Predigt zum 4. Sonntag nach Epiphanias - 29.1.2006

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Textlesung: Eph. 1, 15 - 20

Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet, daß der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen. Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwenglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat. Durch sie hat er ihn von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel.

Liebe Gemeinde!

Das sind recht persönliche Verse. Paulus dankt und betet für die Gemeinde, die er in Ephesus gegründet hat. Er hat für seine Mitchristen aus der Ferne viele gute Wünsche: Geist, Weisheit, Hoffnung, Erkenntnis, Stärke ...

So ein Bisschen ist das hier wie wenn wir Geburtstag feiern und nachmittags zum Kaffee geladen haben. Jeder Gast sagt uns einen guten Wunsch. Oft sind es ja immer wieder die selben: Gesundheit z.B. ist meistens dabei und ganz gewiss auch Glück ... Die eine oder der andere unserer Gäste mag aber auch etwas Besonderes wünschen: Gottes Segen vielleicht oder Lebensfreude. Ältere Menschen sagen oft: "Viel Kraft für das neuen Lebensjahr" oder sie sprechen davon, dass unsere gute Beziehung noch recht lange währen möge.

Am Abend, wenn die Gäste wieder gegangen sind, klingen ihre Wünsche oft noch in unserem Inneren nach und wir fragen uns: Was war heute eigentlich das wichtigste, was würde ich mir selbst am meisten wünschen von alldem, wovon die Gratulanten gesprochen haben.

Was wohl von dem, was Paulus seiner Gemeinde wünscht, das wichtigste wäre? Wie die Christen in Ephesus das wohl gesehen hätten?

Ich habe eine sehr schöne Geschichte gefunden, die hätte ich den Ephesern damals und uns heute gern erzählt:

Eine Frau trat aus ihrer Haustür und sah fünf alte Männer mit langen weißen Bärten in ihrem Vor garten sitzen. Sie erkannte sie nicht. Sie sagte: Ich glaube, ich kenne euch nicht, aber ihr müsst hungrig sein. Bitte kommt herein, ihr sollt etwas zu essen haben!" - "Ist dein Mann zuhause?", fragten sie. "Nein", antwortete die Frau, "er ist unterwegs." - "Dann können wir nicht hereinkommen", erwiderten sie. Am Abend, als ihr Mann nach Hause kam, erzählte sie ihm, was geschehen war. "Geh hinaus, sag ihnen, dass ich jetzt da bin und lade sie ein!" Die Frau ging nach draußen und lud die Männer ein. "Wir gehen nicht gemeinsam ins Haus", antworteten diese. "Warum denn das", wollte sie wissen. Einer der alten Männer sprach: "Sein Name ist GLAUBE", sagte er und zeigte auf einen seiner Freunde, und dann zeigte er auf den nächsten: "Der heißt HOFFNUNG", dann wies seine Hand auf den dritten und vierten: "dieser ist WEISHEIT, jener KRAFT und ich selbst bin LIEBE." Dann fügte er hinzu: "Nun geh hinein und besprich mit deinem Mann, welchen von uns ihr in eurem Haus haben wollt!"
Die Frau ging hinein und erzählte ihrem Mann, was der Alte gesagt hatte. Ihr Mann war überglücklich. "Wie wunderbar", sagte er. "Wenn das so ist, lass uns KRAFT einladen, die kann man immer brauchen. Lass ihn hereinkommen und allen in unserem Haus Kraft schenken!" Seine Frau war nicht einverstanden. "Mein Lieber, warum laden wir nicht HOFFNUNG ein, die würde uns bei unserem Leben viel mehr helfen!?" Nun entgegnete der Mann: "Dann schon lieber WEISHEIT, damit wir alles, was uns geschieht, besser verstehen." - "Nein", meinte jetzt wieder die Frau, "GLAUBE wäre noch wichtiger."
Ihre Schwiegertochter hatte aus dem Hausflur alles mitangehört. Sie hatte einen eigenen Vorschlag: "Wäre es nicht besser, LIEBE einzuladen? Unser Haus würde von Liebe erfüllt sein!" "Lass uns dem Rat unserer Schwiegertochter folgen", sagte da der Mann zu seiner Frau. "Geh hinaus und lade LIEBE ein, unser Gast zu sein."
Die Frau ging hinaus und fragte die fünf alten Männer: "Welcher von euch ist LIEBE? Bitte komm herein und sei unser Gast!" LIEBE stand auf und begann zum Haus zu gehen. Da standen auch die vier anderen auf und folgten ihm. Überrascht fragte die Frau GLAUBE, HOFFNUNG, WEISHEIT und KRAFT: "Ich habe doch nur LIEBE eingeladen, warum kommt jetzt auch ihr?" Die alten Männer antworteten gemeinsam: "Wenn du GLAUBE, HOFFNUNG, WEISHEIT oder KRAFT eingeladen hättest, wären wir vier anderen draußen geblieben - aber da du LIEBE eingeladen hast, folgen wir ihm, wohin er geht. Wo LIEBE ist, da ist auch GLAUBE, HOFFNUNG, WEISHEIT und KRAFT!"

Ob die Gemeinde in Ephesus genau so entschieden hätte? Ob wir uns auch so verhalten würden, wie die Eheleute in der Geschichte?

Immerhin: Vorher haben sie's ja nicht gewusst, was geschehen würde, wenn sie dem Rat der Schwiegertochter folgen und LIEBE einladen. Und doch: Haben wir's uns nicht schon gedacht, wie das ausgeht? Gingen uns nicht während wir die Geschichte gehört haben Worte durch den Kopf wie "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, die Liebe aber ist die größte unter ihnen"? (1.Kor. 13,13) Oder: "Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm."? (1.Jh. 4,16) Ja, es ist schon so: Liebe muss im Haus sein, im Leben, in unseren Herzen - gerade als Christen! Da haben wir eigentlich alle keine Einwände. Wer Liebe zu Gott und den Menschen hat, der kann auch glauben und hoffen. Und wo diese drei erst zusammen sind, da hat der Mensch auch die rechte Lebensweisheit gefunden und die Kraft für alles, was ihm begegnet. Und er erfährt, dass ihm nichts davon je ausgeht, das sich vielmehr - wenn nur die Liebe da ist - auch der Glaube, die Hoffnung, die Weisheit und die Kraft niemals aufbrauchen, weil Gott sie uns immer aufs Neue nachreicht.

Aber betrachten wir - obwohl ja alles so klar erscheint - doch noch einmal diese Geschichte von den fünf Männern. Sie hat zwei Züge, die man leicht übersieht, die aber doch ganz wichtig sind: Da ist zuerst diese Sache: Warum wollen die Männer warten, bis der Ehemann wieder im Haus ist? Zuerst denken wir sicher daran, dass es anders nicht schicklich gewesen wäre.

Ich glaube, der Grund liegt hier: Um Liebe zu empfangen und zu geben braucht es immer mindestens zwei Menschen. Einer allein kann allenfalls Gott lieben, aber auch das bewährt sich ja erst, wenn ich ihn im Angesicht meines Mitmenschen erkenne, in seiner Not und vielleicht seiner Freude. Es musste also erst der Ehemann nach Hause kommen, damit beide zusammen der Liebe bei ihrer Einladung den Vorzug geben.

Aber da ist noch das andere: Eigentlich hatten die Eheleute doch so gut begonnen. Wie selbstverständlich laden sie alle fünf alten Männer zu sich ein. Warum nur muss es später die Schwiegertochter sein, die sie darauf bringt, sich für die Liebe als Gast zu entscheiden?

Ich verstehe das als einen Hinweis: Wir selbst vergessen immer wieder leicht, worauf es in unserem Leben - besonders als Christinnen und Christen - ankommt. Wir haben das immer wieder einmal nötig, dass uns ein Mitmensch sagt oder zu spüren gibt: Die Liebe ist uns Christen besonders geboten! Wir leben von der Liebe, von der, die uns Gott schenkt, aber auch von der, die wir einander weitergeben. Schon manchesmal war es für uns wichtig, dass ein anderer uns erinnert hat: Nicht das Geld, nicht dein Haus oder deine Arbeit trägt dein Leben, sondern allein die Liebe hält dich. Und vielleicht hat dieser andere uns dann auch wieder darauf gebracht, dass wir empfangene Liebe mit unseren Nächsten geteilt haben - und dabei durften wir erfahren, dass die Liebe nicht kleiner dabei wird, sondern nur noch größer. Dass sie den Glauben und die Hoffnung mit sich bringt, die Weisheit und die Lebenskraft.

Liebe Gemeinde, wir wollen zuerst die Liebe zu uns einladen, dann wird manche andere Gottesgabe auch in unser Herz und Leben einziehen. Und wir wollen uns den Mitmenschen nicht verschließen und gern annehmen, wenn sie uns mit ihrem Wort, ihrem Blick oder mit dem Kummer, der in ihren Augen geschrieben steht, an das wichtigste erinnern, was wir brauchen: die Liebe.