Predigt zum 19. Sonntag nach Trinitatis - 18.10.2009

[Alternative Predigt zu dieser hier] [Predigten, Texte, Gedichte...] [Heiter verreimter Ertrag aus 25 Jahren] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Mein besonderes Angebot: die aktuellen Predigten auf meinen Seiten zwei, drei oder gar mehr Wochen im Voraus! 
Für jede
aktuelle Predigt bitte ich Sie um eine Klingelbeutelspende von 0,50 €! Für die Liturgie, die in der aktuellen Woche spätestens Mittwoch erscheint, bitte ich um 0,30 €. Alle weiteren Tarife hier.

Textlesung: Mk. 2, 1 - 12

Und nach einigen Tagen ging er wieder nach Kapernaum; und es wurde bekannt, dass er im Hause war. Und es versammelten sich viele, so dass sie nicht Raum hatten, auch nicht draußen vor der Tür; und er sagte ihnen das Wort. Und es kamen einige zu ihm, die brachten einen Gelähmten, von vieren getragen. Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten wegen der Menge, deckten sie das Dach auf, wo er war, machten ein Loch und ließen das Bett herunter, auf dem der Gelähmte lag. Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Es saßen da aber einige Schriftgelehrte und dachten in ihren Herzen: Wie redet der so? Er lästert Gott! Wer kann Sünden vergeben als Gott allein? Und Jesus erkannte sogleich in seinem Geist, dass sie so bei sich selbst dachten, und sprach zu ihnen: Was denkt ihr solches in euren Herzen? Was ist leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben, oder zu sagen: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher? Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden - sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim! Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen, so dass sie sich alle entsetzten und Gott priesen und sprachen: Wir haben so etwas noch nie gesehen.

Liebe Gemeinde!

Diese Geschichte heißt in meiner Bibel „Heilung eines Gelähmten". Die Älteren unter uns kennen vielleicht noch den Ausdruck: „Heilung des Gichtbrüchigen". Beide Titel der Geschichte sind aber eigentlich nicht besonders treffend, wenn man genau hinschaut. Denn nicht die „körperliche Heilung" ist es, um die es geht, sie hätte ja, was die Lähmung des Kranken betrifft, fast nicht stattgefunden. Jedenfalls nicht hier vor den Leuten, denn Jesus wollte die gelähmten Beine des Mannes ja erst gar nicht heilen. Vielleicht wäre also für die Geschichte die Überschrift „Sündenvergebung für einen Gelähmten" richtiger gewesen. Dann hätte man als Leserin oder Leser auch gleich besser gewusst, worauf es hier zuallererst ankommt!

Aber mal ganz ehrlich, liebe Gemeinde, ist das nicht auch für uns seltsam und unerwartet, dass Jesus dem Gelähmten - für den seine vier Freunde sogar das Dach abgedeckt haben, dass er zu Jesus gelangen konnte - die Sünden vergibt? Ja, sagen wir es ruhig: ... nur die Sünden vergibt? Hätten wir nicht auch zuerst erwartet, dass er die lahmen Beine des Mannes heil macht und der wieder laufen kann?

Nun müssen wir noch eines wissen: Wenn hier von Sündenvergebung die Rede ist, dann sind weniger die Tatsünden dieses gelähmten Menschen gemeint: Dass er vielleicht den Feiertag nicht geheiligt oder gelogen hätte oder dass er ein Ehebrecher oder Dieb wäre. Es ist sein ganzes Verhältnis zu Gott angesprochen - und das ist bei jedem Menschen - damals und heute - ohne die Fürsprache und das Opfer Jesu Christi gestört. Vielleicht sagen wir es so: Wir sind nicht im Reinen mit Gott, ohne dass Christus unsere Beziehung zu Gott in Ordnung bringt: Wir geben Gott nicht die Ehre, die ihm gebührt. Wir fragen nicht, was er von uns haben will. Wir leben unser eigenes Leben und wollen es „selbst machen". Wir nehmen uns nicht die Zeit, die es braucht, auf die Stimme unseres Schöpfers zu hören. Und wir haben unsere Gedanken nicht genug bei dem, der Ursprung, Zukunft und das Ziel unseres Lebens ist. - Das aber, so zeigt es uns Jesus bei dieser Heilungsgeschichte deutlich, ist wichtiger als dass wir körperlich gesund oder auch krank und behindert sind.

Ich gehe übrigens so weit, dass ich behaupte: Die hier von Jesus ausgesprochene Vergebung der Sünden interessiert uns auch gar nicht so, wie etwa die Heilung von Gebrechen oder Krankheiten an denen wir vielleicht schon lange leiden! Das hat - auch wenn Ihnen das zunächst vielleicht als weit hergeholt erscheint - mit dem Gottesdienstbesuch zu tun, über dessen Rückgang sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche zur Zeit auch in den Medien klagen:

Es sind ja gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten. Da müsste man doch eigentlich erwarten, dass sich die Menschen gerade besonders eng zu ihrer Kirche halten. Das tun sie aber nicht. Im Gegenteil. Sie gehen weniger zum Gottesdienst und es läuft auch in diesen Monaten wieder einmal eine so genannte Austrittswelle.

Warum ist das so? Warum klammern sich die Menschen nicht besonders fest an ihre Kirche? - Weil wir Leute von der Kirche - wie Jesus damals - auch „nur" sagen: Dir sind deine Sünden vergeben. Oder: Gott liebt dich! Oder auch: Jesus Christus hat dir mit seinem Opfer am Kreuz das ewige Leben verdient! - Auf den Punkt gebracht: Weil uns nur Worte gegeben sind und keine Taten! Und Worte waren den Menschen damals und sind den Menschen heute ... zu wenig!

Wir können das ja auch sicher verstehen. Wem es wirtschaftlich schlecht geht, der hätte gern mehr Geld, dass er sich wenigstens ein einigermaßen gutes Leben leisten kann. Wer krank ist und Schmerzen hat, der möchte gesund sein und das los werden, was ihn quält. Wer gehbehindert ist, der will - so wie die anderen - laufen und sich bewegen können. Aber noch einmal: Jesus damals und wir Kirchenleute heute haben nur Worte zu bieten.

Da ist nun noch etwas ... das müssen wir wissen: Zur Zeit Jesu war es völlig klar, dass ein Gebrechen des Leibes immer auch mit einem seelischen Mangel zu tun hat. Der Gelähmte etwa - so dachte man - hat auch irgendeine Schuld auf sich geladen, die sich eben in seiner Lähmung äußert. Wenn Jesus ihm die Sünden vergibt, dann bringt er eigentlich auch schon seine körperliche Heilung auf den Weg! Anders gesagt: Es gibt keine Heilung nur des Leibes. Und das gilt auch umgekehrt: Wenn die Seele gesund wird, dann wird auch der Körper gesund.

Wir heute sehen das deutlich anders. Zwar haben seelische Leiden oft genug auch körperliche Auswirkungen. Krankheit und Behinderung des Leibes hinterlassen auch in unserer Seele Spuren. Aber nicht jedes Leiden kommt von seelischen Mängeln her oder ist gar die Folge von Sünde und Schuld.

Aber zurück zur Heilung des Gelähmten: Für das Denken der damaligen Zeit ging es auch um die Sünde, die als Ursache der Lähmung gesehen wurde. Darum vergibt Jesus dem Kranken die Sünden. Die Folge wäre nach damaligem Denken gewesen: Der Gelähmte kann seine Beine wieder gebrauchen. Das aber wäre vielleicht viel später erst geschehen, wenn man den Gelähmten wieder nach Hause gebracht hatte. Wenn diese körperliche Heilung nun sofort erfolgt, dann nur deshalb: „Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Vollmacht hat, Sünden zu vergeben auf Erden - sprach er zu dem Gelähmten: Ich sage dir, steh auf, nimm dein Bett und geh heim!"

Um seine Vollmacht zu zeigen, um klar zu machen, dass er von Gott her kommt und im Auftrag Gottes handelt, heilt Jesus auch - vor ihren Augen! - die Lähmung des Mannes. Dass er das aber nur wie nebensächlich tut, zeigt uns jetzt noch etwas anderes, viel wichtigeres: Wem die Sünden vergeben sind, der hat viel mehr erhalten, als die Heilung seines Leibes! Wer das Wort hört, Gott hat dich lieb, der hat viel mehr empfangen als das Ende seiner Krankheit. Und wem gar zugesprochen wird, Jesus Christus hat dir mit seinem Opfer am Kreuz das ewige Leben verdient, dessen leibliche Krankheit oder Gesundheit ist klein und unbedeutend geworden.

So will uns diese Geschichte eigentlich ermuntern, einmal neu über die Bedeutung nachzudenken, die wir allem beimessen, was unseren Leib und unseren äußeren Menschen angeht. Wenn wir die Heilung des Gelähmten einmal in unsere Zeit übertragen, wird das - wenn auch drastisch - deutlich: Stellen Sie sich doch nur einmal vor, wir wären dabei, wenn ein gelähmter, blinder oder tauber Mensch vor einen bekannten Arzt träte, von dem wir wissen, er kann alle Krankheiten und Behinderungen heilen. Und der Arzt beachtete gar nicht, dass der Mensch, der vor ihm steht, nicht laufen, sehen oder hören kann, sondern spräche nur zu ihm: Ich vergebe dir die Sünden deines Lebens. Noch deutlicher wäre es gewiss, wenn wir selbst mit unserem Gebrechen hin zu diesem Arzt gingen, und er uns mit der Vergebung unserer Schuld abfertigte. Wir wären verstört, entsetzt, ja verzweifelt! Zufrieden mit der Sündenvergebung wären wir keinesfalls.

Bei Jesus steht hinter dem Wort von der Sündenvergebung nichts anderes als die feste Meinung: Es gibt nichts wichtigeres, als dass ein Mensch mit Gott im Reinen ist, dass nichts zwischen ihm und seinem himmlischen Vater steht: keine Sünde, keine Schuld ... und dazu, uns mit Gott zu versöhnen, ist unser Herr ja in die Welt gekommen.

Sicher hatte Jesus von seinem Auftrag her eine etwas andere Sicht auf das Leben und auf das, was ein Mensch wirklich braucht und worauf es für ihn in seinem Leben letztlich ankommt. Aber ich finde, dass es die Gewichte, die wir den Dingen geben, in ein besseres Maß bringen könnte, wenn wir uns das heute einmal sagen lassen und zu beherzigen versuchen: All unsere äußeren Beschwerden, unsere Krankheit und Behinderung, all unser körperliches Leid und ob wir es haben oder loswerden ist nicht das, was unser Leben hier ausmacht oder über unsere ewige Zukunft entscheidet. Wichtiger ist, dass wir eine gute Beziehung zu Gott haben, dass wir uns die Vergebung unserer Schuld durch das Opfer Jesu Christi zusprechen lassen und uns hier und in Ewigkeit allein darauf berufen.

Liebe Gemeinde, ich empfinde das genau wie Sie nach wie vor als schwierig, die Vergebung der Sünden wichtiger zu nehmen als unsere Wünsche, von der Krankheit, der Behinderung und manchem anderen Leiden, an dem wir tragen, frei zu werden. Trotzdem denke ich, es täte uns gut, wenn wir unser Vertrauen mehr als bisher auf die Zusage Jesu setzten, dass er uns mit Gott versöhnt als darauf, dass er unsere leiblichen Beschwerden heilt. Ich denke auch, dass wir dabei auch so manche Überraschung erleben könnten, wie sich durch dieses Vertrauen auch körperliche Leiden bessern. Schließlich denke ich mir, Jesus würde dann zu uns sprechen, wie er immer wieder zu denen gesprochen hat, die durch ihn heil geworden sind: Dein Glaube hat dir geholfen! AMEN