Predigt zum Drittl. So. i. Kirchenjahr - 11.11.2007

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Textlesung: Lk. 18, 1 - 8

Er sagte ihnen aber ein Gleichnis darüber, dass sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten, und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen. Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher! Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage. Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er's bei ihnen lange hinziehen? Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze. (Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?)

Liebe Gemeinde!

Beim ersten Hören macht das wohl jeden stutzig, wie Gott hier in die Nähe dieses korrupten Richters gestellt wird: „Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten ..." Die Menschen zur Zeit Jesu aber haben das ganz anders verstanden - und so sollten auch wir es verstehen. Wie's gemeint ist, wird uns klar, wenn wir Jesus die Worte ein wenig anders formuliert in den Mund legen: Wenn schon ein ungerechter Richter der Witwe Recht verschafft, um wie viel mehr wird Gott das tun, der die Liebe und die Gerechtigkeit selbst ist!? - Und was heißt das jetzt?

Schauen wir, was die Witwe tut: Sie bedrängt den Richter wieder und wieder. Sie lässt nicht locker. Wir können uns vorstellen, dass sie jeden Tag aufs Neue im Amtszimmer des ungerechten Mannes steht - ohne Anmeldung und ohne vorgelassen worden zu sein. Sie will ihr Recht! Irgendwann ist es dann dem Richter zu viel: Nicht weil er gemerkt hat, dass er der Frau vorenthält, was ihr zusteht. Auch nicht aus Barmherzigkeit oder weil er gottesfürchtig wäre. Nur weil er ihr Drängen leid ist.

Wenn wir nun vom Beten und von Gott sprechen, dann werden wir auch das übertragen müssen: Unser Gebet soll beständig sein. Immer wieder sollen wir mit unseren Bitten und Wünschen (und sicher auch mit unserem Dank!) vor Gott kommen. Jeden Tag, immer wenn wir Zeit haben und die Muße, unsere Hände zu falten. Irgendwann wird Gott hören. Er wird uns tun, worum wir ihn bitten. Aber es wird aus seiner Liebe zu uns geschehen und die tut uns nur das, was gut für uns ist. Und gerecht wird das sein, was Gott tut, denn er bevorzugt keines seiner Kinder, sie sind vor ihm alle gleich und seinem Herzen gleich nah.

Nun wird es Zeit, dass wir diesen Gedanken Fleisch geben und Gestalt. Ich möchte von zwei Menschen aus unseren Tagen erzählen und was sie mit Gott und dem Gebet zu ihm erlebt haben:

Ein Mann ist gerade in den Ruhestand verabschiedet worden. Er war über 30 Jahre Personalratsvorsitzender eines mittelständischen Unternehmens. Er hatte wirklich große Verantwortung und weit reichende Kompetenzen. Allerdings kam das persönliche Leben und das seiner Familie in all den Jahren viel zu kurz. Oft verfolgten ihn die betrieblichen Erlebnisse, die Schicksale der Arbeiter und Angestellten, die er vertrat, bis in die Freizeit und sogar in den Schlaf. Und oft hat er sich sehr für seine Leute engagiert, für sie Lohnerhöhungen, Beschäftigungsgarantien oder Abfindungen ausgehandelt. Von der Kirche und vom Glauben hat er sich in dieser Zeit sehr entfernt und um Gott drehten sich seine Gedanken eher selten.

Jetzt ist er im Ruhestand und er spürt, dass er die „Ruhe" jeden Tag schlechter verträgt. Alles scheint ihm jetzt so leer. Zwar ist das Leben finanziell gut gesichert, aber ansonsten muss er sagen: Er hat es versäumt, für die Jahre nach der Arbeit vorzusorgen. Die Frau hat ihren eigenen Freundeskreis. Die Kinder sind lange schon aus dem Haus und wohnen nicht einmal in derselben Stadt. Hobbys, die man jetzt neu aktivieren könnte, hat er keine. Mitglied in irgendeinem Verein ist er auch nicht und sportliche Betätigung hat er sein Leben lang gemieden. Was also tun mit den Stunden und Tagen und Wochen ...

Nun sage ich ihnen wie es weitergeht, aber ich erzähle das nicht nur so, weil ich ja hier eine Predigt halte. Nein, es ist wirklich so gewesen: Der Mann nämlich hat sich an die Jahre seiner Jugend erinnert, an die Konfirmandenzeit und was ihm die Sache der Kirche und des Glaubens doch damals bedeutet hat. Er hat wieder angefangen, den Gottesdienst zu besuchen. Und es hat ihm viel gegeben. Auch mit seiner Pfarrerin ist er nach und nach in guten Kontakt gekommen. Ganz langsam ist dabei das Arbeitsleben, das ihn immer so umgetrieben hat, in die Ferne gerückt. Zugleich aber sind ihm die Fragen, um die es im Glauben geht, wichtiger und bestimmender geworden. Es war so, wie wenn einer, der lange Zeit fort war in einem anderen Land, heimkehrt dorthin, wo er aufgewachsen ist und wo er auch ganz tief drinnen in seiner Seele immer seine Heimat hatte.

Und dann hat der Mann angefangen zu beten: Zeige mir, Herr, deinen Weg. Ich möchte neuen Inhalt in meinem Leben finden. Wenn du eine Aufgabe für mich hast, dann lass es mich wissen. Mir fehlt Sinn und Erfüllung in meinen Tagen. Hilf mir!

Es hat einige Monate gedauert, aber er hat nicht abgelassen von seinem Gebet. Dann aber hat Gott geholfen. Erst so, dass der Mann es gar nicht richtig gemerkt hat. Es war so anders, als er es sich vorgestellt hatte. Da war nun nicht plötzlich ein Auftrag für ihn ... von oben. Es war eher so, dass er hineingewachsen ist in eine neue Aufgabe: Erst wurde er gefragt, ob er im Besuchsdienst seiner Gemeinde mittun wollte. Also ging er die Menschen besuchen, die neu in der Gemeinde wohnten. Er hieß sie herzlich willkommen in der Gemeinde und oft gab es interessante Gespräche. Aus diesen Gesprächen hörte er bald die Wünsche der meist jüngeren neuen Gemeindeglieder heraus, ob man von der Kirche nicht für die Kinder eine Hausaufgabenhilfe anbieten könnte. Und da er noch viel Zeit übrig hatte, baute er diese Einrichtung selbst auf und arbeitete auch persönlich mit - jeden Werktag-Nachmittag. - Heute fragt er nicht mehr nach Sinn und Erfüllung in seinem Leben als Ruheständler - er hat sie gefunden.

Hier ist noch eine kleine Geschichte:

Einer jungen arbeitslosen Frau, allein erziehende Mutter zweier Kinder, wird die Unterstützung vom Arbeitsamt deutlich gekürzt. So kann sie ihre Kinder kaum noch durchbringen. Auch ihre Wohnung muss sie verlassen, weil sie in Größe und Miete nicht mehr den Bestimmungen entspricht. Sie ist immer religiös und kirchlich gewesen. Nun aber beginnt sie mit Gott zu hadern. Und sie spricht das auch aus in ihren Gebeten: Gott, den ich einmal Vater genannt habe, was habe ich getan, dass du mich so schlägst. Ich weiß keinen Rat mehr. Wie soll ich meine Kinder ernähren und kleiden. Wie soll das überhaupt weiter gehen, wenn ich jetzt auch noch aus der Wohnung muss.

So und ähnlich betet sie Tag um Tag, immer wieder. Dann steht, kurz bevor sie ihre Umzugskisten packt, ein Reporter von der Tageszeitung vor ihrer Tür. Er will über sie und ihr Schicksal in der Zeitung schreiben. Erst will sie nicht, meint, eine Veröffentlichung könnte ihr nur schaden. Dann aber willigt sie ein. Schon zwei Tage nachdem der Artikel über sie in der Zeitung stand, hat sich unter den Lesern eine Initiative gebildet. Ein Hilfsfond für sie und ihre Kinder wurde gegründet und es wird für sie gesammelt. In wenigen Tagen kommt so viel Geld zusammen, dass sie dauerhaft in ihrer Wohnung bleiben kann und auch für den Lebensunterhalt von ihr und ihren Kindern auf lange Zeit gesorgt ist. - Jetzt weiß sie, dass Gott viele Weisen hat, uns zu helfen. Und oft so, wie wir es nie erwartet hätten.

Liebe Gemeinde, gewiss, das sind ganz besondere Fälle, bei uns liegt die Sache ganz anders. Aber die Menschen, von denen ich erzählt habe, waren zuerst auch ziemlich hoffnungslos und hätten auch gesagt: Warum sollte Gott gerade auf mich hören, wenn ich ihn bitte. - Aber er hat es getan!

Vielleicht fragen wir jetzt, wenn wir an unser Leben und seine Nöte denken, lieber einmal so: Warum sollte Gott nicht hören? Warum sollte er mir nicht helfen?

Eins aber wollen wir auch bedenken und von heute mitnehmen: Ein kurzer Ruf um Hilfe ist zu wenig. Ein Gebet wird den Umschwung in unserem Leben nicht bringen. Gott will gebeten sein und ich füge hinzu: wieder und wieder, ohne Unterlass und manchmal vielleicht sogar so, dass wir ihn bedrängen! Denken wir an die bittende Witwe: „... sie kam zu ihm immer wieder und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!"

Sicher gibt es keine Garantien, dass Gott hört und sich unseres Anliegens annimmt. Was aber spricht dagegen, dass wir es mit dem beharrlichen Gebet versuchen und nicht darin nachlassen? Wenn Gott will, wird es vielleicht auch bei uns so ausgehen: „... ich will doch dieser Frau, weil sie mir soviel Mühe macht, Recht schaffen!" AMEN