Predigt zum Sonntag "Sexagesimä" - 27.1.2008

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Textlesung: Apg. 16, 9 - 15

Und Paulus sah eine Erscheinung bei Nacht: ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns! Als er aber die Erscheinung gesehen hatte, da suchten wir sogleich nach Mazedonien zu reisen, gewiss, dass uns Gott dahin berufen hatte, ihnen das Evangelium zu predigen. Da fuhren wir von Troas ab und kamen geradewegs nach Samothrake, am nächsten Tag nach Neapolis und von da nach Philippi, das ist eine Stadt des ersten Bezirks von Mazedonien, eine römische Kolonie. Wir blieben aber einige Tage in dieser Stadt. Am Sabbattag gingen wir hinaus vor die Stadt an den Fluss, wo wir dachten, dass man zu beten pflegte, und wir setzten uns und redeten mit den Frauen, die dort zusammenkamen. Und eine gottesfürchtige Frau mit Namen Lydia, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, hörte zu; der tat der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde. Als sie aber mit ihrem Hause getauft war, bat sie uns und sprach: Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da. Und sie nötigte uns.

Liebe Gemeinde!

Sicher sollen wir an dieser Geschichte heute nicht nur etwas über die Erscheinung erfahren, die Paulus hatte. Auch die Reisebeschreibung, die der Apostel gibt, ist wohl eher für Historiker interessant. Nein, das wichtigste ist sicher die Begegnung mit der Purpurhändlerin Lydia und daraus können auch wir etwas entnehmen. Nur was? - So habe ich mich auch zuerst gefragt. Dann fiel mir der Wochenspruch für diesen Sonntag "Sexagesimä" wieder ein, denn der sagt es deutlich, worüber ich predigen muss und was wir heute bedenken sollen. So heißt der Wochenspruch (- wir haben ihn ja zu Beginn unseres Gottesdienstes schon gehört):

Heute, wenn ihr seine (Gottes) Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht.

Um Gottes Stimme geht es - im Wochenspruch und auch in der Geschichte, die uns von Paulus erzählt wird. Um Gottes Stimme und wie es dazu kommt, dass Menschen ihr das Herz öffnen können oder für sie "verstockt" sind. - - -

Gottes Stimme ... Verstockung ... Was fällt ihnen dazu ein? Melden sich Fragen, Zweifel? Vielleicht solche: Kann ich denn überhaupt heute noch "Gottes Stimme" hören? Wo spricht Gott? In der Bibel, sagt man. Aber da ist doch auch so manches unklar, undeutlich. Spricht Gott da wirklich mit mir? Kann etwas wie die Heilige Schrift - vor 2000 Jahren verfasst! - überhaupt mit heutigen Menschen persönlich reden? Und dann das: "verstocket eure Herzen nicht", das ist auch nicht gleich verständlich. Was ist das eigentlich: "Verstockung"? Machen wir Menschen das selbst? Wird nicht auch von Gott erzählt, dass er die Menschen (etwa in der Zeit des Mose den Pharao von Ägypten) verstockt hat? Und dann: Das "Heute" gleich am Anfang. Warum wird das so betont? Sollte mich Gott wirklich gerade heute ansprechen?

Das alles ist auch mir durch den Kopf gegangen. Und dann habe ich es mit dem zusammengebracht, was Paulus von dieser Lydia berichtet. Wie hieß das eben: "Sie hörte zu; da tat ihr der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde." Muss zu unserem Hören also noch hinzukommen, dass Gott uns eben nicht verstockt, sondern das Herz auftut? Und wann und unter welchen Bedingungen tut er das? Oder tut er das immer und es kommt auf uns an, wie und ob wir dann dabei mitwirken? Mit den Worten der Geschichte gesprochen: Wenn Gott uns das Herz für sein Wort öffnet, tut er das dann, weil wir "darauf acht haben"!?

Es bleibt schwierig, nicht wahr. So habe ich auch gedacht. Dann fiel mir eine kleine Geschichte ein, die ich neulich gelesen habe. Durch sie bin ich in diesen Fragen und Gedanken weitergekommen. Hier ist sie - ich erzähle sie mit meinen Worten nach:

Ein Mann hat eine Taschenlampe gekauft. Er lässt neue - teure - Batterien einsetzen und legt die Lampe zu Hause auf ein Regal nahe der Haustür. Er will die Lampe immer greifbar haben, wenn er einmal im Dunkeln hinaus muss in den Hof oder in den Garten. Und er will sich den finsteren Weg zur Garage beleuchten, wenn er abends spät noch einmal wegfährt. Aber: Benutzt er die Taschenlampe? Nein. Die Batterien, wie gesagt, waren teuer. Er möchte sie gern schonen. Es soll - wenn er die Lampe wirklich dringend braucht - noch genug Kraft und Licht in ihr sein. Also bewahrt er die Energie der Lampe. Immer wenn er sie brauchen könnte, geht er doch ohne sie hinaus. Er läuft den dunklen Weg zum Garten ganz vorsichtig und langsam - da kann ja auch nichts passieren.

So verstreicht eine lange Zeit. Die Lampe - gekauft, um in der Dunkelheit zu leuchten - kam noch nie zum Einsatz ... bis neulich: Da ist er von seiner Mutter angerufen worden. Abends spät ist das gewesen. Die Mutter war in ihrer Wohnung gefallen. Er sollte schnell kommen. Da hat der Mann dann endlich doch einmal seine Taschenlampe genommen, wollte sich den Weg zur Garage erhellen, weil es ja auch rasch gehen sollte. Aber wie erstaunt war er, dass die Lampe nicht ein bisschen Licht hergab! Sie hatte doch immer nur dagelegen, niemals hatte er mit ihr geleuchtet! Wie konnte das denn sein, dass die nie gebrauchten Batterien nichts mehr hergaben, nicht einen Lichtstrahl! -

Der Mann ist trotzdem noch bei seiner Mutter zurecht gekommen. Er konnte ihr helfen und sie war auch bald wieder wohlauf. Aber die Sache mit der Lampe hat ihm zu denken gegeben. Noch lange hinterher hat er sich gefragt, wie das denn möglich ist: Neue Batterien, monatelang nie benutzt - und kein bißchen Licht mehr!?

Nach einer Weile kam dem Mann eine Erkenntnis: Wenn die Kraft ja so oder so aus den Batterien entweicht, dann hätte ich doch all die Zeit mein Licht nicht so sparen müssen! Hätte ich mir doch den Weg beleuchtet, immer wenn ich in den Hof hinausgetreten bin! Hätte ich es mir doch hell gemacht und den Pfad zur Garage und zum Garten bestrahlt - dann wäre die Kraft der Lampe doch zu etwas nütze gewesen! Aber so. Ohne je Licht gegeben zu haben, ist ihre Energie entwichen. Unnütz, sinnlos vergeudet. Wie dumm war er doch gewesen! - - -

Liebe Gemeinde, was hat die Sache mit der Taschenlampe nun mit dem Wochenspruch und dem zu tun, was uns heute von Lydia, der Purpurkrämerin, erzählt wird. Hören sie noch einmal auf den Wochenspruch: Heute, wenn ihr Gottes Stimme hört, verstockt eure Herzen nicht! Und auf diesen Satz aus dem Predigttext: "Lydia hörte zu; da tat ihr der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte, was von Paulus geredet wurde."

Es kommt wohl beim Hören auf Gottes Stimme auf das "Heute" an und auf das "Achthaben"! Da darf nichts verschoben werden! Und immer sind wir selbst beteiligt: Bei der Verstockung oder wenn Gott uns das Herz auftut. Wir schließen unser Herz zu oder auf. Und wir verachten Gottes Wort oder haben acht darauf!

Und ich finde schon, hier hilft uns die Geschichte von der Taschenlampe verstehen, denn uns geht es mit Gottes Stimme genau so, wie es dem Mann mit seiner Lampe ging: Wir haben auch Kraft in uns, Kraft von Gott. Wir können hören, können sein Wort aufnehmen und unser Herz und unser Leben damit hell werden lassen. Und wir könnten und sollten uns den Weg, den wir gehen, mit Gottes Wort beleuchten, dass wir wissen, wo es nach Gottes Willen lang geht. Und auch im Leben anderer Menschen können wir es hell machen, dass wir ihnen helfen, dass wir auch ihnen vom Wort Gottes her das schenken und tun, was ihnen Freude macht oder sie tröstet, je nach dem, was sie brauchen! Aber - wie bei dem Mann mit der Lampe - wir tun es oft nicht.

Vielleicht nennen wir die Energie der Taschenlampe des Mannes (aus der Geschichte) bei uns einmal den Glauben. Und auch von Lydia wird ja erzählt, dass sie "gottesfürchtig" war, also an Gott glaubte. Und so ist es doch auch bei uns: Wir wissen es wohl, dass ein Vater im Himmel ist, der uns lieb hat und beschützt, der nichts auf uns kommen lässt und uns selbst durch das Todesdunkel führt. Und wir glauben doch an Jesus Christus, dass er uns erlöst hat, unsere Schuld bezahlt und uns den Weg ins ewige Leben gezeigt hat. In ihm haben wir doch das Licht der Welt erkannt, durch ihn haben wir doch die Kraft zu leuchten, auch den Mitmenschen den Weg zu erhellen ... Aber wir geben oft kein Licht! Wir haben nicht genug acht auf den, an den wir doch glauben und für alles, was aus unserem Glauben werden kann und soll - schließen wir unser Herz zu. Wollen wir die Kraft, die in uns ist, schonen?

Gewiss: Es ist eine teure Kraft - sie hat Gott seinen liebsten Sohn gekostet! Und sie ist wichtig und wertvoll - nicht alle Menschen haben sie geschenkt bekommen! Da kann man schon auf den Gedanken verfallen, den Glauben im Herzen zu vergraben wie einen Schatz, wie eine wertvolle Münze, die man gut hüten muss! Vielleicht denken wir ja auch, dass diese Glaubenskraft für den Alltag zu schade wäre? Wenn irgendwann ein besonderer Anlass ist - wenn es sozusagen in meinem Leben Sonntag wird - dann habe ich ihn am Ende nicht mehr kräftig und unverbraucht in meinem Herzen? Das wäre doch schlimm! Also: Schonung ist angesagt! Pfleglicher, sparsamer Umgang mit diesem wertvollen Gut! Lieber weite Lebensstrecken im Dunkeln laufen, als mein Licht verstrahlen und dabei vielleicht vergeuden!

Liebe Gemeinde, ich denke, das meint unser Wochenspruch mit "Verstockung"! Wenn wir die Kraft, die uns geschenkt ist, nicht einsetzen! Wenn wir ängstlich sparen, was uns von Gott - für die Menschen und uns selbst - gegeben ist. Und darauf möchte uns die Geschichte von Lydia ansprechen: Ob wir denn wirklich genug achtgeben auf die Stimme Gottes und ihn unser Herz für sich öffnen lassen. Und die Sache mit der Taschenlampe erhellt nun auch unsere Fragen und Zweifel von vorhin: Ob ich Gottes Stimme überhaupt heute noch hören kann? - Haben wir sie nicht gehört? Ist seine Kraft, der Glaube nicht in uns? Hätten wir also nicht ein Licht, um zu strahlen und zu leuchten, wenn wir nur wollten?

Und die Frage "Verstockt nicht Gott selbst die Menschen?" löst sich in dieser Geschichte auch: Gewiss schenkt er nicht allen den Glauben, die Kraft im Herzen, dass sie Licht für andere sein können. Gott kann auch verstocken und mag das auch bei manchen Leuten tun. Aber uns hat er doch mit dem Glauben ausgestattet! Uns gab er doch seine Kraft und die Möglichkeit, acht auf seine Stimme und seinen Willen zu haben. Wenn wir unseren Glauben jetzt nur in uns behalten, nicht hinauswirken und -strahlen lassen, dann verstocken wir uns selbst!

Alles das ist enthalten in der Geschichte vom Mann und seiner Taschenlampe: "Heute" hätte der Mann die Lampe benutzen müssen! Gleich nachdem er sie gekauft hatte, hätte sie eingesetzt werden sollen! Wie viel Licht hätten die unverbrauchten Batterien hergegeben!

Und genau so ist es beim Glauben? Du vertraust auf Gott - dann freue dich und singe und zeige es vor den Menschen! Du lebst in seiner Kraft - dann gib von ihr ab an deine Schwestern und Brüder, die sie nötig haben. Du glaubst an Gott, die Vergebung der Sünden und das ewige Leben - dann sei getrost in allen Lebenslagen, verlier' den Mut nicht in Angst und Gefahr und stärke mit deinem Glauben deine Mitmenschen! Du kannst es! Du hast die Kraft! In dir ist Licht!

Und das Ende der Geschichte ist leider auch wahr: Auch die Kraft, die wir nie eingesetzt haben, zehrt sich auf. Auch ohne je geleuchtet zu haben, braucht sich unser Glaube auf. Wenn die Stunde da ist, dass wir unser Licht strahlen lassen wollen, wird da nur Finsternis sein. Schlimm, wenn wir dann erst begreifen müssen, dass unser ängstliches Schonen und Sparen in Wahrheit Vergeudung war! Welch ein Jammer, wenn uns dann erst klar wird, was wir mit unserem Licht alles hätten tun und bewirken können! - Hieran erinnert uns Paulus, wenn er von Lydia erzählt: ... da tat ihr der Herr das Herz auf, so dass sie darauf achthatte ... was er sagte. "Achthaben" heißt, dem Glauben, der Kraft Gottes, dem Licht etwas zutrauen, es nicht ängstlich sparen und es nicht gerade so vergeuden!

Wir sind mit Glauben und der Lebenskraft Gottes beschenkt und nicht verstockt! Wir haben seine Stimme gehört - wie Lydia und Gott hat uns das Herz für sich geöffnet. Es liegt an uns, sein Licht nicht wieder in unserem Herzen zu verschließen, sondern leuchten zu lassen vor den Menschen.

Auch die Lampe mit den teuren Batterien, die nie geleuchtet hat, verliert mit der Zeit ihre Kraft! Wenn man's bemerkt, dass man sie genauso gut hätte einsetzen und strahlen lassen können, ist es zu spät.

Vielleicht nehmen sie diese Gedanken ihre nächsten Tage mit, liebe Gemeinde? Vielleicht erinnern sie sich, immer wenn heute, morgen oder übermorgen ihr Glaube gefordert ist, daran, dass sich auch die nichtgenutzte Kraft verzehrt. Vielleicht lassen sie sich dann ermutigen, ihr Licht leuchten zu lassen und es nicht in sich zu verschließen und zu vergeuden, sondern einzusetzen für Gottes Sache und für die Menschen?