Predigt zum Heiligen Abend - 24.12.2003

(Hinweise: Am Eingang wird den Gottesdienstbesuchern bei der Begrüßung eine Kerze überreicht. Die Kerze wird zunächst nicht entzündet. - In der Mitte des Altarraums steht eine Krippe. In ihr eine brennende Kerze, die vom Beginn des Gottesdienstes an brennt. - Die Predigt ist auch für mehrere SprecherInnen geeignet. - Während der Predigt ist der Kirchenraum dunkel.)

Textlesung: Tit. 2, 11 - 14

Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen und nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte sich selbst ein Volk zum Eigentum, das eifrig wäre zu guten Werken.

Liebe Gemeinde!

Besonders weihnachtlich sind sie nicht, diese Worte! Wir vermissen etwas für's Herz. Wo ist der Stern, die Krippe, der Gesang der Engel, das Kind? Wir wünschen uns Freude, Nahrung für die Seele, Bilder, die unser Gefühl ansprechen. Was wir bekommen ist das: "Heilsame Gnade Gottes", "Zucht", den "weltlichen Begierden absagen und besonnen sein", "selige Hoffnung", "Erscheinung der Herrlichkeit", "gute Werke"... Das ist viel, sehr viel - uns aber ist es zu wenig.

Andererseits: Was war das doch auch in diesem Jahr wieder für eine Hetze, ein Jagen nach all den Dingen, die zu einem Weihnachten gehören, wie wir's uns wünschen! Das Plätzchenbacken, der Einkauf der Geschenke mit den bangen Fragen davor: Worüber freut er sich? Was kann sie brauchen? Dann der Baum, der Braten, die Grußkarten zum Fest und gewiss nicht zuletzt die wehmütigen Gedanken, wie sie alljährlich aufsteigen in diesen Tagen: Dass er nicht mehr bei mir ist, dass sie uns jetzt so fehlt! Wir spüren es: Die Gefühle dieser Tage stillen nicht nur unsere Sehnsucht, sie tun auch weh. Und die Jagd nach einem schönen Weihnachten, kann uns auch in Atem halten und manchmal die Luft nehmen. - Ob wir da nicht doch ein paar Minuten an das hängen könnten, wovon hier die Rede ist: Zucht, Besonnenheit, gute Werke... Von Gefühlen allein können wir ja doch nicht leben. Seele und Herz wollen auch einmal ausruhen. Auch unser Verstand will froh werden. Darum ist heute Abend zuerst unser Kopf dran und unser Ohr: Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen...

Lied: EG 40, 1

Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen... Heilsam... Heil werden, wünschen wir uns das nicht? Alles, was uns innerlich zerreißt, kommt in Ordnung. Unsere Lasten - werden leicht, einer hilft tragen. Unsere Sorgen - wir dürfen sie Gott überlassen. Unsere Trauer - weicht den fröhlichen Gedanken. Unsere Behinderung - nur noch für eine Zeit. Die Gnade Gottes tut das an uns. Nicht an den anderen allein - an allen Menschen, auch an dir und mir. Und nicht irgendwann, sondern heute und morgen und in den nächsten Tagen - es ist erschienen die heilsame Gnade! - Jetzt ist es uns gesagt und wir haben es gehört. Wie aber wird es wahr?

Hören wir weiter: ...die heilsame Gnade...nimmt uns in Zucht, dass wir absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben...

Ganz ohne unser Mittun wird es nicht gehen. Aber das haben wir doch auch gar nicht erwartet! Gewiss, wenn wir zum Arzt gehen, soll er uns gesund machen, möglichst rasch, ohne dass wir von dem ablassen, was unserer Gesundheit schadet. Aber wir wissen es doch, dass Laster unseren Körper schädigen und wir wissen es doch, dass wir Bewegung und die richtige Ernährung brauchen. Genau so verlangt auch Gottes Gnade wenigstens, dass wir bereit sind und dabei mithelfen, dass sie uns heil machen kann. "Zucht" fordert sie von uns: Kein Strohfeuer, das vielleicht heute Abend im Schein der Kerzen und angesichts des Wunders der Weihnacht entflammt, lichterloh brennt, um dann doch noch heute oder Morgen in sich zusammenzufallen...nur noch ein wenig Glut und dann kalte Asche. "Zucht" - das ist vielleicht ein Vorsatz: Ich will von heute an mehr aus meinem Glauben an Gott her leben. Ich will bei allem, was ich tue, fragen, was hätte Jesus Christus jetzt getan, was hätte er gesagt, wie entschieden... Vielleicht heißt "Zucht" auch, treuer zu sein, bei dem, was wir anderen Menschen versprochen haben, pünktlich und zuverlässig zu sein, niemanden abzuweisen, der uns braucht, freundlich zu bleiben, wenn unser Mitmensch ungeduldig wird, dem bösen Wort mit einem guten begegnen. Und vielleicht ist "Zucht" auch das: Zum Gespräch mit Gott zurückkehren, das Beten wieder neu oder häufiger aufnehmen, ihn um Rat bitten und über unseren Fragen auch wirklich still werden und warten, bis die Stille zu reden beginnt... Einfach wieder mehr von Gott erwarten, ihm im Alltag seinen Platz geben, nicht in irgend einer Ecke oder der Minute vor dem Einschlafen, nein, den Raum, der ihm zusteht. Ihn aber auch über allem Schönen, Beglückenden loben und ihm für all seine Führungen und seine täglichen Geschenke danken.

Ich glaube, da sind wir schon sehr nah an dem, was hier wohl gemeint ist: ...absagen dem ungöttlichen Wesen und den weltlichen Begierden und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben...

Und die "Heilung" wird nicht ausbleiben! Es ist wie bei einem guten Arzt: Die Salbe, regelmäßig und nach seiner Verordnung aufgetragen, kann die Haut wieder rein und glatt machen. Das Medikament, täglich zur empfohlenen Stunde eingenommen, wird Besserung bewirken. Der Tee, nach Vorschrift aufgebrüht und in kleinen Schlucken heiß getrunken, kann Schmerzen lindern.

Gott ist größer als jeder Arzt. Heilsame Gnade will er uns schenken. Hören wir, was er uns verordnet: ...die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Heilands Jesus Christus, der sich selbst für uns gegeben hat, damit er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit...

Lied: EG 40, 2

"Selige Hoffnung", "Herrlichkeit", "Erlösung", "Jesus Christus"... Menschen, die betend mit ihrem Gott in Kontakt bleiben, die ihm den angemessenen Raum in ihrem Leben lassen und die Zeit, in der allein er und sein Wille im Mittelpunkt steht..., solche Menschen erfahren, was "heilsame Gnade" heißt: "Hoffnung" durchströmt solch ein Leben. Nichts ist sinnlos, was geschieht. Gott hat seinen Plan mit mir! Alles, was ich erleben muss, auch das schwerste, wird mir dienen. Gott weiß einen Weg, den ich gehen kann. Und an seinem Ende erwartet er mich. Und ich werde Antwort finden auf alle meine Fragen. Dann wird "Herrlichkeit" sein. Eine neue Welt ohne Leid und Tränen. Der Tod auf ewig verbannt. Krankheit gibt es dort nicht mehr. Behinderung gehört einer Vergangenheit an, an die wir uns kaum noch erinnern werden. "Erlösung"...endlich! Alle unsere Sorgen dürfen wir abgeben. Unsere Ängste quälen uns nicht mehr. Kein Kummer trübt unser Glück.

Und der, nach dem wir Christen heißen, wird auf ewig der Herr sein. Und uns wird Gerechtigkeit widerfahren. Er, Jesus Christus, wird uns gerecht machen durch sein Kreuz - nach unserem Glauben.

Lied: EG 40, 3-5

Liebe Gemeinde in der Heiligen Nacht, und jetzt wollen wir den Stern der Weihnacht anschauen, uns dem Licht des Christbaums zuwenden, jetzt wollen wir die Krippe ansehen und das Kind und auf den Gesang der Engel hören... Jetzt ist die Zeit für unser Herz. Wir haben die Botschaft aufgenommen mit unseren Ohren - jetzt will uns das Gefühl helfen, sie festzuhalten und zu glauben: So wie es ist heute Abend, in dieser gemütvollen Stunde, so wird es einmal für immer sein. Die Hoffnung wirft ihren Glanz voraus. Die Herrlichkeit der ewigen Welt Gottes gibt uns einen Schimmer von dem, was uns einmal erwartet. Was unser Herz empfindet, will uns gewiss machen: Alles Dunkel wird nicht bleiben, aller Kummer wird vergehen, alles Leid weicht einmal einem herrlichen Leben, das niemals mehr endet. So fängt in unserer Seele schon heute, schon jetzt in dieser milden Stunde, die Ewigkeit Gottes an. Dazu - dass wir diesen Glauben fassen - sollen uns die Sehnsucht und die Gefühle der Weihnacht dienen. Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen...damit er uns erlöste durch Jesus Christus von aller Ungerechtigkeit!

Orgelspiel - (Der Prediger, die Predigerin bzw. die SprecherInnen entzünden ein Licht an der Kerze in der Krippe. Sie bringen das Licht jeweils zur/m Ersten in den Bankreihen. Diese geben das Licht in den Bankreihen weiter. Sind alle Kerzen entzündet, wird die Fürbitte (Vaterunser) gesprochen. Dann vielleicht das Lied "Stille Nacht", dann Segen und anschließend "O du fröhliche...")