Predigt zum Ewigkeitssonntag - 24.11.2002

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Textlesung: 2. Petr. 3, (3 - 7) 8 - 13

Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, daß ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, daß jemand verloren werde, sondern daß jedermann zur Buße finde.

Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.

Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müßt ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden.

Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.

Liebe Gemeinde!

Besonders der letzte Satz hat mich bewegt und beschäftigt. Ich habe mich gefragt: Ist das wirklich so? Warten wir noch auf einen neuen Himmel? Haben wir das nicht längst aus den Augen, den Ohren und den Herzen verloren, daß noch etwas aussteht für uns, daß eine neue Erde kommen soll, daß es die Verheißung ewigen Lebens für uns gibt und eine Welt auf uns wartet, in der "Gerechtigkeit wohnt"?

Mit besonderem Bedacht habe ich darum die Liedverse ausgewählt, die wir eben gesungen haben (EG 405,1-4): "Halt im Gedächtnis Jesum Christ, der auf die Erden kommen ist, der für dich gelitten hat und gestorben ist, der auferstanden ist und in den Himmel aufgefahren, um dir eine Stätte zu bereiten.. ." Die Geschichte unserer Erlösung in vier Versen... Wir sollen sie im Gedächtnis halten! Wir sollen sie nie vergessen, sie ist das wichtigste - für den Christen... - Haben wir das in unseren Gedanken? Ist die Geschichte unseres Heils fest eingeprägt in unsere Erinnerung? Vergessen wir wohl nie, daß wir erlöste Menschen sind, daß uns nichts - aber auch gar nichts! - geschehen kann, was Gottes Verheißung über uns aufhalten könnte: "Den neuen Himmel und die neue Erde in denen Gerechtigkeit wohnt, die ewige, herrliche Zukunft - für uns! Denken wir wirklich immer daran?"

Ich denke an eine junge Frau, mit der ich neulich in einem Wartezimmer über den Glauben ins Gespräch gekommen bin: "So, sie sind gläubig? Ich kann bald an nichts mehr glauben", so sagte sie. "Ein Schlag nach dem anderen in unserer Familie: zuerst ein Unfall, dann verliert mein Mann seine Arbeit und jetzt ist das Kind noch krank geworden. Warum läßt Gott das alles zu? Ich fürchte, auch unsere Ehe hält die Belastungen bald nicht mehr aus!'' Was sagt man dazu? Es wird schon wieder? Kopf hoch, bald wird auch dir die Sonne wieder scheinen? Das riecht nach billigem Trost! - Aber müßte man nicht das ansprechen: Halt im Gedächtnis Jesum Christ...! Nicht mit diesen Worten vielleicht, aber diesen Gedanken: Du mußt jetzt gerade durch eine furchtbar harte Zeit, dir ist heute alles ganz dunkel, du weißt nicht, warum dir das alles geschickt wird, und du hast schon Angst, daß du unter den Belastungen bald zusammenbrechen wirst... Dennoch: Du gehörst zu den Leuten des Herrn Jesus Christus. Für dich ist er gestorben, für dich hat er sein Kreuz getragen, für dich ist er auferstanden, dir verspricht er eine Zukunft über diese Welt und alles Leid deines Lebens hinaus!

Und ich denke an so viele alte Menschen, die oft so grenzenlos einsam sind, die nicht mehr wissen, wofür sie noch da sind, die manchmal so gern aus einem Leben gehen würden, das ihnen doch nur noch Leid, Krankheit, Siechtum und Beschwerden aufbürdet. Ein Besuch in einem Altersheim (und es sind ja einige ganz in unserer Nähe!) könnte uns das Elend vieler alter Leute deutlich machen und zu Herzen gehen lassen! Welche Botschaft haben wir für diese alten Menschen? Ich weiß nur die eine, wenn sie schon keinen Menschen mehr haben: Halt im Gedächtnis Jesum Christ...! Denke an frühere Jahre, denke an alles, was du von diesem Herrn gelernt hast: Der Herr ist dein Hirte...er verläßt dich niemals! Ihr habt einen Gott, der da hilft...er hat euch nicht vergessen! Gott will dich führen, bis du alt und grau bist...auch im Alter bist du unter den Augen des Vaters im Himmel! - Und wie diese Worte alle sonst noch heißen. Das müssen wir ihnen sagen, den Alten, den Einsamen, die sich nutzlos fühlen: Auch dein altgewordenes Leben steht unter der Verheißung Gottes, denke jeden Tag daran: Um deinetwillen hat Jesus sein Leben gegeben, auf Golgatha steht auch das Zeichen deines Sieges über Kreuz und Tod, einmal wird alle Beschwerde einer herrlichen Freude weichen - und bis dahin trägt dein Herr mit an deinem Kreuz und ist in jeder deiner schweren Stunden an deiner Seite...und du spürst es doch auch! - Halt im Gedächtnis Jesum Christ...!

Und ich denke an uns alle, denn müssen wir uns das nicht alle sagen...sagen lassen: Halt im Gedächtnis Jesum Christ...? Es ist ja nicht schwer, wenn's uns gut geht, wenn wir im Glück sind, wenn alles läuft, wie geplant und gewünscht, an ihn zu denken, sich an alles, was er für uns Christen bedeutet, zu erinnern. Mit unseren guten, frohen Erfahrungen können wir den Herrn Christus sehr gut zusammenbringen. Unser Glück reimt sich auf ihn. Aber wenn's für uns schwer wird, wenn wir den Weg nicht mehr verstehen, den wir geführt werden, wenn wir nicht mehr wissen, wie' s noch weitergehen soll, wenn die Zukunft schwarz scheint, verläßt uns dann nicht die Erinnerung? Starren wir dann nicht auf unser Leid und unser Unglück und verzagen, geben nichts mehr auf den Herrn Jesus Christus und seine Macht über Hölle, Krankheit und Tod?! Bewährt sich unser Glaube aber nicht erst dann, ''wenn die bösen Tage kommen"? Wird unser Bekenntnis zu diesem Herrn nicht erst in schwerer Zeit wahrhaftig und glaubwürdig? Was gehört schon dazu, Jesus meinen Herrn zu nennen, wenn ich mein Leben froh und glücklich, in vollen Zügen genießen darf? Wie aber ist es, wenn Schatten sich über mein Glück legen. Wie werde ich mich bewähren, wenn die notvollen, düsteren Stunden anbrechen? Halt im Gedächtnis Jesum Christ... Wer wird es dann noch können?

Liebe Gemeinde, heute ist Ewigkeitssonntag, wir erinnern uns heute an alle unsere Verstorbenen, die der letzten Zeit und an alle, die früher, vor einigen Jahren oder schon vor längerer Zeit unser Leben geteilt haben. Ist denn irgendetwas von dem vergessen, was sie uns waren? Denken wir doch nur an einen der lieben Menschen, die wir verloren haben, an den Mann, die Frau, den Vater, den Sohn, die Tochter, die Mutter... Ist auch nur eine der fürsorglichen Taten vergessen, die wir diesem Menschen verdanken? Gäbe es wohl eine Eigenschaft, die unseren Verstorbenen unverwechselbar gemacht hat, die wir nicht mehr in unserer Erinnerung hätten? Halten wir nicht immer noch die Feste und Jubiläen, die sich mit ihnen verbinden? Sein Geburtstag! Der Tag, an dem sie konfirmiert wurde, meine Hochzeit mit ihm! Wie stark sind wir doch noch mit all diesen verstorbenen Menschen verwoben! Es mögen drei oder 40 Jahre seit ihrem Tod vergangen sein, die Gedanken sind noch frisch und deutlich: So war er, das mochte sie so gut leiden, dorthin sind wir beide immer so gern gegangen... Und die Pflege ihrer Gräber...sind sie nicht der Ausdruck eben dieser frischen Erinnerung: Nichts von euch haben wir Lebenden vergessen! Ihr seid zwar aus unseren Augen, aber nicht aus unserem Herzen und unserem Sinn. Wir bewahren euer Gedächtnis...bis zum Ende unserer eigenen Tage, bis wir selbst dort sind, wo wir euch geborgen wissen. Nein, keiner muß uns das empfehlen, uns dazu auffordern: Halt im Gedächtnis deinen Mann, deine Mutter, deinen Sohn, deinen Bruder... Auch und gerade wenn die kummervollen Tage kommen, die Jahrestage des Abschieds von ihnen, die Gedenktage ihrer Beerdigung und besonders ihres Todes... Wir können ja gar nicht anders, als an sie denken, unsere geliebten Verstorbenen und an alles, was sie uns gewesen sind! Ihr Andenken bei uns ist so fest wie der Stein auf ihrem Grab und die Erinnerung so frisch wie die Blumen, die wir ihnen in diesen Tagen an ihre Ruhestätte bringen. -

Warum ist unser Gedächtnis an sie so stark, so unverlierbar? Liebe Gemeinde, es ist ganz einfach: Weil wir mit ihnen gelebt haben! Es gab Zeiten - so schöne Zeiten! - da waren sie uns täglich nah, da waren sie bei uns in guten und schweren Stunden. Darin - vor allem! - liegt die Stärke der Erinnerung und die Dauer unseres Gedächtnis' an sie: Wir haben mit ihnen gelebt!

Halt im Gedächtnis Jesum Christ...! Warum müssen wir dazu aufgefordert werden? Warum wird uns das so dringlich angeraten? Würden wir ihn wohl vergessen - weil wir nicht mit ihm leben? Einen Herrn unseres Lebens, mit dem wir täglich umgehen, den wir jeden Tag zu uns sprechen lassen, vor den wir all unsere Sorgen und Nöte im Gebet bringen - den würden wir wohl kaum aus unseren Gedanken verlieren! Halt im Gedächtnis Jesum Christ...heißt das nun nicht für uns: Denke jeden Tag einmal an deinen Herrn, der für dich in die Welt gekommen ist. Denke daran, daß er für dich gelitten hat und gestorben ist, täglich! Erinnere dich jeden Morgen neu daran, daß er den Tod für dich besiegt hat - ein für alle mal -, daß er auferstanden ist und drüben in Gottes Ewigkeit eine Stätte für dich bereithält. Halt im Gedächtnis Jesum Christ! Du mußt täglich mit ihm und den Gedanken an ihn umgehen - dann wirst du ihn und die Erinnerung an alles, was er für dich ist, nicht verlieren, auch nicht in schwerer Zeit!
Wie viel Friede senkt sich doch - bei aller Traurigkeit - dadurch in unser Herz, daß wir unseren Verstorbenen in unseren Gedanken und in unserer Erinnerung nah sind. Wieviel Trost liegt doch für uns darin, daß wir sie bei Gott geborgen und ewig daheim wissen.

Wieviel Zuversicht wird uns wohl dadurch geschenkt werden, daß wir uns täglich neu sagen und immer wieder ins Gedächtnis rufen: Diese Welt ist nur etwas Vorläufiges und nicht unsere letzte Heimat. Es steht noch etwas aus: Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. Das hat uns Gott selbst verheißen und seine Verheißung ist fest und verläßlich.