Predigt zum Erntedankfest - 7.10.2007

Textlesung: Mt. 6, 19 - 23

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz. Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!

Liebe Gemeinde!

Es ist ja eine ungewöhnliche Ausdrucksweise in diesen Versen, aber wir ahnen doch, was sie meinen: "Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz." Wenn wir nur für unser Hab und Gut arbeiten, dann ist unser Herz nicht frei für Gott und den Nächsten. "Das Auge ist das Licht des Leibes." Auch diese Vorstellung ist uns nicht ganz so fremd: Wie eine Lampe beleuchtet unser Auge die Dinge, die Menschen, die wir ansehen. Wenn in unserem Auge ein Strahlen ist, dann wird auch das, was wir erblicken, heller. Wenn unser Blick düster ist, wirkt auch das finster, was wir sehen. "Wenn ... dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein." Das böse Auge ist die Missgunst, der Neid, die Habgier ... Wer mit solchen Augen auf die Menschen seiner Umgebung schaut, dessen Seele kann sich nicht mehr freuen und selbst sein Leib, sein Herz wird sich verkrampfen und verhärten. "Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein!" Wenn ein missgünstiges Auge das Fenster, der einzige Zugang zu unserem Inneren ist, wenn nur so das Licht ins Haus unserer Seele kommen kann, dann wird es wohl dunkel bleiben in uns. - Wie gesagt: Das alles ist zwar ungewohnt und bildhaft ausgedrückt, aber doch verständlich und recht klar.

Was nun aber noch lange nicht klar ist und worüber ich mit ihnen nachdenken möchte, ist dies: Wie können wir das ändern, wenn es bei uns so ist? Wie wird aus einem bösen, ein gutes, helles Auge? Wie überwinden wir Neid, Missgunst und Habgier? Wie kommt das Licht in unser Herz und unsere Seele? Und heute am Erntedanktag wollen wir hinzufügen: Wie werden wir dankbare Menschen, die auch fröhlich und freigebig teilen können?

Halt, halt, nicht so schnell, möchten jetzt gewiss einige von uns rufen. Und dann würden sie hinzufügen: Ich bin doch gar nicht missgünstig! Ich blicke auch nicht mit Neid oder gar Habgier auf das, was die anderen besitzen! Bei mir drinnen ist es also ganz hell!

Liebe Gemeinde, ich will das nicht einfach abtun als etwas, was wir uns nur vormachen. Ich will nicht sagen, das wäre nur Selbsttäuschung und eigentlich hätten wir doch alle ein gleich stockfinsteres Herz und ein ebenso dunkles Auge. Nein, ganz gewiss ist es unterschiedlich bei uns und allen Menschen. Jeder hat ja eine andere Lebensgeschichte, eine unterschiedliche Umgebung, andere Beziehungen, Erfahrungen und darum sein ganz eigenes Maß, mit dem er die Dinge, seinen Besitz und den der anderen Menschen misst. Also wird auch der Neid und die anderen Eigenschaften unterschiedlich ausgeprägt sein. Das will ich zugestehen. Aber frei davon ist niemand, sie nicht, du nicht und ich selbst auch nicht!

Andere unter uns überlegen noch: Bin ich vielleicht doch missgünstig? Beneide ich nicht wenigstens ein bisschen meinen Verwandten, den Nachbarn, den Kollegen oder jemand anderen um das, was ihm so leicht zugefallen ist und worum ich seit Jahren erfolglos kämpfe: Die gehobene Position, die Möglichkeit, den Kindern eine bessere Schulbildung zu gewähren, das höhere Gehalt, das dickere Auto und wie schön er wohnen kann ...? Ich persönlich frage mich, wenn ich an den Chef der Deutschen Bank denke, der ein Jahresgehalt von rund 13 Mio. Euro einstreicht, ob ich das wirklich nur absolut maßlos, ungerecht, durch nichts zur rechtfertigen und als Verhöhnung der hart arbeitenden Menschen empfinde, die mit ihrem Gehalt doch nicht einmal sich und ihre Familie ernähren können - oder ob ich nicht doch auch neidisch bin und dem Bankchef seine Millionen nicht gönne? Und diese Frage muss ich mir auch angesichts des schon unanständig großen Reichtums vieler anderer Menschen stellen - in unserem Land und überall in der Welt.

Sicher aber gibt es auch solche unter uns, die heute - am Erntedankfest - auch gern einmal zugeben, dass sie rund ums Jahr oft Gedanken hatten, die mit einem "hellen Auge" nicht zu reimen sind und die ganz klar davon sprechen, dass ihr Herz nicht frei ist von Habgier, Neid und Missgunst.

Darum also noch einmal die Fragen: Wie wird aus einem bösen, ein gutes, helles Auge? Wie überwinden wir den Neid und die anderen schlechten Gedanken? Wie kommt das Licht in unser Herz und unsere Seele?

Ich glaube, hier gibt uns der erste Teil der Verse, die wir heute bedenken, einen wichtigen Hinweis:

"Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz."

Nun ist es schon so, dass sich diese Bilder vom Schatz auf Erden und im Himmel nicht so gut mit unserem evangelischen Glauben reimen wollen. Wir denken hier gewiss gleich daran, dass wir vor Gott doch nichts mehr verdienen können. Jesus Christus hat doch allemal alles für uns getan und durch sein Opfer am Kreuz alles verdient: Unser erlöstes Leben hier und einmal ewig! Wie sollen wir da noch Schätze im Himmel sammeln können? Und was sollten das denn für Schätze sein?

Das ist sicher richtig. Daran wollen wir auch nicht rühren. Aber hören wir noch einmal hin: "Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz!" Es geht gar nicht darum, dass ich mir bei Gott etwas verdiene. Das ist ausgeschlossen! Es geht um diesen Gedanken: Woran hänge ich mein Herz? Was bestimmt darum mein Denken - und dann eben auch mein Handeln. Anders gesagt: Wie frei bin ich eigentlich von meinem Besitz? Wie leicht oder schwer fällt es mir darum, abzugeben davon, mit denen zu teilen, die wenig und gemessen an unserer Fülle eigentlich gar nichts haben.

Und da fragen wir jetzt noch einmal: Wie wird aus einem bösen, ein gutes, helles Auge?, wie überwinden wir den Neid und die anderen schlechten Gedanken?, aber jetzt stellen wir diese Fragen mit diesem Bild noch einmal anders: Wie sammeln wir Schätze im Himmel? Wie kommen wir los von unserem irdischen Schatz? Wie wird unser Herz frei zum Teilen und zum Abgeben an die, deren Leben und oft Überleben von unserem Erbarmen abhängt?

Ich denke, das erste ist dies: Wir müssen wieder die irdischen Schätze unseres Lebens als solche sehen, erkennen und wahrnehmen lernen! Dafür ist heute gewiss der rechte Tag: Es ist ja gar nicht selbstverständlich, genug zu essen zu haben und schon gar nicht selbstverständlich ist die reiche Fülle an guten Gaben, die uns auf den Feldern in unserem Land, aber auch denen anderer Länder rings um die Erde gewachsen ist. Und wir haben noch dazu ganz andere "Ernten" eingefahren und dürfen uns an vielerlei "Früchten" freuen: Dass wir Arbeit haben, Sinn in unseren Tagen und ein Haus oder eine Wohnung, in der wir uns zuhause fühlen. Dass wir uns kleiden, ein Auto fahren, Urlaub machen können ... Und wir wollen die Menschen nicht vergessen, die uns lieb haben und wir sie: unsere Ehegatten, unsere Kinder und Enkel, und wir denken hier jetzt auch an die, deren Arbeit uns auf irgend eine Weise dient, die Ärzte, die Pflegekräfte und die vielen anderen, die unsere gute Gesundheit, unsere Versorgung mit Lebensmitteln und Energie sichern. Wie arm sieht es doch da bei anderen Menschen aus, auch in unserem Land und schon gar auf der anderen Seite des Globus.

Das zweite wird gewiss die Dankbarkeit sein, die uns beseelt, wenn wir nur wieder einmal nüchtern und ehrlich darüber nachdenken, wie begnadet wir doch sind. Und wir wissen doch, wo alle gute Gabe herkommt. So wissen wir auch, wem allein unser Dank gebührt.

Das dritte ist dann, dass ja alle irdischen Güter im Grunde nur geliehen und uns von Gott niemals nur für uns allein geschenkt sind. Und noch eins wird uns klar: Dass ja viele der Gaben - und durchaus nicht nur die des Feldes - uns auch immer wieder nachgereicht werden von der Güte Gottes. Warum also damit sparen? Warum nicht reichlich austeilen davon? Gott wird uns alles wieder geben - oft noch reichlicher als wir es ausgegeben haben!

Und auf einmal werden wir es erkennen: Unser Herz ist eigentlich nicht mehr bei den Schätzen dieser Welt, sondern hat sich davon gelöst - und ist im Himmel, dort wo der Ursprung all der Schätze unseres Lebens ist und von wo uns auch immer wieder neu alle guten Gaben herkommen. Und dann wird unser Auge zunehmend hell und lauter. Und bald wird auch unser Leib Licht sein und wir werden die Wahrheit dieser Verse verstehen und sie wird uns frei machen: "Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz." AMEN