Predigt zum Sonntag "Reminiszere" - 8.3.2009

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Textlesung: Mk. 12, 1 - 12

Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes. Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie. Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben. Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Psalm 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«? Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.

Liebe Gemeinde!

"... denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte." - Haben wir auch gemerkt, dass wir angesprochen sind? Spüren Sie, wie uns das betrifft? Möchten Sie auch am liebsten weggehen?

Die Hohenpriester und Schriftgelehrten damals haben das genau gespürt: Der meint ja uns! Der redet ja von unserem Volk Israel. Er vergleicht uns Juden mit einem Weinberg, von Gott schön und liebevoll angelegt. Und die Weingärtner - das sind ja wir selbst: die Schriftgelehrten, die Führer des Volkes, die Lehrer der Religion. Und die Knechte - das müssen die Propheten sein, die Boten Gottes - und wir sollen sie misshandelt und geschlagen haben??? Empörend was der da redet! Und der Sohn? Das soll wohl er - dieser Jesus - selbst sein. Anmaßend ist er, gotteslästerlich! Er - Sohn des Höchsten!? Man müsste ihn ... Ihm wird's noch gehen wie dem Sohn dieses Weinbergbesitzers, von dem er erzählt!

Ich möchte das "Damals" jetzt verlassen. Wir leben ja "heute". Ich behaupte: Das ist genauso unsere Geschichte und sie will uns genauso viel sagen, wie den Hohenpriestern und allen anderen Menschen zur Zeit Jesu. -

Unseren Weinberg, den Gott für uns angelegt hat, kennen wir: Das ist unser Leben, all die guten Voraussetzungen, die wir mitbekommen haben, unsere Gaben und Talente, die Chancen, der gute Start im Elternhaus, die Möglichkeit einen Beruf zu lernen, unsere Beziehungen zu den Mitmenschen, die Liebe, die wir empfangen und schließlich auch all unser Hab und Gut, unser Besitz, was wir sozusagen zu allem anderen noch hinzugefügt bekommen haben. Um das alles herum hat Gott einen Zaun gezogen - nicht um uns einzuengen oder unsere Freiheit zu beschneiden, sondern um uns zu schützen. Vielleicht verstehen wir diesen Zaun als das "Ja" Gottes zu dir und mir ganz persönlich, vielleicht ist das sein erklärter Wille für dich und mich: Du sollst ein gutes, beschütztes Leben führen, ich will nicht, dass einer in deinen "Weinberg", dein Leben einbricht, es schädigt oder zerstört. Und einen Turm hat Gott über meinem Leben gebaut: Nicht um mich zu beobachten! Nein, nur dazu: Um nach mir zu sehen. Ja, der Vater selbst sieht nach mir, er achtet auch darauf, dass keiner seinen guten Willen über mich aufhält oder dass dem Weinberg ein Schaden widerfährt.

Aber auch das ist in diesem Bild deutlich: Der Weinberg, den Gott für mich und dich so schön und voll Liebe ausgestattet hat, bleibt sein Eigentum! Niemals darf ich sprechen: Was ich mit meinem Leben, meinen Gaben, meinem Gut und Geld anfange, geht nur mich selbst etwas an! Nichts gehört mir - in einem letzten Sinn! Ich habe es auf Zeit überlassen bekommen, nur gepachtet! Aber der Eigentümer will ja gar nicht alles! Er möchte nur den Anteil an den Früchten meines Lebens, der ihm nach Recht und Gesetz selbstverständlich zukommt. -

Liebe Gemeinde, so weit konnten wir bei der Übertragung des Bildes vom Weinberg ja sicher mitgehen. Aber was wird jetzt, wenn die Sache mit den Knechten kommt? Soll ich über die hinweggehen, ohne sie zu besprechen? Weil es da doch persönlich und vielleicht unangenehm wird?

Ich bin kein Freund von halben Sachen, darum will ich auch hier bei der Geschichte bleiben: Auch die Knechte Gottes kennen wir, also die Boten, die Gott uns von Zeit zu Zeit gesandt hat! Nein, das ist nicht unbedingt unser Pfarrer, unsere Pfarrerin gewesen, die uns an den Höhepunkten unseres Lebens, also bei unserer Konfirmation, Trauung oder der Taufe unseres Kindes vielleicht ein gutes Wort aus der Heiligen Schrift mitgegeben hat. Das wäre zu banal und oberflächlich. Die "Knechte", die "Boten" waren vielleicht auch gar keine Menschen. Vielleicht haben wir ja auf andere Weise "Botschaften" Gottes in unserem Leben vernommen? Vielleicht war das für die eine der Augenblick höchster Not, durch die sie mit Gottes Hilfe hindurch gekommen ist. Und vielleicht hat sie Gott danach für die Rettung, für die Bewahrung und Genesung ein gänzlich neues Leben versprochen? Aber nach kurzer Zeit war alles vergessen - da wurden die schuldigen Früchte verweigert, da wurde die Hilfe heruntergespielt, die Bewahrung verkleinert und die Rettung allein der ärztlichen Kunst zugeschrieben. Für einen anderen war diese Botschaft Gottes vielleicht ein unverhofftes Geschenk des Schicksals: Großer Erfolg im Beruf, Ansehen bei den Menschen, Reichtum an Gütern. Der so viel Gutes erfahren hat, wäre jetzt so viel dankbares Weiterreichen an die Mitmenschen schuldig gewesen, soviel Lobpreis Gottes auch und man hätte aus dem unerwarteten Lebensgeschenk so viele Früchte für Gott bringen können ... Aber auch dieser "Knecht" wurde mit Schimpf und Schande fortgejagt. Auch diese "Botschaft" wurde schnell mit eigener Leistung, eigenem Einsatz und eigener beharrlicher Mühe erklärt. Und wieder hat einer dem Herrn die Früchte verweigert. Und ich glaube, so ein "Knecht Gottes", eine "Botschaft" von ihm kann auch unser Geschick selbst sein, eines, wie wir es haben - wir, hier heute Morgen: Dass wir gesund sein dürfen, in Frieden leben können, Kleider und ein schönes Haus, satt zu essen, einen Arbeitsplatz oder eine ausreichende Rente haben ... Das Leben von 2/3 der Menschheit sieht nicht so aus! Denen dürfte ich nicht mit dem Bild vom Weinberg kommen! So ist schon unser kleines aber gutes Leben dieser "Knecht", diese "Botschaft" des Herrn, mit der Gott bei uns anklopft, dass wir ihm die Frucht abgeben, die ihm zusteht und gehört. - Was ist? Lassen wir ihn erst gar nicht erst herein? Weisen wir ihm die Tür, wenn er uns sagt, was er von uns haben will? Mit wie viel Frucht oder mit wie wenig speisen wir ihn ab?

"Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen!" So ernst das nun auch ist, jetzt wollen wir doch auch das noch besprechen: Nein, auch wir haben uns nicht gescheut! Wir haben uns durch die Boten und Botschaften Gottes nicht bewegen lassen, Gott zu geben, was ihm an Frucht unseres Lebens zusteht. Um deinet- und meinetwillen hat er seinen Sohn senden müssen - damit wir endlich begreifen, was wir ihm wert sind und wie sehr er uns liebt. Bevor der Sohn kam, haben wir's nicht verstanden, wie groß, wie überaus gütig dieser Herr ist: Der schöne Weingarten, in dem wir uns bewegen dürfen, alle seine Geschenke an uns ... Wir haben es nicht verstanden, dass es die Gnade dieses Herrn war, seine Liebe, mit der er uns gewinnen und sich aus unseren harten Herzen wenigstens ein bisschen Frucht bereiten wollte. Wir verweigern die Früchte, die Gott von uns möchte - immer noch! Nun steht der Sohn vor der Tür. Der Erbe. Ihm gehört unser Leben. Es ist ihm vom Vater übereignet! Nun sagen wir es ihm ins Gesicht: Nein, mein Leben gehört allein mir, ich will jede Frucht daraus genießen, ich will nicht teilen, nicht ein bisschen will ich dir geben. Und der Sohn wird seinen Weinberg nicht gewaltsam an sich reißen - er wird uns lange sanft ansehen und wir werden's ihm noch einmal sagen müssen: Mein Leben gehört mir, es ist mein Weinberg, keine Frucht für dich! - Dann wird er gehen. Er wird noch an vielen Türen klopfen und viele werden ihn abweisen. Er wird seine Straße ziehen, den Kreuzweg hinauf nach Golgatha. Und du und ich und viele treiben ihn dort hinauf, alle, die ihm den Platz in seinem Eigentum verweigern, die ihm die Früchte, die ihm gehören vorenthalten, die ihm sein Erbe streitig machen. Und das Kreuz, an das man ihn oben schlägt, ist das Kreuz deiner und meiner Ichsucht, deiner und meiner Schuld. - Wir haben uns nicht gescheut!

"Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg. Was wird nun der Herr des Weinbergs tun?"

Liebe Gemeinde, ganz zu Ende ist diese Geschichte bis heute noch nicht, Gott sei Dank! Was auch immer schon geschehen ist, noch gibt Gott uns Zeit. Immer noch dürfen wir seinen Weinberg bewohnen, mit Turm, Zaun und Kelter aufs beste ausgestattet. Immer noch können wir Frucht bringen. Immer noch dürfen wir Gott geben, was ihm zusteht. Gott allein weiß, wie lange wir noch Zeit haben! AMEN