Predigt zum Pfingstsonntag - 11.5.2008

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Liebe Gemeinde!

Wir lassen uns einstimmen von sehr tiefen und schweren Versen aus dem Römerbrief. Es ist der uns für heute verordnete Predigttext. Aber ich will diesen Text dann ganz anders aufnehmen, als sie es vielleicht erwarten - und ich will doch seine Aussage predigen. Ich tue das in der Hoffnung, dass jede und jeder von uns dann etwas mehr mitnimmt von diesem Pfingstgottesdienst als ein Stück tiefe Theologie und die Erklärung einiger sehr schwieriger Gedanken:

Textlesung: Röm. 8, 1 - 9 (vielleicht nur Röm. 8,1 lesen)

So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt war, das tat Gott: er sandte seinen Sohn in der Gestalt des sündigen Fleisches und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist. Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt. Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnt sein ist Feindschaft gegen Gott, weil das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag's auch nicht. Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, wenn denn Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen. Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.

Liebe Gemeinde!

Man kann das Kirchenjahr mit einer schon lange verlegten Bahnlinie vergleichen. Wir als Gemeinde sitzen in einem Zug, der immer wieder an den altbekannten Stationen anhält. Auf den Schildern draußen auf dem Bahnsteig lesen wir "Weihnachten" - "Ostern" - "Himmelfahrt" - und heute "Pfingsten". An jeder Station machen wir kurz Rast, ein, zwei Tage, dann lassen wir uns weiter durch das Kirchenjahr tragen.

Heute sitzen wir also gemeinsam im Zug und halten jetzt gerade an der Station "Pfingsten". Was erwartet uns hier? Was erwarten wir? - Weihnachten, Ostern - da könnte jede und jeder von uns sagen, was es an diesen Haltestellen des Kirchenjahres zu bestaunen und vielleicht mitzunehmen gibt. - Aber an der Station "Pfingsten"?

Fragen wir doch einmal die Mitreisenden im Zug. Vielleicht einen studierten Pfarrer. Der müsste es doch wissen. Der Pfarrer antwortet: "Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche, wir feiern ihn jedes Jahr, damit wir an den ersten Anfang, an die kleine Urgemeinde in Palästina denken und wie damals am ersten Pfingsttag die Feuerzungen und das Sprechen in fremden Sprachen über die Jünger gekommen ist." Ja, so antwortet der Pfarrer. Pfingsten - Geburtstag - wir sind demnach heute alle Geburtstagskinder ... Wenn das so ist, dann ist die Frage sicher erlaubt: "Was kriegen wir denn geschenkt?" Ein Geburtstag ohne Geschenke ist ja nur eine halbe Sache, das weiß doch jedes Kind! Also, was will Pfingsten uns geben, damit wir es annehmen, mitnehmen und uns dran freuen? Nun, fragen wir noch einmal den Pfarrer. "Was bekommen wir denn geschenkt am Geburtstag der Kirche?"

Ich glaube, jetzt wird er mit Sicherheit den "Heiligen Geist" nennen. Und wirklich, genau das sagt der Kirchenmann. - Aha, sagen wir uns jetzt, Pfingsten ist also die Station des Kirchenjahres, an der die Kirche Geburtstag feiert und wir als Geschenk den "Heiligen Geist" bekommen.

"Heiliger Geist"? - Bringt uns das nun wirklich weiter? Stellt sich denn nicht jeder und jede im Zug etwas anderes und sehr Verschwommenes darunter vor? Ziehen wir also den Fahrplan zu Rate. In der Bibel, wenn wir in ihr nachschauen, scheint "Heiliger Geist" immer etwas mit Überraschung, Hingerissensein, mit Begeisterung zu tun zu haben und auch mit der Kraft Gottes. Am besten - so sagt der Fahrplan - übersetzen wir "Heiliger Geist" mit: "ein ganz neues Leben anfangen dürfen". Denn ein solches ganz neues Leben ist gemeint, immer wenn in der Bibel einem trostsuchenden, belasteten, schuldigen Menschen die Kraft des Heiligen Geistes zugesagt wird. Und dieses ganz neue Leben war gemeint, wenn damals ein Erwachsener im Namen des Heiligen Geistes getauft wurde, das nämlich hieß damals wie heute: Aus dem alten Leben hinübertreten in das neue Leben des Glaubens, in die Freiheit der Kinder Gottes oder wie es Paulus heute sagt: Das Gesetz des Geistes macht lebendig in Christus Jesus und hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Aber zurück zu uns: Wie sieht dieses Geschenk des Heiligen Geistes denn ganz praktisch für uns aus? Was dürfen wir Reisenden an der Station "Pfingsten", was dürfen wir aus diesem Pfingstgottesdienst, der ja eine Geburtstagsfeier ist, mit nach Hause nehmen? Heißt das Geschenk des Heiligen Geistes für uns auch, "sein Leben ganz neu anfangen dürfen und frei werden"?

Ein neues Leben anfangen - das wünscht sich doch jede und jeder von uns ab und zu, wenn Traurigkeit, Müdigkeit oder Lebensüberdruß, wenn Angst und Trauer sich über uns breiten wie ein schwarzes Tuch, wenn der Berg von aufgehäufter, unvergebener Schuld drohend vor uns steht. Das alte Leben, der ewige Trott zwischen Aufwachen und Einschlafen, Arbeit und Freizeit - wie ein undurchdringliches Netz fesselt er uns alle. Die Sehnsucht nach dem ganz neuen, menschlich gelungenen Leben ruft mit unüberhörbarer Stimme nach Erfüllung. - Sicher geht uns das allen so!

Dieses neue Leben wird uns also heute geschenkt oder mindestens angeboten? Ob wir es annehmen? Ob wir's einmal versuchen mit der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes? Wir alle bekommen sie angeboten an Pfingsten, keine und keiner bleibt ausgeschlossen vom neuen Leben, das durch Gottes Wort und Gottes Liebe beginnen kann. Es ist nie zu früh und nie zu spät dafür, dies Geschenk der Freiheit anzunehmen und einfach ab heute einmal auszuprobieren.

Ja, und man muss es ausprobieren, ob es geht, dass ich mehr lache, mehr Freude zeige, mehr Mut mache, weniger dem Trott und den Gewohnheiten nachgebe. Man muss es auch ausprobieren und erfahren, wie das auf andere völlig überraschend wirkt, wenn ich ihnen Sympathie zeige und Zeit für sie habe. Das alles erreicht bei uns die Kraft des Heiligen Geistes, wir fangen ein ganz neues Leben an und machen rundum einfach einen gelösteren und erlösteren Eindruck. Gelöst von dem Druck des Immer-so-weiter und erlöst von den ewigen Selbstvorwürfen und Anklagen gegen Gott, gegen mich selbst und die Welt.

Aber bleiben wir bei unserem Bild von der Fahrt durch das Kirchenjahr. Wir stehen also an der Station "Pfingsten", feiern den Geburtstag der Kirche, sollen die Gabe des Heiligen Geistes empfangen, sollen durch dieses Geschenk frei werden und aus diesem Geschenk die Kraft kriegen, ein neues Leben anzufangen ... Fragen wir doch ein paar Mitreisende, ob und wie sie dieses Geschenk annehmen und was es ihnen vielleicht bedeutet.

Am Ende des Gangs entlang an den Abteilen steht eine noch junge Frau und schaut hinaus. Wir fragen sie und hören, was sie antwortet: "Heiliger Geist, neues Leben ... Ich wünschte mir, dass ich die Kraft bekomme, endlich von allem Abschied zu nehmen, was ich einmal erreichen wollte. Es ist alles so ganz anders gekommen. Ich dachte immer, ich müsste heiraten und Kinder haben. Ich meinte, das wäre meine Bestimmung. Und weil das nicht so kam, habe ich immer gehadert und an Gottes Liebe gezweifelt. Dabei habe ich einen so schönen Beruf! Ich arbeite mit Menschen. Ich werde gebraucht und es macht mir große Freude. Ich würde das so gern endlich sehen lernen und dafür dankbar werden. Das wäre für mich ein neues Leben."

Im Abteil dort vorn sitzt ein älterer Mann. Was antwortet er? "Ich bin allein. Meine Frau ist mir vor Jahren gestorben. Was ich mir wünschte? Dass ich den Mut bekomme, gegen alles, was die Leute von mir erwarten und schicklich und angemessen finden, noch einmal meine Zuneigung einem Menschen schenken zu können. Ich möchte so gern meine eigene und die Einsamkeit eines anderen vertreiben. Ich würde so gern Glück und Liebe geben und empfangen. Und ich lasse mich daran hindern dadurch, was man von mir erwartet, in meiner Lage, als Witwer ... Dabei wäre es meiner verstorbenen Frau gewiss recht gewesen. Wir haben uns sehr geliebt und eine gute Ehe geführt. Muss ich deswegen nun allein bleiben? Würde es das Andenken meiner Frau irgendwie in den Schmutz ziehen, wenn ich nicht so einsam bleibe? Ich bin unschlüssig. Mir fehlt noch die Kraft. Wenn ich sie hätte, diese Kraft, das wäre für mich ein neues Leben!"

Und fragen wir noch den Mann, der drüben an der Zugtür steht: "Ich habe große Schuld auf mich geladen. Ich habe anderen Schmerz und großes Leid bereitet. Ich habe das wissentlich und bewusst getan. Und ich weiß heute, dass es nicht richtig war. Ich habe die Gefühle anderer verletzt. Habe die Wahrheit missachtet und das Vertrauen anderer mit Füßen getreten. - Ich würde das alles so gern ungeschehen machen! Aber es geht nicht. Ich wünschte mir, dass mir einer sagt, einer zu-sagt, dass mich das nicht mehr belasten muss. Ich würde die Schuld, die mich quält, gern ablegen wie einen alten Mantel. Und ich würde gern einigen Menschen die Hand reichen und mir von ihnen zusprechen lassen, dass sie mir verzeihen. Ob das geht? Ob ich von dieser Station ein solch großes Geschenk mitnehmen darf? Wahrhaftig: Das wäre ein neues Leben für mich!"

Und wir persönlich? Was wünschen wir uns? Was wäre "neues Leben" für uns? - Ich weiß es nicht. jeder wird es selbst wissen. Was ich aber weiß ist dies - und ich sage es noch einmal: An dieser Station, heute an Pfingsten, ist uns der Heilige Geist Gottes verheißen. Wer jetzt will, der darf von hier das neue Leben als Kind Gottes mitnehmen. Haben wir Mut! Probieren wir aus, was dran ist an Pfingsten! AMEN