Predigt zum Letzt. Sonnt. nach Epiph. - 28.1.2007

Textlesung: Jh. 12, 34 - 41

Da antwortete ihm das Volk: Wir haben aus dem Gesetz gehört, dass der Christus in Ewigkeit bleibt; wieso sagst du dann: Der Menschensohn muss erhöht werden? Wer ist dieser Menschensohn? Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Das redete Jesus und ging weg und verbarg sich vor ihnen. Und obwohl er solche Zeichen vor ihren Augen tat, glaubten sie doch nicht an ihn, damit erfüllt werde der Spruch des Propheten Jesaja, den er sagte (Jesaja 53,1): "Herr, wer glaubt unserm Predigen? Und wem ist der Arm des Herrn offenbart?" Darum konnten sie nicht glauben, denn Jesaja hat wiederum gesagt (Jesaja 6,9- 10): "Er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe." Das hat Jesaja gesagt, weil er seine Herrlichkeit sah und redete von ihm.

Liebe Gemeinde!

Hier hören wir von einem sehr hellen und einem sehr dunklen Gedanken. Und die Versuchung ist groß, nur über den hellen zu reden. - Aber ich will erst einmal deutlicher werden: Das ist der erste Gedanke: Christus ist das Licht! Wer ihn hat, in dessen Leben ist keine Finsternis mehr. Wer in seinem Licht wandelt, findet den Weg und das Ziel.

Und der zweite Gedanke, von dem wir lesen, ist sehr dunkel: Sie konnten nicht glauben, denn er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht etwa sehen und verstehen und sich bekehren.

Was klammern wir nun aus? Den ersten, den zweiten Gedanken? Versuchen wir's mit beiden? Ob das zusammengeht? Ob da etwas herauskommt, was uns weiterbringt? - - -

Ich habe einmal eine gute Geschichte gehört, die will ich ihnen jetzt mit meinen Worten weitererzählen. Ich glaube, die passt zu beiden Gedanken. Sie heißt:

Die Halle der Welt mit Licht erfüllen

Es war einmal ein König, der hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, da wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: "Füllt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend. Womit, das ist eure Sache. Du, mein älterer Sohn, sollst am ersten Tag anfangen, du, mein jüngerer Sohn, bist dann am zweiten Tag dran." Die Weisen des Landes sagten: "Das ist eine gute Aufgabe."

So ging der älteste Sohn davon und kam an einem Feld vorbei, wo die Arbeiter dabei waren, das Korn zu ernten und hernach zu dreschen. Das ausgedroschene Stroh lag nutzlos umher und sollte später verbrannt werden. Der ältere Sohn dachte sich: "Das ist eine gute Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle meines Vaters zu füllen." Mit dem Vorarbeiter der Erntehelfer wurde er einig und sie schafften bis zum späten Nachmittag das ausgedroschene Stroh in die Halle. Als sie gefüllt war, ging er zu seinem Vater und sagte: "Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Darauf, wie mein Bruder morgen die Aufgabe löst, brauchst du nicht mehr zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger. Der Vater antwortete: "Es ist noch nicht soweit. Auch dein Bruder bekommt seine Chance. Ich werde warten."

Am nächste Tag kam der jüngere Sohn zur Halle. Er bat darum, das ausgedroschene Stroh wieder aus der Halle zu entfernen. So geschah es. Dann stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke hinein. Da sagte der Vater: "Du sollst mein Nachfolger sein. Dein Bruder hat fünf Silberstücke ausgegeben, um die Halle mit nutzlosem Zeug zu füllen. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast sie mit Licht erfüllt. Du hast sie mit dem gefüllt, was die Menschen wirklich brauchen."

Liebe Gemeinde, kehren wir mit dieser Geschichte im Ohr und im Herzen zurück zu den zwei Gedanken vom Anfang. Und drehen wir sie jetzt einmal um, dann passen sie besser zum Ablauf der Geschichte. Der eine: Sie konnten nicht glauben, denn er hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht etwa sehen und verstehen und sich bekehren. Und der andere: Christus ist das Licht! Wer ihn hat, in dessen Leben ist keine Finsternis mehr. Wer in seinem Licht wandelt, kennt den Weg und das Ziel.

Denken wir an die mit leerem Stroh gefüllte Halle ... Wir können uns das gut vorstellen, wie das weitergegangen wäre, wenn der Vater nun gleich dem ersten Sohn seine Nachfolge übertragen hätte: Die Menschen des Königreichs wären zur Halle gekommen und hätten über die Schläue und vielleicht die Gerissenheit des älteren Sohns gestaunt: "Hat der doch wirklich in so kurzer Zeit die Halle bis unters Dach gefüllt!" Und ich bin so frei, mir selbst die Weisen vorzustellen, wie sie vor dem riesigen Haufen gedroschenen Strohs stehen und dem älteren Sohn huldigen: "Der ist unser neuer König! Der hat etwas Großartiges geleistet!"

Und da wollen wir jetzt gar nicht von oben herabsehen auf die Menschen und ihre "dummen" weisen Führer. Uns geht es doch oft nicht anders, wenn wir auf die Größen von Film und Fernsehen, aus der Politik und der Wirtschaft schauen: Was haben denn die Schauspieler mehr geleistet als ein paar Rollen gespielt? - was doch der Beruf ist, den sie gelernt haben! Und die Politiker? Das meiste verdanken sie der Partei und der Dauer ihres Wartens auf das Amt als Staatssekretär oder Minister - ihre Eignung für dieses oder jenes Ressort ist unwichtig, ja manchmal eher hinderlich, weil nun halt gerade etwas anderes frei war. Und wenn ich an manche Manager der Großbanken denke: Ist ein ungezügelter Machtwille Größe? Machen astronomisch hohe Jahresgehälter Menschen wirklich besser und interessanter? Ist es gleichgültig, wie einer seine Position erreicht hat, wenn er erst ganz oben ist? - Es scheint so. Und wir stehen oft genug mit Hochachtung und offenem Mund davor - und starren doch eigentlich nur auf eine mit leerem Stroh gefüllte Halle. - Die Bibel nennt das Verstockung. Und Jesaja sieht hierbei ausdrücklich Gott am Werk: "ER hat ihre Augen verblendet und ihr Herz verstockt, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe." Ich persönlich finde es schwierig und eigentlich auch unnötig hier Gott als Urheber die Verstockung zuzuschreiben. Wir verstocken uns gern selbst und ganz von alleine! Und letztlich bleibt es dabei, dass wir auch anders können als gedroschenes Stroh bestaunen. Und das führt uns zum zweiten Teil der Geschichte:

Der jüngere Sohn zündet eine Kerze an in der Halle. (Nicht auszudenken, er hätte dazu nach seinem Bruder gar keine Gelegenheit mehr bekommen!) Und siehe da, ein einziges Licht füllt die Halle vom Boden bis zum Dach und von einer Ecke bis zur anderen. Führen wir jetzt auch hier die Geschichte weiter und lassen wir die Menschen des Königreichs herantreten. Ich bin realistisch genug zu denken, dass es eine kleine Weile gedauert hätte, bis sie es begreifen. Vielleicht hätte auch der König oder einer der weisen Männer ein deutendes Wort sagen müssen. - Dann aber hätten sie es verstanden: Licht ist besser als leeres Stroh! Und wenn es nur eine einzige kleine Kerze ist: Sie macht hell. Sie wärmt. Sie kann den Weg zeigen. Sie begleitet uns an ein Ziel.

Wir verlassen die Geschichte. Mehr kann sie uns nicht sagen. Aber wir wissen es: Jesus Christus ist für uns dieses Licht. Er macht unser Leben hell. Er wärmt uns das Herz. Er zeigt uns den Weg, den wir gehen können. Er weist uns ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt.

Und wenn wir jetzt unsere Welt betrachten mit ihrer Finsternis hier und dort, mit den Bergen aus gedroschenem Stroh, die sich allenthalben erheben, mit den Versuchungen auch, den Weg und das Ziel zu verfehlen, dann verstehen wir auch, warum Jesus hier so eindringlich spricht: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, solange ihr das Licht habt, damit euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Immer stehen wir in Gefahr, IHN zu verlieren. Dinge geschehen, die wir nicht mit unserem Glauben an ihn reimen können. Wir müssen Abschied nehmen von Menschen, die wir geliebt haben - und immer zu früh. Das Leid in unserem Leben, das Böse in unserer Gesellschaft nimmt überhand - wo ist ER und seine Macht? Warum gebietet er nicht Einhalt?

Liebe Gemeinde, es hilft nur eins: Wir müssen ihn in Zeiten, in denen wir ihn als Licht unseres Lebens haben, festhalten - im Gebet, in unserem Tun nach seinem Willen, in all unseren Gedanken und unseren Taten. Heute, an diesem Sonntag, ist uns das Licht ganz nah. Sonst wären wir nicht hier. Lassen wir es in unserem Leben leuchten, nehmen wir es mit von hier in unseren Alltag, in unsere Arbeit und die freie Zeit. Jesus Christus ist unser Licht. Er bleibt es, auch wenn es einmal finster wird für uns. Mit ihm an der Seite, in seiner Spur und mit seinem Licht vor Augen werden wir auch dann noch den Weg finden, den wir gehen können und der uns an sein Ziel führt. AMEN