Predigt zum Ostermontag - 28.3.2005

Textlesung: Lk. 24, 36 - 45

Als sie aber davon redeten, trat er selbst, Jesus, mitten unter sie und sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! Sie erschraken aber und fürchteten sich und meinten, sie sähen einen Geist. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so erschrocken, und warum kommen solche Gedanken in euer Herz? Seht meine Hände und meine Füße, ich bin's selber. Faßt mich an und seht; denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, daß ich sie habe. Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und Füße. Als sie aber noch nicht glaubten vor Freude und sich verwunderten, sprach er zu ihnen: Habt ihr hier etwas zu essen? Und sie legten ihm ein Stück gebratenen Fisch vor. Und er nahm's und aß vor ihnen. Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muß alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, so daß sie die Schrift verstanden.

Liebe Gemeinde!

Wir hören, wie die Vertrauten Jesu reagieren, als sie dem Auferstandenen begegnen: Das muss ein Geist sein! Auferstanden von den Toten, so etwas gibt es nicht! Und wir hören, wie Jesus sich müht, dass sie ihm glauben, dass er's wirklich ist: Berührt mich, spürt mein Fleisch, meine Knochen. Schließlich isst er gar vor ihnen.

Und wenn wir jetzt ganz ehrlich sind: Wir verstehen die Jünger! Wir begreifen das gut, wie schwer das für sie ist: Einer der tot war, ist wieder lebendig. Einer, den sie ins Grab gelegt hatten, tritt ihnen als Auferstandener gegenüber. Und auch das wollen wir sagen: Uns ginge es nicht anders! Auch nach 2000 Jahren Christentum, das Jesu Auferstehung in den Mittelpunkt seines Glaubens gestellt hat, fragen wir immer noch - wie in dieser Geschichte Jesu Jünger -, ob das nicht ein Geist wäre? Und auch wir müssten überzeugt werden, indem wir ihn anfassen dürfen, und auch vor uns müsste er durch die Aufnahme von Nahrung beweisen, dass er wirklich in Fleisch und Blut zurückgekehrt ist. Und - ein für allemal! - das ist keine Schande, dass es so ist ..., dass wir so sind: misstrauisch, voller Zweifel, ohne den rechten Osterglauben!

Was tun wir jetzt? - Beweise, dass Jesus lebt, wie er selbst sie damals gegeben hat, können wir nicht vorlegen. Und nicht nur darum, weil uns der Herr heute dazu nicht zur Verfügung stünde. Dem Glauben kann man vielmehr überhaupt nichts beweisen! Ein Glaube, dem bewiesen worden ist, was er geglaubt hat, der hat aufgehört zu existieren. Wir können wohl unseres Glaubens gewiss sein - und Gott sei Dank, solche Menschen gibt es auch! - aber wir "wissen" im Glauben nichts!

Aber ich spüre das jetzt, das ist sehr abgehoben, nicht konkret und praktisch. Unser Glaube aber ist praktisch! Er will uns nicht beim Denken oder Träumen helfen, sondern im Leben. Darum nähern wir uns dem konkreten Glauben über eine ihm nahe Verwandte, ich meine die Liebe:

Zwei Menschen haben sich in einander verliebt. Ich hoffe dabei sehr, dass wir uns das alle mehr oder weniger gut vorstellen können, was das heißt, weil wir es selbst schon mindestens einmal erlebt haben: Da sagt jetzt vielleicht der eine Mensch zum anderen: "Du, ich liebe dich so sehr, dass ich nie mehr ohne dich sein will. Du sollst mein Leben mit mir teilen. Ich will dich nie verlassen."

Liebe Gemeinde, ob sie das verstehen, wenn ich jetzt sage: Das auszusprechen ist kein Problem! Das sagt man leicht, einmal wenn wir es wirklich so meinen - aber auch dann, wenn es nicht die Wahrheit ist! Was ich damit sagen will: Die Schwierigkeit liegt immer bei dem, der es hört, dass ihn der andere liebt! Und dann will jeder Gewissheit! Denn die Liebe gehört zu den wichtigsten Dingen im Leben. Da lassen wir uns nicht gern auf irgendwelche schnell dahin gesagten Worte ein! Wir wollen ja schließlich nicht enttäuscht und unglücklich werden. Dann wird nach Beweisen für die gegenseitige Liebe gesucht und vielleicht sogar gefragt ... Aber wir merken es schnell: Auch die Liebe ist nicht zu beweisen: Ein schmachtender Blick, lautes Herzklopfen, ein erhöhter Puls belegen nicht, dass einer wirklich ein Leben lang bei einem anderen bleiben will!

Warum aber gibt es sie doch, die Liebe? Das muss damit zu tun haben, dass Menschen auch ohne Belege und hinreichende Sicherheit Vertrauen aufbringen können. In diesem Fall: Vertrauen zu dem Menschen, der mir verspricht, dass er mich liebt. Und es ist schon staunenswert, dass dieses Vertrauen - ohne Beweise! - immer noch und immer wieder wirklich lebenslange glückliche Beziehungen in Ehe und Partnerschaft begründen kann.

Nicht anders ist es im Glauben! Auch wenn uns heute kein Herr gegenübertritt und sagt: Fasst mich an, berührt mich, seht dass ich kein Geist bin, kann ich doch Vertrauen haben, dass dieser Herr lebt! Dann sagt er mir vielleicht: Ich lebe und du sollst auch leben. Und ich sage ihm: Ich lasse mich darauf ein. Ich möchte in deiner Nähe bleiben, Herr, ich bitte dich, dass du mich nie verlässt und will dich auch nicht verlassen. So führe du mich durch dieses Leben ... ins Leben! Ich glaube, Herr!

Und genau wie in der Liebe zwischen zwei Menschen, kann es auch hier sein: Die Verbindung reißt niemals ab. Jesus Christus hat es dem Glauben nie bewiesen, dass es wahr ist, das Leben aus dem Tod und dass wir mit Jesus auferstehen werden. Aber der Glaube trägt. Er erweist sich fester als alles und führt einen Menschen durch ein gesegnetes, erfülltes Leben in einen Tod ohne Schrecken - und dann in die ewige Welt Gottes.

Aber warum trägt der Glaube. Und warum kann Liebe so fest sein, dass zwei Menschen ihr gemeinsames Leben darauf bauen können?

Da müssen wir noch einmal zurück gehen in diese Geschichte: Es war ja nicht alles, dass die Jünger nun Jesus angefasst und essen gesehen haben. Sie haben ja auch - da war er schon lange nicht mehr unter ihnen - erfahren, dass er doch bei ihnen war, dass er sie stark gemacht und ihnen beigestanden hat. Und so ist das auch bei Liebenden! Sie machen dann eben auch die Erfahrung: Der Mensch an meiner Seite liebt mich wirklich, er macht es täglich wahr, was mir seine Liebe am Anfang versprochen hat: Er geht mit mir durch meine Zeit, auch wenn es schwere Tage gibt, er hilft mir, er ist treu, er tröstet mich und zeigt mir, dass er mir gut ist ...

Und nicht anders geht es in unserem Glauben heute: Wenn ich sage, ja, mein Herr lebt. Wenn ich davon ausgehe, ich werde - wie ich schon heute jeden Tag mit Jesus lebe - einmal in Ewigkeit bei ihm sein, dann werde ich manches erfahren: Wie mich das immer wieder aufbaut, wenn ich am Boden bin, wie mir das in allem Leid genug Kraft schenkt, durchzuhalten und wie mich das auch in Zeiten des Glücks und der Freude dankbar macht und gelassen allem gegenüber, was noch kommen mag. Ja, wie mein Glaube mein ganzes Leben bestimmt und wie ein inneres Licht hell macht.

So ist also, sich auf den Glauben einlassen - ohne Beweise! - das erste. Wir sollen Vertrauen haben, und wir können das auch! Als zweites aber kommen die Erfahrungen. Und die machen uns gewiss, dass unser Glaube nicht auf einem frommen Wunsch oder einem Traum beruht, sondern auf der Wahrheit, von der unser Herr uns auf seine Weise überzeugen möchte: Ich lebe und ihr sollt auch leben! Ich bin auferstanden und auch für euch wird der Tod nur ein Übergang sein - ins Leben!

Aber es gibt noch ein Drittes, das wir ansprechen müssen, wenn wir über den Glauben nachdenken - und gerade heute, an Ostern! Und die Geschichte heute spricht ja auch davon und wir sehnen uns auch danach und vielleicht sind wir heute morgen sogar hierher gekommen, um ein Stück davon zu erhaschen ... Ich spreche von der Freude! Denn es ist doch einfach wunderbar, dass wir Menschen von unserem Gott so hoch geschätzt und so begnadet sind, dass er uns in Jesus Christus die Hoffnung und den Glauben an ein Leben in Ewigkeit schenken will. Von diesem Wunder und von der Freude darüber erzählt eine kleine, skurrile Geschichte aus unseren Tagen. Vielleicht gelingt es ihr auch bei uns, das kindliche Staunen und die sprachlose Freude darüber zu wecken, wie gesegnet wir sind - an Ostern und allezeit!

Es geschah, dass in einem Schoß Zwillingsbrüder empfangen wurden. Die Wochen vergingen, und die Knaben wuchsen heran. In dem Maß, in dem ihr Bewusstsein wuchs, stieg die Freude: "Sag, ist es nicht großartig, dass wir empfangen wurden? Ist es nicht wunderbar, dass wir leben?!" Die Zwillinge begannen, ihre Welt zu entdecken. Als sie aber die Schnur fanden, die sie mit ihrer Mutter verband und die ihnen die Nahrung gab, da sangen sie vor Freude: "Wie groß ist die Liebe unserer Mutter, dass sie ihr eigenes Leben mit uns teilt!" Als aber die Wochen vergingen und schließlich zu Monaten wurden, merkten sie plötzlich, wie sehr sie sich verändert hatten. "Was soll das heißen?" fragte der eine. "Das heißt", antwortete der andere, "dass unser Aufenthalt in dieser Welt bald seinem Ende zugeht." - "Aber ich will gar nicht gehen", erwiderte der eine, "ich möchte für immer hier bleiben." - "Wir haben keine andere Wahl", entgegnete der andere, "aber vielleicht gibt es ein Leben nach der Geburt!" - "Wie könnte dies sein?" fragte zweifelnd der erste, "wir werden unsere Lebensschnur verlieren, und wie sollten wir ohne sie leben können? Und außerdem haben andere vor uns diesen Schoß hier verlassen, und niemand von ihnen ist zurückgekommen und hat uns gesagt, dass es ein Leben nach der Geburt gibt. Nein, die Geburt ist das Ende!" So fiel der eine von ihnen in tiefen Kummer und sagte: "Wenn die Empfängnis mit der Geburt endet, welchen Sinn hat dann das Leben im Schoß? Es ist sinnlos. Womöglich gibt es gar keine Mutter hinter allem." - "Aber sie muss doch existieren", protestierte der andere, "wie sollten wir sonst hier hergekommen sein? Und wie könnten wir am Leben bleiben?" - "Hast du je unsere Mutter gesehen?", fragte der eine. "Womöglich lebt sie nur in unserer Vorstellung. Wir haben sie uns erdacht, weil wir dadurch unser Leben besser verstehen können." Und so waren die letzten Tage im Schoß der Mutter gefüllt mit vielen Fragen und großer Angst. Schließlich kam der Moment der Geburt. Als die Zwillinge ihre Welt verlassen hatten, öffneten sie ihre Augen. Sie schrieen. Was sie sahen, übertraf ihre kühnsten Träume. (Klaus Berger)