Predigt zum Vorletzt. Sonntag des Kirchenjahres - 16.11.2008

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Textlesung: 2. Kor. 5, 1 - 10

Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben. Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn. Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.

Liebe Gemeinde!

So ein wenig haben wir doch die Gedanken noch in unserem Kopf und die Worte noch im Ohr, die immer am Reformationsfest behandelt und bedacht werden. Gut zwei Wochen ist das ja erst her. Da wurde auch in diesem Jahr wieder von der Entdeckung der Mitte des Evangeliums durch Martin Luther gesprochen: Dass wir vor Gott gerecht gemacht werden allein aus Glauben! Und auch das haben wir gehört: Dass es nicht um die Werke geht, die wir tun und dass wir uns keine Verdienste bei Gott sammeln können, weil uns allein das Opfer Jesu Christi am Kreuz recht macht vor Gott.

Und hier müssen wir nun das lesen - und auch noch von dem selben Paulus, in dessen Römerbrief Luther das Evangelium von der allein seligmachenden Gnade Gottes gefunden hatte: „Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse." - Ist das nicht ein Widerspruch zur Botschaft des Reformationstages? Geht es also doch um Werke und Verdienste? Müssen wir uns, auch wenn wir an Jesus Christus glauben, noch vor einem Gericht fürchten?

Der erste Teil dieses Verses: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi!" ist ja nun auch noch der Wochenspruch zu diesem Sonntag! Und fast möchten wir vermuten, dass man den zweiten Halbsatz lieber nicht zum Wochenspruch hinzugenommen hat, weil der sich doch dann allzu unevangelisch angehört hätte: „...damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse."

Wie lässt sich das erklären? Wie kommt Paulus dazu, im Römerbrief von der Gerechtigkeit allein aus Gnade und Glauben zu sprechen und hier doch wieder vom Gericht und vom Lohn für gute oder böse Werke?

Um hier eine Antwort zu bekommen, wollen wir den Versen einmal von vorne an entlanggehen:

„Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel."

Wir denken hier vielleicht an unser Haus aus Stein, in dem wir wohnen, aber es ist unser Leib gemeint: Er ist die Hütte ... und abgebrochen wird sie, wenn wir sterben müssen. Dann aber werden wir ein „Haus" bekommen, einen himmlischen Leib, den Gott uns schenkt, ja, der schon für uns gemacht ist und bereit steht. Paulus wartet also nicht darauf, dass der Leib sich im Tod von der Seele trennt, die Seele dann hinauffliegt zu Gott und dort leiblos schwebt - nein, Leib und Seele, alles was uns Menschen ausmacht, wird neu zusammengefügt und wohnt in der Nähe Gottes - ewig!

„Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden."

Paulus teilt die Erwartung seiner Zeit - nur wenige Jahre nach der Kreuzigung Christi - dass der Herr noch zu seinen Lebzeiten wiederkommt und die Seinen heimführt in Gottes ewige Welt. So erklärt sich seine Sehnsucht, den neuen himmlischen Leib, die Behausung, die vom Himmel ist, zu erhalten. Er seufzt aber bei der Vorstellung, noch vor des Herrn Wiederkunft sterben zu müssen, denn dann wäre er ja unbekleidet und nackt - sicher ein schrecklicher Gedanke für Paulus und alle Christen damals! Und wir verstehen, wenn er sagt: „Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben."

Ein ganz wichtiger Gedanke für das Verständnis dieser Verse ist also die noch sehr lebendige Erwartung, dass Jesus Christus, wie er an Himmelfahrt aufgefahren ist zu Gott, schon bald wiederkommen wird, um die Seinen ins ewige Leben abzuholen.

„Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen. Wir sind aber getrost und haben vielmehr Lust, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn."

Paulus ist gewiss: Wir werden das Leben bei Gott gewinnen! Wie ein Pfand hat Gott uns den heiligen Geist gegeben! Ob unsere Erlösung also eintritt, ob wir einmal das ewige Leben sehen werden, darüber müssen wir uns keine Sorgen machen! Allerdings „sehen" wir heute noch nicht, sondern wir „glauben" das nur! Doch Gottes Verheißung ist verlässlich und verständlich ist, dass wir „Lust" hätten, zu Hause sein!

Liebe Gemeinde, bis hierher hören wir noch kein Wort von Verdienst, von Gericht oder der Bedeutung unserer Werke! Es geht noch ganz „nach der Gnade", sozusagen. Jetzt aber kommt ein anderer Gedanke in die Überlegungen hinein, die Paulus beim Schreiben dieser Zeilen anstellt:

„Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen."

Warum sollten wir uns so verhalten, dass unser Tun dem Herrn gefällt? Ja, warum auch noch „Ehre darein" legen, ihm zu gefallen? - Hier müssen wir wissen, dass damals schon Christen gedacht haben, dass die Wiederkunft des Herrn verzieht und er nicht so bald auf den Wolken des Himmels erscheinen wird. Immerhin waren ja schon viele aus der Gemeinde der Christen gestorben, ohne erlebt zu haben, dass der Herr wiederkommt! Also mahnt Paulus jetzt: Lasst euch vom langen Ausbleiben unseres Herrn nicht dazu verleiten, nun so zu leben, als käme er überhaupt nicht mehr! Bleibt einem Verhalten treu, das seinen Leuten würdig ist. Tut alles so, dass ihr es vor ihm verantworten könnt. Denkt immer daran, welche Herrlichkeit uns erwartet - um Christi willen! Und dankt ihm dafür, indem ihr so lebt, wie es ihm gefallen würde.

Wenn wir nun ja auch noch wissen, dass einige der Gemeindeglieder von Korinth inzwischen schon nahe daran waren, den Glauben aufzugeben, „weil Christus ja doch nicht wiedergekommen ist, obgleich er es doch versprochen hat", dann verstehen wir jetzt auch gewiss den letzten Satz dieser Verse des Paulus, die wir heute betrachten: „Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse." Das ist ein bisschen so, als meinte Paulus, er müsse doch noch einmal ein wenig mit dem Zaunpfahl winken! Oder drücken wir es so aus und nehmen wir damit die Tatsache auf, dass damals schon einige aus der Gemeinde wieder dem Glauben der Christen den Rücken gekehrt hatten oder kurz davor standen. Denen will der Apostel sagen: Wenn ihr euch von unserem Herrn abwendet, wenn ihr nicht mehr allein auf sein Kreuz vertraut, dann müsst ihr euch auch wieder messen und richten lassen wie jene, die nicht an Christus glauben. Ihr könnt nicht den Glauben an die Wiederkunft des Herrn fahren lassen und auf der anderen Seite die Gnade desselben Herrn erwarten.

Liebe Gemeinde, das sind schon sehr ernste Gedanken und so richtig evangelisch, also eine wirklich frohe Botschaft, sind sie auch nicht! Und doch glaube ich, wir können etwas davon mitnehmen in diesen Sonntag, den wir Christen als Tag der Besinnung und unser Staat als Volkstrauertag begeht. Die Sache mit Christi Wiederkunft sehen wir heute - nach bald 2000-jähriger Erfahrung damit, dass Christus nicht wiedergekommen ist auf den Wolken des Himmels - sicher anders. Wenn wir dafür unseren eigenen Tod, unser individuelles Sterben einsetzen, dann sind wir wohl ganz nah an der Wahrheit und der heutigen (plausiblen) Deutung der Wiederkunft des Herrn. Dann nämlich werden wir ihn sehen, dann ist auch die Stunde des Gerichts. Durch dieses Gericht allerdings werden alle unbeschadet hindurchgehen, die an Jesus Christus glauben und darauf vertrauen, dass er in seinem Sterben am Kreuz für uns und alle Menschen genug getan hat. Der Glaube, der sich allein darauf verlässt, braucht keine Verdienste, keine Werke mehr vorzuweisen.

Wer das nicht glaubt, der wird es sich gefallen lassen müssen, dass er nach seinen Taten gefragt und beurteilt wird und dann den Lohn für seine Werke erhält - je nachdem, was daran gut oder böse war. AMEN