Predigt zum 6. So. nach "Trinitatis" - 15.7.2007

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her! und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Liebe Gemeinde!

Das sind doch einmal erbauliche Worte! Und wir haben auch gleich gemerkt, dass heute ein Sonntag ist, der besonders mit der Taufe zu tun hat. Denn gleich einige Verse, die wir eben gehört haben, eignen sich gut als Taufspruch. Zum Beispiel der: "So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir." Oder der: "Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland." Und ganz gewiss ist es darum gut und richtig, wenn wir jetzt auch auf eine "erbauliche" Predigt warten, eine die "aufbaut", die uns im Glauben festigt und in der Liebe zu Gott und den Menschen stark macht.

Nun scheint das ja in unseren Tagen gar nicht so einfach zu sein. Um im Bild zu bleiben: Immer wieder und immer mehr Vertrauen in die Zukunft, in das Leben, in die Menschen und auch in Gott wird abgebaut. Wenn wir an den bevorstehenden Klimawandel denken, dessen Begleiterscheinungen ja eigentlich schon heute ganz offensichtlich sind (Unwetter mit Orkanböen und Starkregen, umgestürzte Bäume, Überschwemmungen ...), dann packt uns schon die Angst, wie das erst in einigen Jahren werden soll. Oder wenn wir nach dem Geburtenrückgang bei uns sehen, trotz aller Förderungsmaßnahmen des Familienministeriums, dann wird es uns deutlich, dass die Zahl der Menschen bei uns stetig wächst, die lieber keine oder nur ein oder zwei Kinder in diese Welt setzen wollen. Die Bedingungen an den Arbeitsplätzen sind härter geworden - man kann das immer gut daran ablesen, wie hoch der Krankenstand in den Betrieben und Fabriken ist. Und er ist stark gesunken in den letzten Jahren. Wer blau macht, fliegt. Und wer wirklich krank ist, schleppt sich mit seiner Grippe doch ins Büro. Schnell ist man auf der Liste derer, die beim kleinsten Anlass - natürlich "betriebsbedingt" - gekündigt werden. Wer keine Arbeit mehr oder seine Lebensarbeitszeit hinter sich hat, der erfährt als Hartz IV-Empfänger oder Rentner immer stärker, was es heißt, kein produktives Mitglied dieser Gesellschaft zu sein: Die Wirtschaft brummt, die Kaufkraft aber - nicht nur, aber besonders der Arbeitslosen und Rentner - wird immer geringer. Und schließlich müssen wir das alles ja auch vor dem Hintergrund unseres Glaubens an Gott sehen und verstehen. Dabei sind schon mancher Christin und manchem Christen in den letzten Jahren große Zweifel daran gekommen, ob der Schöpfer aller Dinge, der Vater Jesu Christi und aller Menschen immer noch seine gütige Hand über seiner Welt und seinen Geschöpfen hält!?

Liebe Gemeinde, wir könnten jetzt in tieftheologische Gedanken geraten. Wir könnten die Fragen um Gottes Wirken in der Welt und in unserem Leben verfolgen und zu beantworten versuchen. Das würde - besonders in einer Predigt - schwierig, ja wahrscheinlich würde es gar nicht gelingen. Ich will mit ihnen einen anderen Weg gehen und der soll - wie versprochen - ein erbaulicher sein, einer auch, der sozusagen eine ganz andere Richtung nimmt. Und ein Gedanke und eins der schönen Worte aus den Versen, die wir vorhin gelesen haben, sollen mir dabei helfen: Der Gedanke heißt passend zu diesem besonderen Sonntag: Wir sind getauft. Das Wort ist dieses: "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!"

Ist es nicht so, meist gehen wir doch davon aus, dass Gott diese Welt, seine Schöpfung auch heute noch gestaltet, dass er auch beim Geschick der Menschen Einfluss nimmt und dass er in der großen und kleinen Politik Weichen stellt, bösen Entwicklungen wehrt und dabei hilft, dass Menschen, Völker und Staaten zurechtkommen. Darum - so meinen wir sicher - beten wir ja auch zu ihm. Und umgekehrt: Wenn es nicht so wäre, was hätte dann das Gebet zu Gott für einen Sinn?

Ich will das nun nicht ausschließen, dass Gott tut, worum wir ihn bitten und so in den Lauf der Welt und unseres persönlichen Schicksals eingreift. Auf jeden Fall gilt für mich, dass er das kann, könnte ... Trotzdem: Einmal hat das Beten schon dadurch einen wichtigen Sinn, dass es mich mit meinem himmlischen Vater verbindet und dass er ja auch zu mir spricht - meine Bitten um dieses oder jenes sind ja nicht das ganze Gebet! Zum andern aber sind die Menschen meist bei den Dingen, um deren Änderung und Besserung wir bitten, in einem großen Maß beteiligt, so dass wir eigentlich bei ihnen anfangen müssten und nicht dabei, von Gott alle Hilfe zu erwarten. Der Klimawandel ist menschengemacht - und endlich hat es uns die Wissenschaft auch bestätigt! Die Arbeitsbedingungen schaffen Menschen. Die Gesellschaft, die Arbeitslose und Alte an den Rand drängt, besteht aus Menschen und wird durch sie - durch das Herz oder die Ellenbogen - bestimmt. Und ganz sicher sind wir persönlich auch in diesem oder jenem Bereich des Lebens und der Gesellschaft in die Ursachen und Gründe verstrickt, dass Gottes Wille nach der Wohlfahrt und dem Glück aller Menschen sich nicht durchsetzen kann.

Aber kehren wir jetzt zurück zu dem Gedanken, dass wir getauft sind: Gott sagt uns in unserer Taufe zu, dass er uns in dieser Welt mit dem schon begonnenen Klimawandel und allen anderen denkbaren Katastrophen erhalten und uns am Ende unserer Zeit in seine Ewigkeit führen will. Und der Segen der Taufe gilt für unser persönliches Leben eben nicht nur in guten Jahren und auf schönen Wegstrecken, sondern auch dann, wenn es uns schlecht geht, wenn wir die Arbeit verlieren, wenn sich unsere Wünsche nicht erfüllen, wenn wir krank und alt werden. Dieser Segen sagt eben nicht: Du wirst dein Leben lang bewahrt bleiben vor allem Übel, allem Leid, aller Trauer und allem schweren Geschick, sondern Gottes Segen verspricht, uns hindurchzutragen und zu -bewahren, so dass wir am Ende durch unseren Herrn Jesus Christus sein ewiges Reich sehen und dort das wahre Leben haben. Und dieser Jesus Christus ist ja selbst das beste Beispiel dafür geworden, wie Gottes Segen wirkt: Der Tod, auch noch der schändlichste Tod am Kreuz, wurde ihm nicht erspart - und er hat doch darum gebetet im nächtlichen Garten von Gethsemane. Aber Gott hat ihm die Auferstehung und das neue Leben gegeben - so wie er sie auch uns allen einmal schenken wird.

Und da hinein hören wir noch einmal auf dieses Wort: "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!" Deutlicher als hier können wir es doch gar nicht hören: Ich habe dich gerufen! Ich habe dich erlöst! Liebe Gemeinde, darum müssen wir nicht einmal mehr bitten: Wir sind schon beim Namen genannt und er ist schon aufgeschrieben im Buch des ewigen Lebens! Wir sind schon erlöst - alles was uns noch widerfährt, kann daran nichts mehr ändern! Mit dieser wunderbaren Aussicht vor Augen können wir durch alles hindurch gehen, was auch immer uns noch begegnen wird. Wir sind beim Namen gerufen, unser Name ist Gott bekannt. Die Erlösung liegt nicht irgendwann in der Zukunft, sondern hat schon längst begonnen.

Aus diesem Glauben kommt eine große Gelassenheit, die durch nichts grundlegend zu erschüttern ist! Gewiss wird es auch wieder Zeiten des Zweifels und der Angst geben. Aber wir können und werden immer wieder zu diesem Glauben zurückfinden. Aus diesem Glauben kommt auch eine Kraft und Geborgenheit, die ausstrahlen auf die Menschen und die Verhältnisse: Wir werden Anstöße geben, wo etwas anders und besser werden kann. Wir werden uns einmischen, wo Unrecht herrscht. Wir werden Vertrauen haben und verbreiten, dass der Hintergrund auch noch der dunkelsten Ereignisse und der finstersten Zukunft hell ist - weil Gott uns dort erwartet. Mit diesem Glauben können wir auch beim Gebet bleiben: Weil wir wissen, dass einmal alles gut sein wird und so, wie es dem Willen Gottes entspricht. Und wir begreifen mit einmal, warum es ans Ende jedes Gebetes gehört, was wir im Vaterunser sprechen: Dein Wille geschehe!

In allem, was uns künftig den Mut nehmen will, lasst uns festhalten an unserer Taufe und an diesen guten Worten: "Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland." AMEN