Predigt zum 13. Sonntag n. Trinitatis - 17.8.2008

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Textlesung: Apg. 6, 1 - 7

In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia. Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie. Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

Liebe Gemeinde!

„Griechische Juden", „hebräische Juden" in der Gemeinde? Das versteht man nicht gleich, darum will ich es erklären: Sowohl die griechischen als auch die hebräischen Juden, die hier genannt werden, waren getaufte Christen, so seltsam das auch klingt. Nur waren die einen vorher hebräisch oder aramäisch sprechende Juden gewesen, die anderen sprachen griechisch, denn sie stammten aus der Ferne der Diaspora und waren oft erst im Alter nach Jerusalem gekommen - in die Nähe des Tempels, also Gottes. Wenn sie dann starben, blieben ihre Witwen, wie wir hören, oft unversorgt, weil sie nicht wie die schon lange in Jerusalem ansässigen Judenchristen Familien in der Nähe hatten, die sich um sie kümmerten. Daher also kommt das Murren der griechisch-stämmigen Gemeindeglieder und wir können ihren Ärger verstehen, denn es passt nicht zu einer christlichen Gemeinschaft, dass die einen versorgt, die anderen vernachlässigt werden.

Andererseits ist auch verständlich, dass die Zwölf, also die Apostel, sich nicht um alle Arbeit in der Gemeinde kümmern können und sagen: „Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen." Darum lassen sie für den sozialen Dienst (wenn wir hier genau übersetzen, ist das der „Dienst an den Tischen") einige sogenannte „Armenpfleger" wählen: Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst." Und der Grund, den sie dafür angeben, klingt auch gut und plausibel: „Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben." Aber da sind wir jetzt beim Kern der Geschichte und bei einem Thema, das auch für uns heute einige wichtige Gedanken bietet:

Mir fiel dazu ein, dass doch in manchen christlichen Gemeinden unserer Tage ein verborgener und manchmal mühsam versteckter Konflikt schwelt, wer denn in der Gemeinde den wichtigsten Dienst verrichtet: Sind das die Pfarrerin, der Pfarrer, die Prädikanten oder Lektoren, wenn sie auf der Kanzel das Wort Gottes predigen? Oder ist das der Kirchenvorstand, der die Gemeinde in allen Angelegenheit leitet und verwaltet? Oder sind das die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Kreisen und Gruppen, im Besuchsdienst oder der Hausaufgabenbetreuung, dem Bibelabend oder dem Seniorencafé? Manchmal werden da überhaupt nur zwei Hauptbereiche getrennt: Die Verkündigung bzw. die geistliche Arbeit und die mehr organisatorischen und diakonischen Dienste. Und die im einen oder anderen Bereich tätig sind, fragen sich schon manchmal: Wer arbeitet eigentlich im wichtigeren, entscheidenden Dienst? Und oft wird diese Frage ja auch von der jeweils anderen Seite provoziert, wenn etwa einer, der das Evangelium in der Gemeinde predigt, sich ganz deutlich über die anderen stellt, die z.B. beim Gemeindefest „nur" das Essen ausgeben. Aber es ist oft auch umgekehrt: Da erheben sich die praktischen Dienerinnen und Diener in der Gemeinde, deren Arbeit man ja oft viel besser sehen und messen kann, über die Verkündiger des Wortes Gottes, die doch „nur" mit dem Mund bzw. dem Wort der Sache Gottes dienen und doch meist keinen sicht- und überprüfbaren Erfolg vorzeigen können.

Hören wir dazu noch einmal auf die Geschichte, die uns heute berichtet wird: „...und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia." Kein Wort davon, dass es sich bei diesem Dienst der Armenpflege um einen niedrigeren Dienst gehandelt hätte als der, den die Zwölf weiter versehen wollten, nämlich die Verkündigung des Evangeliums! Im Gegenteil: „Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie." Alle bekommen den gleichen Anteil am Heiligen Geist, der Menschen erst befähigt, anderen Menschen recht zu dienen. Der eine Dienst ist nicht weniger wert, nicht geringer oder weniger wichtig als der andere! Dieser gleichen Würde und diesem gleichen Rang der Dienste tut auch das Handauflegen durch die Apostel keinen Abbruch! Sie waren nun einmal die Vertrauten Jesu gewesen und sie waren durch ihn beauftragt: Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker ... Und der Herr hatte ihnen auch die Hände aufgelegt, um sie zu segnen. Aus diesem Segen kam jetzt der Segen der Zwölf und die Übertragung des Heiligen Geistes an die Armenpfleger! Keiner steht in der Gemeinde höher als der andere. Keine hat mehr Würde als die andere. Alle haben Teil an dem einen Segen. Der Segen aber ist des Herrn und Gottes, unseres Vaters.

Aber ich musste auch an unsere Kirche denken, ihre Gemeindeglieder, ihre Ämter und Funktionen, ihre Einrichtungen an der Basis und ihre Leitung. Da gibt es auch die Frage, wer ist am wichtigsten, was wäre verzichtbar und was sind eher niedrige und was höhere Dienste. Vor dem Hintergrund der Geschichte, die wir heute hören, wäre es sicher gut, wenn man sich in der Führungsetage der Kirche wieder einmal erinnert: Auch die Leitung ist ein Dienst an den Menschen der Gemeinde Jesu Christi. Der Präsident oder Bischof ist nicht mehr als das einfache Gemeindeglied, weil alle in der Taufe der selbe Geist Gottes berührt hat und alle gleichermaßen unter Gottes Segen stehen. Und das einfache Gemeindeglied darf sich sagen: Nicht nur jene, die in meiner Kirche ein Amt haben oder gar an der Spitze stehen, sind wichtig, auch ich bin von Gott gesegnet und es kommt auch auf mich an, dass ich auf meinem Platz den Auftrag und die Aufgabe erfülle, die Gott für mich bestimmt hat.

Und schließlich wollen wir auch noch vor dieser Geschichte jede und jeder an sich selbst denken und uns fragen: Wie sehe ich denn mein persönliches Christentum, mein Leben und Wirken für und in der Sache Gottes? Ist mir das ganz fremd, dass ich vergleiche: Was tue ich für andere, wie wertvoll ist mein Dienst an den Mitmenschen und was tun andere und ist nicht ihre Arbeit für ihre Nächsten eher mager und unbedeutend? Vergessen wir nicht: Wir haben einen Geist von Gott und jeder soll ihn einsetzen nach seinen Kräften und dem Maß der Gaben, die ihm sein Schöpfer dazu geschenkt hat (1.Kor.12,4). Und wenn wir von dem Gedanken nicht lassen mögen oder können, die Wortverkündigung oder die Gemeinde- bzw. Kirchenleitung müsse doch höher bewertet werden als irgendwelche diakonischen oder pflegerischen Dienste, dann wollen wir auf unseren Herrn schauen, der uns ein für allemal selbst ein Beispiel gegeben hat, dass es für uns, seine Nachfolgerinnen und Nachfolger keine hohen oder niedrigen Dienste gibt: „Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war." (Jh. 13,5)

Vielleicht können wir es so sagen: Das Wort Gottes hat wie die Dienste in Kirche und Gemeinde viele Gestalten: Einmal können wir es von der Kanzel mit unseren Ohren hören, ein andermal ist es in den Händen, die uns Brot und Wein austeilen oder auch Essen und Getränk beim Gemeindefest. Wieder ein anderes Mal erfahren wir es in Zuwendung, die uns durch die Diakoniestation zuteil wird und oft auch dadurch, dass uns einer zuhört und sich unserer annimmt und in schwerer Zeit die ersten Schritte mit uns geht, bis wir sie wieder allein tun können.

Und hinter jeder Gestalt des Wortes Gottes steht und wirkt auch sein Segen, der niemanden höher stellt, der den einen Dienst tut und niemanden niedriger, der in einem anderen Dienst arbeitet. Und allen Gestalten seines Wortes gibt Gott seine Verheißung, so wie wir sie in der heutigen Geschichte am Ende lesen: „Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem." Was damals in Jerusalem geschehen ist, kann und wird auch in unseren Tagen geschehen, gleich welchen Dienst wir in Gottes Namen und Segen verrichten. AMEN