Predigt zum Sonntag "Quasimodogeniti" - 3.4.2005

Textlesung: Jh. 21, 1 - 14

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hin- aus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kin- der, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, daß es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie wa- ren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ih- nen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriß doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wußten, daß es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, daß Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Liebe Gemeinde!

Nicht wahr, bei dieser Geschichte kommt uns eine andere in Erinnerung. Ganz ähnlich ist die, nur spielt sie weit vor Ostern, ja, ganz am Anfang der Zeit, in der Jesus mit seinen Jüngern durch das galiläische Land zog. Jedenfalls damals gab es auch schon einen so guten Fischzug, dass die Netze beinahe zerrissen! Und Petrus spielte auch schon die Hauptrolle in der Geschichte. Fast könnte man meinen, dass es die selbe Geschichte wäre, die der Evangelist Lukas am Anfang der Wirksamkeit Jesu und hier Johannes nach der Auferstehung erzählt.

Aber es ist nicht die selbe Geschichte! Es gibt ein paar Unterschiede und besonders einer springt geradezu ins Auge: Beim ersten Fischzug nämlich kennen weder Petrus noch die anderen Jünger den, der sie nach einer erfolglosen Nacht die Netze auswerfen heißt. Nach der wunderbaren Erfahrung des reichen Fischzugs wirft sich Petrus dann dem Herrn zu Füßen und begreift, wen er vor sich hat. Und Jesus sagt ihm zu: Du sollst von nun an Menschen fischen!

Ja und dann die zweite Geschichte, die von heute: Wieder ein reicher Fischfang, gewiss, aber warum um alles in der Welt dauert das denn so lange, bis es einer merkt: Da warfen sie das Netz aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Waren die Jünger denn blind? Da haben sie mindestens drei Jahre als Gefährten diesen Mannes aus Nazareth begleitet und wissen nicht, wen sie vor sich haben? Und überhaupt: Was treiben sie denn wieder bei ihren Netzen und in ihren alten Berufen? Warum setzen sie nicht das Werk Jesu fort? Warum predigen sie nicht vom Reich Gottes, heilen die Kranken, sprechen den Mutlosen Trost zu und verkündigen ihren auferstandenen Herrn? War denn für die Jünger nach Ostern alles aus und vorbei?

Liebe Gemeinde, ich glaube, genau das ist es, was wir heute an dieser Geschichte lernen sollen, lernen müssen: Es war wirklich - kurz nach Ostern - zunächst alles so, wie es immer war. Endlich Ruhe nach den schmerzvollen, bewegten Tagen um Karfreitag. Alle die Aufregungen - vorbei. Gott sei Dank! Und die Jünger? Nun, die arbeiteten wieder so, wie sie es vor der Zeit mit Jesus immer getan hatten. Ob der Herr nun auferstanden war oder nicht, wer konnte das denn genau sagen und - wenn sie ganz ehrlich waren - wen bewegte das denn im Augenblick wirklich? Erst einmal wieder zu sich selbst finden. Eine neue Mitte im Leben, sich der Familie und dem Beruf wieder mehr zuwenden ...

Und auf einmal scheint uns, was wir heute gehört haben, etwas ganz anderes zu sein, als wir zunächst dachten: Nicht nur eine weitere Wundergeschichte, eine nachösterliche Fortsetzung des Wirkens Jesu sozusagen. Nein, das ist ja wie die Rettung einer anscheinend fast verlorenen Sache! Hätte Jesus hier den Jüngern nicht noch einmal seinen Auftrag gezeigt und ihnen deutlich gemacht, dass er sie weiter braucht, dann wäre womöglich alles aus gewesen! Dann hätte man sich vielleicht später noch hie und da an den Herrn erinnert und sich darüber ausgetauscht: "War eine gute Zeit damals ..." Aber ob der Glaube an ihn, ob die christliche Gemeinde weiter gewachsen wäre, ja, ob es heute noch Christen in aller Welt gäbe, wäre doch sehr fraglich. - Ja, ich glaube, damals stand alles auf der Kippe!

Schauen wir uns von daher an, welchen Auftrag Jesus an seine Leute hat: Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriß doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl!

Was für uns heute ja vielleicht ein wenig unverständlich erscheint, für die Jünger war alles klar, zumal für Petrus: Jesus hatte ihn und die anderen zu Menschenfischern machen wollen! Und sie fangen jetzt einhundertdreiundfünfzig Fische! Warum gerade diese Zahl? Weil genau so viele die damals bekannten Fischarten waren. Und was heißt das nun für sie? Nichts anderes als: Ihr sollt alle Menschen für meine Sache gewinnen! Und ich werde euch dabei helfen, dass euch das gelingt. Euer Fischzug wird groß sein! Gewaltig! Nur: Ihr müsst anfangen. Ihr sollt jetzt nicht länger Zeit damit verlieren, dass ihr so weitermacht wie vorher, als ihr mich noch nicht kanntet. Zieht hinaus in die Welt und fangt die Menschen für mich. Alle sollen mich kennen lernen. Alle dürfen jetzt doch zu unserem Vater im Himmel kommen. Mein Tod am Kreuz hat die Tür zu ihm für alle geöffnet. Und auch dieses Wort an die Vertrauten ist hier nicht zufällig: Kommt und haltet das Mahl! Das Mahl mit dem Herrn, das letzte große Zeichen vor Jesu Tod wird zum Kennzeichen und zum Mittelpunkt der nachösterlichen Gemeinde. Schon bald werden es viele Tausend Menschen sein, die daran erkennen, dass sie den einen Herrn Jesus Christus haben, dass sie an seinem Tisch Brot und Wein empfangen! Und über die Jahrhunderte hinweg bis zu uns heute, werden es immer mehr und mehr werden, die für den Herrn und von seiner Art gefangen sind und miteinander sein Mahl feiern.

Und jetzt stehen wir da und hören diese Geschichte vom nachösterlichen Fischzug und seinem reichen Erfolg. Und vielleicht haben wir seine Ermutigung ja auch nötig, damit es weitergeht: Mit unserem Glauben, mit unserem Leben in der Nachfolge oder doch wenigstens in der Nähe unseres Herrn? Ich bin ganz sicher, auch wir stehen immer wieder und vielleicht gerade jetzt in der Versuchung, dass wir uns wünschen, es möge bei uns auch alles so weitergehen, wie es vor Ostern gewesen ist. Keine Aufregungen. Keine Aufgaben. Vielmehr: Ruhe, endlich wieder ein ruhiges, beschauliches Leben ...

Jesus aber lässt uns nicht: Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriß doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl!

Heute wie damals heißt es: Hundertdreiundfünfzig! Ich will alle Menschen erreichen! Ihr sollt, ihr müsst mir dabei helfen! So lange noch ein Mensch nicht für mich gewonnen ist, so lange ist euer Auftrag nicht erfüllt! Und hören wir auch das: Wir sind heute vielleicht hierher gekommen, um unseren Glauben an die Auferstehung neu zu gewinnen oder fester zu machen. Aber das geht nicht dadurch, dass wir jetzt hinschauen und erkennen, dass Jesus wieder lebendig ist nach dem Tod am Kreuz. Die Jünger haben ihn nicht erkannt. Wir auch nicht. Wir erfahren erst, wer er ist, wenn er uns anspricht und uns seinen Auftrag gibt: Werft eure Netze aus! Fangt alle Menschen für meine Sache! Und wir haben - genau wie die Jünger - die große Verheißung, dass es gelingen wird, Menschen für ihn zu gewinnen und dass er selbst dabei ist und uns und unser Tun segnet.

Und wie viele Menschen sind es doch - allein in unserer Nähe - die auf ein gutes Wort warten, die einmal ihre Geschichte erzählen wollen, die mehr brauchen als ein schnell hingeworfenes "Kopf hoch". Wir können so wichtig werden für unsere Nächsten. Von uns kann so viel Hilfe und Ermutigung ausgehen. Ja, an uns kann es liegen, ob manche geschundene Mitmenschen überhaupt noch die nötige Kraft aufbringen, ihr oft so schweres Leben zu bestehen.

Und schließlich wollen wir auch noch dieses Wort unseres Herrn hören: "Haltet das Mahl!" Für mich ist das Jesu Ruf in die Gemeinde, in die Gemeinschaft mit den Mitchristen im Hören, Beten, Danken und Glauben, wie sie sich besonders am Tisch unseres Herrn zusammen findet. Lassen wir uns hier in der Gemeinde immer wieder neu stärken für unseren Auftrag! Holen wir uns die Kraft aus der Nähe unseres Herrn und Bruders Jesus Christus, die Kraft, die wir dann an alle weitergeben, die noch nicht mit ihm verbunden sind und vielleicht noch ohne Richtung und Ziel in ihrem Leben unterwegs sind.

Der Auftrag unseres Herrn heißt: Hundertdreiundfünfzig! Nehmen wir die Arbeit auf in seinem Segen! AMEN