Predigt zum Sonntag "Septuagesimae" 08.02.2004

Textlesung: 1. Kor. 9, 24 - 27

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt.

Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen.

Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.

Liebe Gemeinde!

Da predigt man jahrelang von der geschenkten Gerechtigkeit, von der Gnade Gottes, die wir uns nicht erwerben müssen und von seiner Liebe, um die keiner zu dienen oder gar zu "kämpfen" braucht und dann so etwas: "Wir laufen in einer Kampfbahn...ich kämpfe mit der Faust...nur einer erhält den Siegespreis..." Und es ist auch noch derselbe Paulus, auf den wir uns sonst berufen, wenn wir den gnädigen Gott predigen und wenn wir verkündigen, dass wir uns seit Jesus Christus in die Welt kam nichts mehr verdienen müssen und auch nicht können. - Wie passt das denn zusammen?

Jetzt könnte man's so versuchen: Es ist halt doch nicht so, wie wir's gerade in den evangelischen Kirchen hören. Die Gnade Gottes muss offenbar doch verdient werden. Wir haben um sie zu ringen und zu kämpfen und kriegen dann am Ende - wenn wir uns schön bemüht haben - den Lohn des ewigen Lebens. Oder wir könnten sagen - Paulus möge uns verzeihen - hier irrt der Apostel! Vielleicht hat er in einem Anflug alten Denkens den Pfad seiner sonstigen theologischen Gedanken verlassen? Außerdem liegt das den Verkündigern des Wortes Gottes ja bis heute mehr, die Leute zu mahnen und zu tugendhaftem Verhalten zu ermuntern. Wenn man zu viel von "Geschenk" und dem "gnädigem Gott" redet, dann werden die Menschen ja leicht schläfrig und gleichgültig. Und die christlichen Taten werden dann sicher spärlich oder unterbleiben ganz. Gibt es noch eine dritte Sicht dieser Dinge? Reimt sich das doch noch irgendwie?

In diesem Jahr ist wieder eine Sommer-Olympiade. Ein Vergleich drängt sich da ja auf. In den Gedanken des Paulus und bei den Spielen geht es ums Kämpfen, um das Ringen und Mühen und um den Siegespreis: die Medaille. Vielleicht können wir im Vergleichen auch begreifen, wie Paulus das vielleicht meint: Einerseits Gnade - andererseits Kampf um den Sieg?

Nehmen wir einen Schwimmer oder eine Läuferin, eine Fünfkämpferin oder einen Speerwerfer. Es ist bei allen gleich: Eine Begabung bringen sie mit. Das Talent zur sportlichen Leistung ist ihnen geschenkt. Wir könnten also sagen: Alles, was sie aus ihren Gaben machen, ist nur möglich, weil sie diese Gaben haben. Wie es auch umgekehrt heißen müsste: Sie haben halt das Talent nicht mitbekommen. Diese Gedanken müssen uns dazu führen, festzustellen: Wenn sie oder er die Medaille gewinnt, dann haben sie oder er das letztlich nicht verdient. Ohne die geschenkte Begabung für den jeweiligen Sport, wären sie nie dahin gekommen. - Dagegen ist doch sicher soweit nichts einzuwenden.

Und auch so können wir noch denken: Würde einer seine Gaben zur sportlichen Höchstleistung brachliegen lassen, es wäre undankbar und schändlich! Wir sind vielmehr geradezu verpflichtet, unser geschenktes Können auch im fairen Wettkampf einzubringen.

Übertragen wir das in den Bereich des christlichen Glaubens: Dass wir Gott vertrauen können, dass wir von ihm gehört und ihn lieb gewonnen haben, ist nicht unser Verdienst! Das ist uns geschenkt worden, das ist uns völlig unverdient zugewachsen und hat seinen letzten Grund in der Liebe und dem Opfer Jesu Christi. Und doch gibt es nun etwas zu kämpfen! Und doch sollen wir uns nun auch anstrengen und uns mühen. Und es gibt auch einen Preis, den wir erringen können - oder der uns verlustig geht. Und auch hier gilt - genau wie bei der Olympiade - es wäre eine Schande, wenn wir unsere Gaben brachliegen lassen würden. Wir würden uns als undankbar und der guten Gaben unwürdig erweisen.

Aber das ist alles noch sehr allgemein und theoretisch. Wie sieht denn der "Kampf" aus, den auch der gläubige Mensch im täglichen Leben führen soll und muss? - Ich glaube, dass sie ihn alle gut kennen. Ich glaube überdies, dass sie - wie ich auch - jeden Tag neu aufgefordert sind, in diesem Kampf zu streiten und - wie ich! - in der Versuchung stehen, sich vor ihm zu drücken. Wenn wir von uns sagen können (und dürfen), ich glaube an Gott und weiß, dass ich durch Jesus Christus mit ihm auf ewig verbunden bin, und was solcher Lippenbekenntnisse mehr sind, dann kriege ich es doch auch ganz praktisch mit meinen ungläubigen Zeitgenossen zu tun. Und sie werden mich gewiss nicht schonen, wenn sie erfahren, dass ich zu Gott gehöre. Im Gegenteil! Dass sie ihre spitzen Bemerkungen machen, ist noch das geringste. Oft stempeln sie uns ab. "Das ist ein Frommer! Die ist eine Kanzelschwalbe oder eine ganz Unentwegte!" Dann sind wir in der Schublade uns müssen uns gegen mancherlei Vorwürfe wehren: "Ja, darfst du denn tanzen und in die Disko gehen? - Dem darfst du nichts sagen, der trägt es alles zum Pfarrer! - Die rennt soviel zur Kirche, die hat aber auch schon ihren Fensterplatz im Himmel!"

Und selbstverständlich sind die Erwartungen der Leute an uns entsprechend: "Du, als Christ, musst dich aber jetzt um deinen Nachbarn kümmern, wo es dem doch so schlecht geht! - Wie verträgt sich das denn mit dem, was du im Gottesdienst hörst, was du mir jetzt antust? - Du willst doch so fromm sein und bringst es nicht einmal fertig, deine Kinder richtig zu erziehen!"

Ganz schlimm wird es da, wo sie uns und unseren Glauben verhöhnen: "Wie konnte Gott das denn zulassen, wo du doch ständig in die Kirche gehst und sogar noch den Bibelkreis besuchst? - Siehst du es jetzt nicht ganz deutlich, dass es keinen Gott geben kann? - Wie soll das denn der "liebende Vater", von dem du immer faselst, gewollt haben? - Du bist schön blöd, dass du dir alles entgehen läßt, was du in dieser Welt kriegen könntest!"

Ich weiß, liebe Gemeinde, dass sie oft so zu kämpfen haben. Die Menschen nehmen uns ganz schön ran, wenn sie wissen, wir wollen mit mehr als unserer Karteikarte Christen sein. Der Kampf geht oft bis an die letzten Reserven, die wir aufbringen können. Manchmal auch darüber. Dann versagen wir und unterliegen. Es gelingt uns nicht, was Paulus sagt: "Lauft so, dass ihr den Siegespreis erlangt!"

Da muss ich nun aber auch wieder das andere betonen: Wir müssen keine Übermenschen und Über-Christen sein. Wir dürfen auch versagen! Der Kampf kann - und das gilt ja auch wieder beim Sport - so hart werden, dass wir unterliegen. Ein Athlet aber wird bei der nächsten Olympiade oder dem nächsten Wettkampf wieder antreten. Auch wir Christen sollen wieder und wieder ringen und uns mühen. Und auch das ist wahr: Selbst die Niederlage war oft genug schon der eigentliche Sieg. Denken wir nur an unseren Herrn, der am Kreuz den Kampf vermeintlich verloren hat. An Ostern war er der Sieger über Tod und Teufel.

Ein Missverständnis liegt aber nun sehr nahe: Als müssten wir uns mit unserem Kämpfen und Ringen, unserem Schlagen und Mühen nun doch noch den Siegespreis des ewigen Lebens erwerben. Paulus schreibt ja auch noch, dass dieser Preis ein "unvergänglicher Kranz" ist, während die anderen nur einen vergänglichen gewinnen. Ich glaube deshalb: Es gehört nicht zu den besten Bildern, die Paulus gewählt hat, wenn er uns von diesem Kämpfen und Siegen und diesem Preis redet. - Der Siegespreis ist gewonnen! Jesus Christus hat ihn uns verdient. Und er heißt: Leben - in dieser und einer ewigen Welt! Wenn wir uns nun dennoch mühen sollen, wenn wir gerade als Christen mit verschiedenen Mächten (und Menschen) dieser Welt zu tun und zu kämpfen bekommen, dann ist unser Preis etwas anderes - gewiss nicht das Leben in Gottes ewiger Welt. Das gehört uns schon. Aber - und ich glaube, sie haben damit auch ihre Erfahrungen gemacht - es gibt durch unser Mühen und Kämpfen manchen anderen Preis zu gewinnen:

Wie tut das doch gut, dem dummen Geschwätz der Leute zu widerstehen, die uns als Christen verhöhnen, herausfordern und schlecht machen wollen. Und wie viel Zufriedenheit kann das schenken und sogar Glück, wenn wir doch bei der Liebe bleiben und auf das letzte Wort verzichten. Wenn wir uns den Gegenschlag, den wir führen könnten, verkneifen, wenn uns die Menschen reizen und dahin treiben, dass wir es fast vergessen könnten, dass wir zu Jesus gehören. Und selbst die vermeintliche Niederlage, die uns die Zeitgenossen beibringen, kann ein gutes Gefühl geben: Ich bin gerade jetzt meinem Herrn ganz nah! - Ich glaube, das sind die Siege und die Preise, um die es geht!

Ich wünsche uns heute viel Kraft zum Kämpfen und zum Ringen. Die Kraft wird aus dem Wissen kommen, dass für uns schon alles verdient ist und alles gewonnen durch Jesus Christus. Jetzt können wir uns mühen und dem Bösen Widerstand leisten, wo immer es uns begegnet. Der Kampf lohnt sich und macht zufrieden. Wir haben schon gesiegt und wir werden siegen, darum können wir auch kämpfen. Jesus selbst wird uns zur Seite stehen.