Predigt zum Sonntag "Invokavit" - 1.3.2009

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Liebe Gemeinde!

In jedem Gottesdienst beten wir: "... und führe uns nicht in Versuchung!" Woran denken wir eigentlich, wenn wir so sprechen? Was sind Versuchungen für uns?

Wenn ich im Kaufhaus mit einem 20-Euro-Schein bezahle und auf 50 herausbekomme, wenn's mir dann durch den Kopf schießt: Sag' ich was, oder behalte ich das Geld? Wo die Preise doch sowieso viel zu hoch sind ... und die Kassiererin ist ja auch versichert!" - Das ist eine Versuchung. Oder wenn ich gut verheiratet bin und eine fremde Frau, ein fremder Mann wirft mir eindeutige Blicke zu und macht mir schöne Augen ... Auch so kann Versuchung aussehen. Oder: Ich will am Sonntag eigentlich in die Kirche gehen, sie fängt aber ausgerechnet um 1/2 2 Uhr an ... und ich finde mich um diese Zeit auf dem Fußballplatz wieder - dann war das eine Versuchung und ich bin ihr erlegen. Ich glaube, die kleine Aufzählung reicht, auch wenn uns noch manches dergleichen einfällt. Immer geht es bei Versuchungen um eine Entscheidung. Wir müssen zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Die eine ist verlockend, aber unser Gewissen warnt uns davor. Die andere Möglichkeit hat zwar nicht so viel Reiz, aber wir fühlen, es wäre die richtige Wahl. Wenn wir einer Versuchung nachgegeben haben, ist's immer das Gleiche: Es war vielleicht schön im Augenblick, aber hinterher tut es uns leid. Wir ärgern uns über uns selbst, haben Gewissensbisse oder fühlen uns schuldig. Es wäre gut, wenn wir wüssten, wie wir mit Versuchungen umgehen können, wie wir mit ihnen fertig werden. - Auch Jesus ist versucht worden. Wir lesen davon bei Matthäus im 4. Kapitel:

Textlesung: Mt. 4, 1 - 11

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.

Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«

Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«

Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.«

Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel zu ihm und dienten ihm.

Das sind andere Versuchungen, als wir sie kennen, nicht wahr? Wer hätte je von uns verlangt, aus Steinen Brot zu machen oder von einer Tempelzinne zu springen? Jesus - ja - dem wäre das möglich gewesen, der hätte die Macht dazu gehabt. Aber es war der Teufel, der's von ihm verlangte, und so tat er's nicht. Er blieb standhaft. - Soll uns der Text das lehren: Auch Jesus wurde in Versuchung geführt, aber er wurde nicht schwach? Mehr als ein frommes Staunen könnte uns die Geschichte dann wohl kaum abgewinnen. Wir wollen wissen, was wir selbst mit den alltäglichen Versuchungen anfangen? Wie wir die besser bestehen. Die Vaterunserbitte: ... führe uns nicht in Versuchung ... geht ja auch weiter: ... erlöse uns von dem Bösen! Das ist's, danach suchen wir!

Was hilft uns in den vielen Verlockungen, die jeden Tag immer wieder an uns herantreten? Lassen Sie uns die Geschichte von Jesu Versuchung ein wenig genauer anschauen. Vielleicht kommen wir doch darin vor, vielleicht auch die Verführungen, mit denen wir uns so herumschlagen?
Zunächst fordert der Satan: Gebiete, dass diese Steine Brot werden. Jesus hat 40 Tage gefastet. Der Hunger quält ihn. Wir können uns vorstellen, wie verlockend das wäre: Endlich wieder essen, den leeren Magen füllen. Aber die Versuchung meint mehr als das: Du bist doch Gottes Sohn. Hast du das nötig, dich so zu quälen? Wenn Gott nichts für dich tut, wenn er dein Leben nicht erhält, dann tu doch selber etwas dafür! Schaff' dir Nahrung, dass du nicht zugrunde gehst. Sprich nur ein Wort und du hast Brot die Fülle, alles, was dein Herz begehrt. Nimm dein Leben in die eigenen Hände, mach' selbst was draus!

Kennen wir diese Versuchung nicht auch? Sorge selbst für dich. Sieh zu, dass du nicht zu kurz kommst. Jeder ist sich selbst der Nächste. Man muss sehen, wo man bleibt! Was du dir nimmst, kann die keiner mehr wegschnappen. Auf solchen Sätzen ist manche Karriere aufgebaut. Auch wir führen sie oft genug in Munde. So mühen wir uns ein Leben lang, aus Steinen Brot zu machen. Wir rackern uns ab, damit die Wirtschaft floriert und der Wohlstand steigt - auch unser eigener. Wir schaffen für das Eigenheim, den großen Flachbildfernseher und das neue Auto. Und die Werbeplakate und Anzeigen mahnen uns, was wir noch alles brauchen, damit wir in der Gesellschaft etwas wert sind und unser Leben gelingt. Nur zu gern fallen wir auf diese Verführungen herein!

Der Teufel nimmt Jesus mit nach Jerusalem und stellt ihn auf die Zinne des Tempels: Wirf dich hinab! Hat nicht Gott gesagt, er will mit dir sein, er will seine Engel senden? Du bist doch Gottes Sohn, hast du etwa Angst? Vertraust du nicht auf die Verheißung deines Vaters? Gott hat's versprochen, er muss dich vor Schaden bewahren. Spring hinab, er muss dir zu Willen sein. Oder ist dein Glaube so schwach, dass er dich nicht einmal von hier oben bis hinunter zum Erdboden trägt?
Ja, diese Versuchung hat's auf Jesu Glauben abgesehen - und auf unseren! Denn auch diese Einflüsterung ist uns nicht unbekannt! Du glaubst doch an Gott, dann kann er auch etwas für dich tun! Kaum haben wir Gott unser klitzekleines Vertrauen geschenkt, da fangen schon die Forderungen und die Klagen an: Du wolltest doch mit mir sein, warum hilfst du mir jetzt nicht? Ich hatte dir geglaubt und nun schickst du mir dieses Leid. Das geht bis zur handfesten Erpressung: Wenn es dich gibt, dann musst du mich jetzt herausreißen aus meiner Not. So machen wir unsere Geschäfte mit Gott. Wir bieten unseren Glauben an und wollen dafür Gottes Dienste erkaufen. Er soll uns zur Verfügung stehen. Nicht sein, unser Wille geschehe! Wann fragen wir einmal, was Gottes Plan mit uns ist, was er mit uns vorhat? Zu allem, was wir anfangen, erwarten wir seinen Segen. Er soll uns die Kraft geben, die wir brauchen. Von ihm fordern wir die Gesundheit, die wir nötig haben, um unsere eigenen Ziele zu verwirklichen.

Zuletzt geht's ums Ganze. Der Teufel, spricht: Bete mich an, ich will dir die Weltherrschaft geben! Siehst du die Pracht, die Herrlichkeit aller irdischen Reiche? Du kannst sie haben, alles kann dir gehören. Ich verlange nicht viel. Ein kleiner Kniefall genügt und ich mache dich zum mächtigsten Herrscher. Die Menschen werden dir zujubeln, nur deinem Wort werden sie gehorchen.

Macht haben, wer möchte das nicht? Wer hätte nicht gern Einfluss über die Mitmenschen. Etwas gelten in Leben, niemandem verantwortlich sein, keinen mehr über sich haben, davon träumen wir. Und Macht an sich ist doch nichts Schlechtes; es kommt immer darauf an, wie man damit umgeht! - Aber wie gehen Menschen damit um? Ist's nicht immer so: Da bekommt einer ein Pöstchen, schon plustert er sich auf, will mehr sein als die andern, übt Gewalt und unterdrückt die, denen er vorgesetzt ist. Das geht los beim kleinen Schulhausmeister, der die Kinder schikaniert und das gibt's in der großen Politik überall in der Welt, wo Tyrannen mit Mord und Folter die Herrschaft behaupten - auch wenn's einen Kniefall vor dem Satan kostet.

Wir sehen, so fremd, so unbekannt sind uns diese Versuchungen gar nicht. Wir haben alle unsere Erfahrungen damit. Und was noch überraschender ist: Diese Verführungen treten tagtäglich und überall auf uns zu, nicht in der Wüste und nicht in der Gestalt des Teufels. Die Versuchungen sind heute sozusagen gesellschaftsfähig. Die Maskerade mit Hörnern und Pferdefuß haben sie gar nicht nötig. Wir hören ihre Stimme aus unserem Innern, in der Werbung, in den Massenmedien und manchmal sogar aus dem Mund der Menschen, die wir lieben.

Liebe Gemeinde, auch das ist klar geworden: Es ist verlockend, diesen Versuchungen nachzugeben. Sie haben für uns alle einen prickelnden Reiz. Sie gaukeln uns Glück, Wohlstand, Macht über Gott und die Menschen vor. Aber sie halten nicht, was sie versprechen. Wenn wir uns ihren Verführungskünsten öffnen, merken wir bald, dass Versuchungen lügen! Unser Leben wird nicht reicher, nicht zufriedener. Wir bekommen nicht mehr Liebe und Anerkennung und fühlen uns nicht freier. Die Versuchung macht Sklaven aus uns, Knechte der eigenen Begierden und Wünsche.

Lassen Sie uns einmal auf das hören, was Jesus damals dem Satan entgegnet hat. Ich glaube, das kann uns eine Hilfe sein: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern vom Wort Gottes. Was rackern wir uns ab, was laufen wir dem Geld nach, häufen Vermögen und Besitz auf? Was haben wir wirklich davon. Ist unser Hunger nach Brot, nach Lebensunterhalt und Luxus denn alles, was uns wichtig ist? Bringen uns diese Dinge die Anerkennung, die Befriedigung, die wir suchen? Merken wir nicht, wie alles ins Gegenteil umschlägt? Wir wollen uns Ansehen verschaffen, mit dem, was wir leisten und was wir uns leisten können. Aber wir trennen uns damit von den Menschen, denen wir imponieren wollen, es zerstört die Gemeinschaft und erregt nur den Neid der andern. Wir wollen uns mit materiellen Dingen absichern, aber die Angst wird nur größer. Wie schrecklich der Gedanke, wir könnten verlieren, für was wir so geschuftet haben.

Gott spricht auch zu uns: Du bist mir lieb, ich will für dich sorgen. Durch mein Wort bist du zum Leben gekommen, ich habe dich so gemacht, wie du bist. Du hast Angehörige und Freunde, die dich lieben. Du bist gesund, du hast Fähigkeiten und Talente. Du bist einzigartig und wertvoll. Vertraue mir, lass dich von mir nicht trennen. Ich ernähre dich, ich gebe dir dein Brot - brauchst du denn mehr?

Du sollst Gott nicht versuchen! Damit verweigerte Jesus den Sprung von der Tempelzinne. Das ließ den Versucher verstummen. Das bringt auch uns zum Schweigen, wenn wir mit Gott "experimentieren" wollen: "Wenn es dich gibt, dann musst du mir helfen." Lassen wir Gott die Freiheit, die wir auch für uns beanspruchen! Zwingen wir ihm nicht unseren Willen auf. Hören wir lieber auf seinen! Er meint es gut mit uns. Wenn wir ihm ohne Bedingungen unser Vertrauen schenken, wird er uns nicht im Stich lassen. In diesem Vertrauen sind uns andere vorausgegangen und sie haben ihre Zuversicht in Worte gefasst: Eine feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen ... Wir würden das heute anders sagen, aber wir können mit diesem Gott die gleichen Erfahrungen machen. Glaube - es auf Gottes Wort hin wagen - ist alles, was dazu nötig ist.

Menschen, die auf Gott vertrauen, sind nun keine Leute, die selbst überhaupt nichts mehr anpacken, die sozusagen alles 'von oben' erwarten. Nein, sondern weil sie Gott auf ihrer Seite wissen, werden sie tätig. Es stört sie, dass auf unserer Welt vieles nicht den Zielen Gottes entspricht und so setzen sie sich nach Kräften ein. Sie helfen, wo Not ist, trösten, wo Angst herrscht und sorgen auf ihre Weise - oft ganz in der Stille - dafür, dass Gottes Reich auf Erden wächst, dass immer mehr Menschen etwas von Gottes gutem Willen über uns spüren.

Als der Teufel die Herrschaft über die Welt anbietet und die Anbetung verlangt, antwortet Jesus mit dem 1. Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihn allein dienen. Gewiss, auch wer Macht hat, kann sie im Sinne Gottes den Menschen zuliebe gebrauchen. Macht an sich ist nicht böse. Aber sie ist gefährlich. Sehen wir nach Zimbabwe, wo ein Mugabe auch mit 85 Jahren nicht von der Macht lassen will, die über 30 Jahre lang Angst, Unfreiheit und Tod über die Menschen gebracht hat. Und wir brauchen gar nicht bis nach Afrika gehen. Die Älteren unter Ihnen haben's ja noch am eigenen Leib erlebt, was geschehen kann, wenn der Rausch der Macht über die Menschen kommt: Gewalt, Krieg und Größenwahn sind das Gefolge der Herrschaft, die sich selbständig macht, die sich nicht vor Gott verantwortet. Denn ER ist der Herr auch über alle menschliche Macht. Der Teufel damals in der Wüste wusste, wo Gott der Herr ist, da hat er verspielt. Und so sucht er das Weite. Auch wo wir uns zu diesen Herrn bekennen, hat die Versuchung der Macht keine Chance mehr. Alle Macht, die Menschen in Händen haben, stammt von Gott. Er gibt sie uns. Ihm sind wir Rechenschaft schuldig, wie wir sie gebrauchen. Auch der meist kleine Einfluss, den wir so haben, lässt sich für unsere Mitmenschen - zum Guten - einsetzen. Wir können damit anderen Hilfe und Unterstützung sein.

Der Schluss der Geschichte ist auch eine Verheißung an uns: "Da verließ ihn der Teufel und Engel traten herzu und dienten ihm." Jesus hat die Versuchung bestanden. Gott spricht sein Ja zu ihm! Wie auch immer wir uns Engel vorstellen, was in diesem Bild ausgedrückt werden soll, ist wichtig und geht uns an: Gott ist bei denen, die den Versuchungen nicht nachgeben. Das gilt von den Versuchungen, von denen ich am Anfang sprach, genauso: Die Verlockung des Geldes, das nicht uns gehört ... die eindeutigen Blicke ... oder der Reiz des Fußballs zur Gottesdienstzeit ... Wer hier widersteht, dem entgeht eigentlich nichts. Er wird nicht ärmer, sondern reicher. Der kleine momentane Verzicht, der entgangene Spaß wird reichlich aufgewogen durch das, was wir gewinnen: Die Freiheit von der Sklaverei der Verführung, Herrschaft über uns selbst und die Freude, die denen, geschenkt wird, die allein, von Gottes Wort und dem Vertrauen zu ihm leben. AMEN