Predigt zum Sonntag "Palmarum" - 5.4.2009

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Liebe Gemeinde!

Kaum ein Sonntagsthema außerhalb der großen Festzeiten des Kirchenjahres ist uns so gut bekannt. Heute geht es um den "Einzug Jesu in Jerusalem". Stellen sie sich dazu einmal vor: Jesus käme heute zu uns. Nicht im Fernsehen, nein, wirklich und wahrhaftig und in Person. Was müsste geschehen, dass sie sich aufmachen, ihm entgegenzugehen, wie damals die Leute von Jerusalem? Denken wir uns, er zöge vielleicht noch heute nachmittag drüben in der ......-straße aus Richtung ......-dorf ein. Was könnte sie dazu bringen - ja, nicht Palmzweige wie damals! - aber vielleicht doch Fähnchen zu schwenken und mit bunten Tüchern zu winken? Was würde sie veranlassen, das vielleicht wunderschöne Nachmittagsprogramm im Fernsehen oder den Spaziergang in der Frühlingssonne dranzugeben, um bei SEINER Ankunft hier bei uns dabei zu sein?

Sagen sie jetzt nicht: "Das wird doch nicht passieren! So etwas ist doch nur erfunden. Außerdem sind wir doch jetzt hier in der Kirche, um IHM zu begegnen." - Wenn es nun doch geschähe? Oder - wenn wir lieber an eine Begegnung hier in unserem Gotteshaus denken wollen - was zieht uns eigentlich hierher - zu Jesus? Warum suchen wir seine Nähe? Unbedeutend ist diese Frage nicht. Vielmehr scheiden sich an ihr die Geister, seit ER über diese Erde ging. Und davon handelt, wenn wir ein bisschen tiefer schauen, auch der Predigttext, der uns für diesen Sonntag verordnet ist:

Textlesung: Jh. 12, 12 - 19

Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel! Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht (Sacharja 9,9): »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte. Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat. Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

Liebe Gemeinde, warum sind damals die Leute Jesus entgegen gezogen? Mindestens zwei Gründe gab es dafür, wie wir hören. Aber warum wollen wir nicht einmal zwei Menschen von damals erzählen lassen? Da verstehen wir gewiss besser, was die Menschen wirklich bewegt hat, als Jesus zu ihnen kam ...

Zuerst spricht ein ganz Alter: "Von meiner Tochter wusste ich es! Sie hat es vom Markt mitgebracht: Jesus kommt in unsere Stadt! Da musste ich hin! Wie lange habe ich schon auf diesen Tag gewartet. Unsere Propheten haben es vorausgesagt, seit vielen hundert Jahren. Und endlich, endlich war es soweit! Die Freude! Schon ganz früh am Morgen habe ich mir einen Platz unter einem schattigen Baum gesucht. Ganz nah an der Straße, die er in die Stadt ziehen musste. Es hat noch Stunden gedauert, die Sonne stand schon ganz oben, da kam er wirklich ... und genau so, wie es uns schon immer verheißen ist: "Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt ..." Nein, es war kein so prächtiger Auftritt, wie ich ihn mir immer ausgemalt hatte. Fast armselig wirkte der kleine Zug: Ein paar Gestalten vor ihm und an seiner Seite, denen man auch ansah, dass sie vom Betteln lebten. Ziemlich heruntergekommene Kerle, die Kleider und Sandalen geflickt und staubig. Und er selbst? Ein Armer wie die anderen, das konnte man sehen. Und eben nur ein Esel, auf den er sich gesetzt hatte. Ein Pferd muss wohl nicht greifbar gewesen sein, dachte ich erst. Aber dann ... Hieß es nicht bei Sacharja: "Siehe, dein König kommt ... und reitet auf einem Eselfüllen." Doch, ich habe es verstanden. Das war ein anderer König als die, deren Macht wir in unserer Welt so lange spüren müssen. Dieser wollte nicht die Augen blenden, nicht mit Schwert und Gewalt seine Herrschaft aufrichten. Dieser wollte uns ein Zeichen geben, wer er ist und wer ihn gesandt hat. Er wollte, dass wir ihn ganz ohne Zwang bei uns aufnehmen. Er wollte ... unser Herz."

Hören wir noch, was eine junge Frau uns erzählt: "Nie wieder falle ich auf so etwas herein! Dieser Hungerleider! Einen Toten soll er auferweckt haben, so erzählen sie überall im Land. Auch noch den Namen haben sie verbreitet: Lazarus soll der Tote geheißen haben; drei Tage hätte er tot gelegen und schon gestunken ... Dann hätte dieser Jesus ihn aus dem Grab gerufen. - Nie und nimmer! Der doch nicht. Ich bin dabei gewesen, als er in Jerusalem eingezogen ist. Einer der solche Wunder vollbringen kann, sieht anders aus. Und er sitzt nicht auf einem Esel. Und dem ganzen Bettelpack, das ihn begleitet hat, hätte er sicher auch ein paar schönere Gewänder spendieren können. Das schlimmste aber war, dass er alle, die ihn um Heilung von ihren Krankheiten und Gebrechen gebeten haben, abgewiesen hat. Ach, er hat sie nicht einmal beachtet. Er hat wohl geglaubt, der Ruf von der Auferweckung dieses Toten, wäre stark genug, dass er sich bei uns einschmeichelt. Aber so nicht. So einer, so ein Nichtskönner kommt bei uns nicht an. Da muss er schon ein bisschen mehr bieten als einen Esel als Reittier und das Lumpengesindel seiner Begleitung."

Liebe Gemeinde, soweit diese beiden Zeugen des Einzugs in Jerusalem. Sicher hätten wir noch andere befragen können. Aber ich glaube, so ähnlich wie diese beiden hätten auch die meisten anderen gesprochen. Wir hätten Menschen gehört, die überwältigt wären von diesem "König" und andere, die ihn einen Scharlatan oder gar einen Betrüger genannt hätten.

Aber zurück zu uns und in unsere Zeit. Und noch einmal die Frage: Was würden wir erwarten, wenn wir uns heute aufmachten, ihm entgegenzugehen, wie damals die Leute von Jerusalem?

Ich bin ganz sicher, viele wären unter uns, die würden die Kopie des Arztbriefes mit der Diagnose suchen, die der Internist vor Jahren dem Hausarzt geschrieben hat. Jesus müsste doch wissen, mit welchem Leiden er es bei uns zu tun hat. Oder sie würden ein paar Angehörige mitnehmen, die mit vereinten Kräften um Hilfe und Heilung für sie bitten. Dass er auch gewiss nicht einfach vorbeizieht, ohne ein Zeichen, ohne ein Wunder ...

Aber - wie damals - gäbe es sicher auch die Menschen an der Straße, die er daherkommt, die ihn einfach nur sehen möchten, die dort sein, dort warten wollen, wo der einzieht, der schon immer und für immer der König und Herr ihrer Herzen war und ist. Diese Menschen würden es fühlen, was anderen verschlossen bleibt: In diesem ist Gott. Was er tut, will uns im Innern anrühren. Er ist das Zeichen, dass Gott seine Menschen nicht vergessen hat, dass er sie aufsucht, ihr Leben und Leiden teilt und sie so heilt - in Ewigkeit.

Und da muss ich jetzt auch noch von dem Mann damals in Jerusalem erzählen, der zuerst genau wie die junge Frau voller Erwartung nach einem Wunder am Wege gestanden hat. Er aber sagt später folgendes: "Wie viele Heilungen waren von ihm berichtet worden! Sogar Tote waren aufgestanden, weil er es ihnen gebot. Wie war ich enttäuscht, als er kam, dieser gar nicht überwältigende Mann, der so bescheiden und armselig wirkte auf seinem Grautier. Nein, dieser würde uns nicht von der Herrschaft der verhassten Römer befreien. Der nicht. Aber seltsam, das wusste ich auf einmal: Dazu war er auch gar nicht gekommen! Wie riefen die Leute mit den Palmzweigen: Hosianna ... Das hatten sie schon zur Zeit des Königs David gerufen. Uralt diese Begrüßung und auf einmal war sie auch bei mir da, diese uralte Sehnsucht nach dem Messias, dem König Gottes. Und auf einmal habe ich begriffen: Der wird das Schwert nicht ziehen, er hat gar keines. Er kommt von Gott und zeigt seine Liebe. Diese Liebe will nicht zuerst unsere äußere Freiheit, sie will auch nicht unsere körperliche Gesundheit, dass wir unsere Leiden los und unserer Krankheiten ledig werden. Gott will uns in Ewigkeit heil machen - und er will uns ganz heilen! Da habe ich gemerkt: Wenn nun mein Bein von ihm gerichtet worden wäre - und deshalb war ich gekommen! - was hätte mir das denn in der Tiefe meines Lebens gebracht? Andere Leiden hätten sich gemeldet, schlimmere noch, vielleicht? Dieser Jesus aber wollte mir das bringen, das von Gott schenken, was nie mehr aufgehoben werden, was nie mehr einer von mir nehmen kann: Seinen Frieden, seine Liebe, ein Leben, das mich immer mit Gott verbindet, hier und ewig ..."

Liebe Gemeinde, ich bin ganz sicher, der eine oder die andere, die heute seinen Einzug bei uns mit erleben, würden hinterher ähnlich reden: "Ich wollte ihn in meiner Krankheit, meiner Behinderung um Hilfe bitten ... aber, wie soll ich beschreiben, was dann geschehen ist? Das war auf einmal so unwichtig. Als ich ihn ansah, wusste ich es: An ihm entscheiden sich wichtigere Fragen, als die, ob mein Körper gesund ist. Ihn hat mein Gott gesandt. Mein Vater im Himmel, dessen Kind ich bin und der doch wirklich so oft keine Freude an mir haben kann. Diesen Jesus hat er zu mir geschickt, dass ich an ihm erkenne, wie er sich um mich sorgt, wie er mich ruft, lockt, liebt ... Auf einmal wusste ich auch, dass Jesus nicht einfach alles in Ordnung bringen kann in der Welt und meinem Leben. Er will doch nichts tun, was uns unfrei macht und zu Knechten und Mägden seiner Macht. Er liebt - und will geliebt werden. Er sucht - und will Menschen finden, die sich ihm öffnen. Er heilt - und macht uns ganz heil und für immer.

Es ist merkwürdig, aber auf einmal habe ich auch den Sinn und die wahrhaftig ewige Bedeutung dieser uralten Worte verstanden: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel! Und ich wusste noch eins: Er soll auch der König und Herr meines Lebens sein und bleiben.