Predigt zum Sonntag "Septuagesimä" - 20.1.2008

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Textlesung: Röm. 9, 14 - 24

Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne! Denn er spricht zu Mose (2. Mose 33,19): "Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich." So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. Denn die Schrift sagt zum Pharao (2. Mose 9,16): "Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde." So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen? Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst?

Liebe Gemeinde!

Ich wollte eigentlich wieder einmal eine leichte, ja eine heitere Predigt halten. Sie sollte Freude machen und vielleicht gar ein Lächeln auf ihre Züge bringen. Aber dann diese Worte: Alles liegt an Gottes Erbarmen! Wer bist du, Mensch, dass du mit Gott rechten willst? Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton und kann er nicht damit machen, was er will? Ja, kann er nicht einige Töpfe zur Ehre bestimmen und andere zur Unehre?

Sehr starke Worte sind das und sehr hart sind sie! Aber vielleicht ist das jetzt noch nicht deutlich genug geworden: Du, lieber Mensch, hast keinerlei Rechte vor Gott! Du bist nur ein Klumpen Ton! Gott kann dich formen oder aus der Hand legen, zu diesem oder jenem gebrauchen - oder zerschlagen. Sein Erbarmen oder sein Zorn geht über dich hin - ganz wie er will! Nicht einmal beschweren darfst du dich, denn wer bist du schon? Du bist nur das Werk, Gott aber ist der Meister.

Da sträuben sich uns nun doch die Haare! Am liebsten möchte man weghören und so tun, als stünde das gar nicht in der Bibel. Mir ging es ganz ähnlich, wie gesagt: Freude wollte ich predigen, etwas leichtes, fröhliches ... Wie gern hätte ich diese Verse weggelegt und mir ein anderes schönes Wort gesucht! Aber redlich wäre das auch nicht gewesen. Denn das sagt Paulus nunmal - und es steht in der Heiligen Schrift! Also lassen wir uns diese Worte zumuten, wenn sie uns schon nicht gefallen:

Alles liegt an Gottes Erbarmen! Dazu können wir vielleicht noch am leichtesten ja sagen. Gewiss: Wenn Gott sich weigert, uns zu geben, was wir uns sehnlich wünschen, dann werden wir es nicht bekommen. Wenn es Gottes Wille ist, dass uns dieses oder jenes zustößt, dann werden wir nicht davon verschont bleiben. Von Anfang an ist das ja so: Wer gibt uns das Leben? Gott! Wer schenkt uns die Gaben und Talente? Wer lässt uns in Reichtum oder Armut, in Wohlstand oder Hunger geboren werden? Wer schafft unsere gesunden Glieder und wer erhält sie uns? Wer weckt die Liebe in uns und zu uns? Ja, wem verdanken wir uns selbst und alles, was wir haben? Gott! Sein Erbarmen gibt und seine Güte macht das. Ein bisschen Freiraum wird ja schon noch für uns selbst bleiben! Denn frei wollen wir doch auch noch sein! Wir wissen nicht genau wie und wo wir das in Gottes Allmacht und Erbarmen unterbringen können, aber so ein wenig möchten wir doch mitspielen, mitschaffen und einen freien Willen haben! Vielleicht ist das ja so, dass Gott all die guten Voraussetzungen für mich und mein Leben schafft und dann sagt: Nun mach mal selbst weiter! Andrerseits: Wenn es hier heißt, alles liegt an Gottes Erbarmen - dann kann das auch nicht sein. - Wirklich schwierig, diese Gedanken!

Gegen das zweite wenden wir uns nun aber ganz entschieden: Wer bist du, Mensch, dass du mit Gott rechten willst? Alles kann Gott ja doch auch nicht mit uns machen! Wenn er uns schon ins Leben ruft, dann soll er uns auch erhalten, mit Nahrung und Kleidung, mit Wohnung und Gesundheit, mit Auskommen und Freude ... Ja, wir haben auch ein Recht Gott gegenüber! Ein Recht auf Liebe, auf Zuwendung, auf das Leben. Schließlich haben wir auch Gefühle! Wir empfinden Schmerz, uns tut weh, was uns geschieht, wir leiden unter dem was uns zustößt. Dürfen wir nicht aufschreien, wenn uns Böses widerfährt? Sollen wir nicht weinen, wenn man uns quält? Wird die Trauer uns nicht auch zu solchen Fragen treiben: Warum? Warum mir? Und werden wir nicht hadern, wenn Gott uns allzu früh einen lieben Menschen nimmt?

Aber am meisten lehnen wir uns sicher gegen diesen Satz auf: Hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, kann er nicht mit den Gefäßen tun, was er will? - Wir sind doch keine Tonklumpen! Wir sind doch keine Schalen oder Krüge, die einer - wie es ihm gerade beliebt - zu Scherben schlagen kann! Wir sind Menschen! Wir haben Geist und Seele, empfindliche Sinne, wir tragen Gottes Antlitz (das hat er doch selbst gesagt!), wir sind sein Gegenüber, von seiner Hand erschaffen, aus dem göttlichen Willen hervorgegangen ... da kann er uns doch nicht wieder wegwerfen - wie eine alte Vase, die keiner mehr braucht! Nein, alles in uns wendet sich gegen diese Gedanken: Wir sind auch wer!!! Auch Gottes Geschöpfe haben ein Recht! Wir sind Menschen, aus göttlichem Wort geschaffen! - Und zugleich mit unserer Auflehnung fühlen wir es doch: Es ist auch so wie Paulus es sagt: Alles liegt an Gottes Erbarmen. Wir haben kein Recht vor ihm. Wir sind wie der Ton in seiner Hand; er kann uns formen oder verderben. Und es gab schon manche Stunde in unserem Leben, da wussten wir deutlicher als sonst, dass es so ist. Wir sind klein. Wir sind auf Gnade angewiesen. Zieht Gott seine Hand von uns ab, dann müssen wir vergehen.

Liebe Gemeinde, wie reimt sich das nun zusammen? Wie geht das auf: Unser Protest gegen Wilklkür und unser Gefühl, wie arm und gering wir doch wirklich sind?

Vielleicht hilft uns das weiter, wenn wir schauen, mit wem Paulus hier eigentlich so deutlich spricht? Fromme, rechtschaffene Juden sind gemeint. Ihnen hält er das vor: Wer seid ihr, dass ihr mit Gott rechten wollt? - Aber, warum nur? - Nun, sie hatten sehr lautstark verkündet, was sie sich selbst einbildeten: Wir sind Abrahams Volk! Wir sind seine Kinder. Wir haben einen Anspruch auf Gottes Gnade. Uns kann nichts passieren, Gott hat uns versprochen, dass wir seine Leute sind - immer und ewig!

Paulus wird sich über solche Anmaßung geärgert haben. Er vertrat ja doch eine ganz andere Gerechtigkeit, eine ganz andere Gnade: Gott muss doch keinen Menschen mit seiner Liebe beschenken! Er muss doch niemand gerecht sprechen! Er tut das um Jesu Christi willen; weil er sich für die Menschen ans Kreuz geopfert hat, nimmt er uns an - und nicht weil irgend jemand - und seien es die Juden - irgendwelche uralten Rechte geltend machen. Darum diese drastischen Worte: An Gottes Erbarmen liegt es, ob er euch seine Kinder nennen will. Wer seid ihr denn, dass ihr auf eure alten Vorrechte pochen wollt? Ihr seid auch nur - wie alle anderen Menschen - ein Stück Ton in Gottes Hand! An ihm liegt es, was er mit euch macht: Ehre oder Unehre, Gnade oder Verdammung, Leben oder Tod .. Aber - und das haben wir ja schon befürchtet - mit uns spricht dieser Paulus auch! Der Hochmut, den die Juden damals gezeigt haben, ist uns ja nicht so ganz fremd! Wir sprechen auch gern von "Rechten" und "Vorzügen", die wir anderen voraushaben. Das hört sich mal so und mal so an: "Wenn ich den X betrachte, was der schon so alles angestellt hat, da bin ich dagegen doch ein sehr guter Mensch!" - "Wenn ich die Frau Y anschaue, da bin ich ja richtig kirchlich! Die geht nicht mal an Weihnachten!" - "Was habe ich doch für meinen Nachbarn jahrelang auf mich genommen: All die Besorgungen, die Pflege, die Zeit ... Das wird mir Gott gewiss einmal lohnen!"

Aber es wird auch noch ganz anders gedacht und gesprochen, da quillt der Hochmut dann geradezu in dicken Tropfen heraus: "Wie gut, auf die Seite der Kinder Gottes zu gehören und einmal nicht verloren zu gehen - wie diese ungläubigen Menschen!" - "Nein, wie leben diese Leute! Die lesen nie in der Bibel und beten auch nicht vor dem Essen - wie die Tiere sind die!" Und selbst hinter sehr demütigem Augenaufschlag verbergen sich oft sehr hochmütige Gedanken: "Mich hat Gott in seiner Gnade ausgewählt, dass ich seinen Weg erkenne und seinen Plan mit mir und der Welt begreife. Mir hat er seine Weisheit offenbart!"
Liebe Gemeinde, das ist die andere Seite. Das sind wir. So denken wir alle - mehr oder weniger. So sprechen wir zuzeiten und solche hochfliegenden Gedanken nisten sich in unseren Köpfen ein. So gesehen reimt sich das schon, wenn uns heute einmal klar und schonungslos gesagt wird, wer wir sind! Verstehen wir es doch so: Komm mal wieder auf den Teppich, du kleiner Mensch, Gottes Erbarmen lässt dich leben, du hast nicht mit ihm zu rechten, du kleines Klümpchen Ton, das du bist! Und der Menschheit unserer Tage insgesamt möchte man das auch einmal ins überhebliche Gesicht schreien: Wer seid ihr, dass ihr Gott vergessen habt und seinen guten Willen überall in das Gegenteil verkehrt? Wer seid ihr, dass ihr die Meere verdreckt und die Wälder verbrennt? Wer seid ihr, dass ihr den Armen das Leben und den Hungernden das Brot vorenthaltet? Wer seid ihr, dass ihr mit dem Erbgut des Menschen hantiert und mit dem atomaren Risiko spielt? Wer seid ihr? - Ein Haufen Ton in Gottes Hand, das seid ihr! Es ist seine Geduld, wenn er euch noch weiter gewähren lässt. Es ist seine unbegreifliche Güte, wenn er euch nicht das Handwerk legt und euch in eurer Anmaßung zerschlägt! Und vielleicht, liebe Gemeinde, sollten wir heute auch persönlich diese harten Worte einmal stehen lassen und sie mitnehmen in unser Nachdenken in den kommenden Tagen.

Das eine aber möchte ich noch sagen, es mildert diese drastischen Gedanken nicht, aber es gehört zu ihnen wie der Rahmen zum Bild: Tut uns Gott das denn wirklich, was er doch eigentlich tun könnte? Zerschlägt er uns denn, wie es Gefäße der Unehre verdient hätten? Und lässt er sich nicht auch schon manches Jahr unser Rechten und unser hochmütiges Wesen gefallen?

Das müssen wir doch wohl zugeben, dass wir von der Härte, die sich in diesen Worten ausspricht, weitgehend verschont geblieben sind! Wie gut geht es uns! Wie viel Erbarmen Gottes haben wir schon erfahren? Welche Fülle an Geschenken durften wir schon empfangen! - Mit anderen Worten: Gott hat bis jetzt nur so hart gesprochen, spüren mussten wir von seiner Härte noch wenig! - Ob wir ihm dafür auch dankbar sind? AMEN