Predigt zum Erntedankfest - 4.10.2009

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Textlesung: Lk. 12,(13-14) 15-21

Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Liebe Gemeinde am Erntedankfest!

Ich nehme an, dass ich die Geschichte vom Reichen Kornbauern schon .....mal gelesen habe. Mindestens ......mal habe ich über sie gepredigt oder eine Andacht gehalten. Sie kennen diese Geschichte ja sicher auch sehr gut, bei vielen kommen auch einige Male Hören oder Lesen zusammen.

Trotzdem: Mir ist heute etwas an ihr zum ersten Mal ins Auge gesprungen. Es ist nur ein Sätzchen, eigentlich nur ein halber Satz. Ich meine diesen: „... du hast einen großen Vorrat für viele Jahre ..." Ich glaube inzwischen, dieser Halbsatz ist die eigentliche Mitte der Geschichte! Wir haben bisher wohl immer zu sehr auf den Schluss geachtet, vielleicht weil er uns geängstigt hat: „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern!" Oder wir haben uns gefragt, was eigentlich so schlimm daran ist, wenn einer seine Ernte in neuen Scheunen unterbringen will? Wer würde es da nicht genauso halten wie dieser Bauer? Nein, das schlimme an seinem Denken und Handeln ist nicht, dass er sich für all die Fülle neue Lagerhäuser baut, das schlimme ist dieser Gedanke, dem er sich hingibt: Du hast nun Vorrat für viele Jahre!

Wie wäre das denn weiter gegangen? - Wer Vorrat hat, der wird sicher und träge und denkt: Ich habe ja genug auf der hohen Kante. Das ernährt mich für den Rest meines Lebens; was soll ich noch arbeiten, warum noch weiter schaffen und wirtschaften?

Aber ein zweites ist noch viel wahrscheinlicher: Dass einer undankbar wird. Dass er Gott vergisst, der ihm alles geschenkt hat, was er nun einbringt und in den Scheunen aufhebt. Dank hat ja (leider) meist etwas damit zu tun, dass ich Mangel habe. Wenn mir etwas fehlt, kann ich viel leichter Bitte sagen und hernach Danke, wenn es mir gewährt wurde. Wenn aber alles im Überfluss da ist - dann muss ich nicht bitten und später schon gar nicht danken. So ist es gewiss dem reichen Kornbauern gegangen. Er ist schnell undankbar geworden, sehr schnell ... Ja, war er hier nicht schon mittendrin, wenn er zu sich spricht: Du hast nun Vorrat für viele Jahre?

Bis jetzt habe ich vom Bauern aus der Geschichte gesprochen. Wie ist es bei uns? - Wir haben nicht alle Ernten auf den Feldern oder in den Gärten eingebracht. Aber wir haben alle unser Geld verdient, unseren Unterhalt gehabt und unsere mehr oder weniger gut bezahlte Arbeit getan. Ja, vielen von uns geht es trotz Wirtschaftskrise so gut und ihre Zukunft scheint so sicher, dass sie das geradezu nachsprechen könnten: Du hast nun Vorrat auf viele Jahre ... Vielleicht würden wir auch nicht so sprechen, aber ist uns dieses selbstzufriedene Denken so fremd? „Da hab' ich jetzt aus eigenen Kräften ein Haus hingestellt ... und keiner hat mir dabei geholfen!" - „Jetzt ist das Berufsziel endlich erreicht - aber ich war auch sehr tüchtig!" - „Wir können uns wirklich alles leisten und auch das Alter ist gesichert!"

Hört sich das nicht doch fatal ähnlich an: „Habe nun Ruhe, liebe Seele, iss und trink und habe guten Mut?" Und da soll das andere ausbleiben? Da soll sich nicht bald auch die Trägheit breitmachen und die Dankbarkeit vergessen werden? Wofür soll denn der Mensch, der sich alles selbst zuschreibt, noch danken? Wie soll denn nicht der Undank in ein Haus einziehen, das man doch „selbst" gebaut hat und in dem alles „aus eigener Kraft" erworben ist?

Und jetzt rücke ich uns allen hier noch ein bisschen näher auf die Haut und vielleicht geht es uns sogar darunter: Ist das nicht längst der Befund bei uns? Wir haben doch das Haus gebaut und das Auto steht doch davor und den Urlaub zweimal im Jahr können wir uns leisten und wir sind doch unkündbar und unsere Altersversorgung ist doch sicher und und und ... Aber wo ist der Dank für all das?

Wollen wir jetzt unsere Dankgebete täglich ... oder wöchentlich ... oder neulich ... wann war das denn bloß noch? ... wollen wir sie wirklich hier anführen? Oder haben wir die Stirn unserem Gott diesen Sonntag heute hinzuhalten und zu sprechen: „Aber heute am Erntedankfest bin ich doch in deinem Haus und bete, singe, danke und gebe nachher sogar eine Spende!"

Wir merken selbst, wie arm das ist, wie wenig - und wir spüren, dass es nicht genügt. Darum müssen wir bekennen: Wir sind das, die so denken und sagen: „Du hast einen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss und trink und habe guten Mut!" Noch einmal: Wir sind das.

Aber ich will nun nicht den Weg dieser Geschichte einschlagen und in die Drohung münden: Du Narr, heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern. Ich weiß nicht, wie lange Gott jedem von uns noch Zeit gibt. Ich weiß nicht, wie viel Undank wir persönlich unserem Gott schon geboten haben und ob er in seiner großen Güte noch länger zusehen mag?

Aber ich weiß, dass mit diesem selbstgefälligen, sicheren Satz die Weichen gestellt werden, die dann zum Undank führen. Deshalb will ich an dieser Stelle einsetzen:

Nichts, überhaupt nichts wird uns auf Vorrat gegeben, nichts jedenfalls, was wirklich wesentlich ist im Leben. Alles Wichtige muss uns jeden Tag neu zuwachsen von Gott. Das klingt jetzt wie ein Widerspruch zu der Geschichte vom Reichen Kornbauern und wie ein Widerspruch zu dem, was ich bisher gesagt und worüber wir nachgedacht haben: Der Kornbauer hat doch Vorrat! Er muss doch nicht mehr täglich sorgen, dass er zu essen hat! - Das „Wesentliche" aber kriegt er genommen! Und das ist allemal das Leben selbst. Davon hat er keinen Vorrat anlegen können!

Und genauso bei uns: Gewiss steht unser Haus und das Auto davor und noch manches andere, was wir haben wird viele Jahre überdauern. Aber das Leben selbst und das Glück und die Gesundheit und die Freude und noch so vieles mehr ... das ist ungesichert, zerbrechlich, gefährdet und kann vielleicht diesen Tag schon nicht überstehen! Und spätestens dann, wenn Glück, Gesundheit, Freude oder das Leben selbst nicht mehr von Gott geschenkt und bewahrt werden, müssen wir auch begreifen: Wie gering, wie nutzlos und unbedeutend die Dinge sind, die wir vorher so wichtig genommen haben: Nein, wir leben nicht von unserem Haus! Nein, wir haben unser Glück nicht durch die Arbeit unserer Hände! Nein, die gesunden Glieder kommen nicht durch die gesicherte Rente! - Die wesentlichen Gaben des Lebens wachsen uns täglich zu. Wir können keinen Vorrat davon anlegen. Heute darf ich sie genießen, morgen schon kann Gott sie mir nehmen. Darum sollen wir dankbar sein, diesen Dank täglich vor Gott bringen und niemals meinen, wir hätten nun Ruhe auf Jahre.

Mir ist noch etwas aufgefallen: Haben diese Gedanken nicht eine ganz deutliche Beziehung zum Vaterunser, das uns Jesus zu beten gelehrt hat?: „Unser täglich Brot gib uns heute", heißt es da in der Vierten Bitte. Und das ist schon so gemeint: Ihr sollt nicht um Sicherheit und Brot und Auskommen auf viele Jahre bitten. Gott will euch das nicht geben! Aber er will euch das schenken, was ihr an jedem neuen Tag braucht! Und vergesst nicht, die Dinge von denen ihr zu leben meint, von denen ihr vielleicht auch Vorrat habt, sind nicht wesentlich und nicht wert, dass man sein Herz und seine Seele daran hängt. Wichtig sind Werte wie Freude, die Gesundheit, die gute Beziehung, die Liebe Gottes und unter den Menschen, die Güte Gottes und miteinander, die Treue, der Segen ...

Diese Dinge gibt Gott täglich neu. Sie wollen erbeten sein. Sie lassen sich nicht speichern und aufbewahren. Morgen schon kann sie uns Gott wieder entziehen. Darum seid dankbar dafür und vergesst niemals, von wem sie kommen!

Es wird schon seinen Sinn haben, warum Gott uns das Wesentliche nicht auf Vorrat gibt. Wie würden wir dann erst undankbar werden, wenn wir schon über all dem unwichtigen Kram unseres Lebens Gott so gründlich vergessen können! Aber wir haben keinen Vorrat auf Jahre! Gott schenkt uns heute, was wir bis zum Abend brauchen - und morgen will er's uns wieder schenken. Bitten wir ihn täglich darum und danken wir ihm - täglich! Dankbare Menschen wissen, dass sie ganz von Gott leben. Dankbare Menschen brauchen keine Vorräte. Dankbare Menschen können sich an den guten Gaben Gottes freuen, sie können teilen und loslassen.

Ich wünsche uns zu diesem Erntedankfest, dass wir solche dankbaren Menschen werden. AMEN