden es nie wissen! Und wir sollten uns damit zufrieden geben, denn Jesus selbst hat dazu gesagt: "Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater." (Mt.24,36)

Liebe Gemeinde, lassen wir uns daran genügen, was wir wissen und wissen dürfen: Dass einmal der Tag Gottes erscheinen und diese Verheißung wahr wird: "Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit." Bis dahin haben wir allen Grund, tapfer das zu tun: "Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht." AMEN