Predigt zu Trinitatis - 26.5.2002

[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Textlesung: 2. Kor. 13, 11 (12) 13

Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, laßt euch zurechtbringen, laßt euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuß. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!

 

Liebe Gemeinde, so ein bißchen meint man bei diesen Worten doch, der Gottesdienst wäre schon zu Ende: Zuletzt, liebe Brüder... Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn sei mit euch allen! Dabei sind wir doch noch mittendrin! Und das gleich im doppelten Sinn: Einmal mitten im Gottesdienst, dann aber auch in der Mitte der Gemeinde und der Gemeinschaft, die wir miteinander haben. - Wie ich das meine?

Nun, das sind so gute Wünsche, die Paulus uns hier sagt: Daß wir uns freuen sollen, uns zurechtbringen und mahnen lassen, einen gemeinsamen Sinn haben und Frieden halten... An all dem haben wir doch großen Mangel, ja, manchmal fehlen uns diese guten Dinge ganz. Aber ich will deutlicher werden:

Freuen sollen wir uns... Nehmen wir nur diesen Tag heute, der noch nicht allzu alt ist. Haben wir uns heute schon gefreut? Wenn sie jetzt nachdenken müssen, haben sie schon geantwortet! Das hätten sie nämlich nicht vergessen, wenn sie heute schon ehrliche Freude empfunden haben.

Dabei gibt es so viel, worüber wir uns nicht nur freuen könnten, sondern sogar glücklich und sehr dankbar sein müßten! Worüber denn, fragen sie? - Ich denke da an unsere Gesundheit, die doch bei allen Beschwerden, die wir auch tragen müssen, noch leidlich ist und immerhin so, daß wir heute morgen haben aufstehen können, uns ankleiden und hierherkommen konnten, auf unseren eigenen Beinen... Vielleicht auch hatten wir beim Frühstück heute morgen schon ein gutes Gespräch mit einem lieben Menschen aus unserer Familie, vielleicht mit unserem Ehepartner, den wir (noch) bei uns und liebhaben dürfen. Ist das nicht auch etwas zum Freuen? Und daß unser Tisch heute morgen schon gedeckt war, wir zu essen hatten und uns aus einem gut gefüllten Kleiderschrank etwas zum Anziehen aussuchen konnten... Ist das keine Freude? Ach, ich könnte noch so viel nennen, was wir wahrscheinlich mehr oder weniger gedankenlos hingenommen haben an diesem Morgen, was aber eigentlich gar nicht so selbstverständlich ist, wenn wir es einmal wirklich wieder sehen und mit wachen Sinnen wahrnehmen: Das Haus, die Wohnung, die Möbel, die vielen Geräte, die uns das Leben erleichtern oder uns Unterhaltung bieten, das Auto und mancher Luxus... Doch, wir müßten uns wirklich freuen, aber wir tun es meist nicht! Darum wollen wir uns das zu Herzen nehmen: ...liebe Brüder, freut euch... Auch wenn wir Schwestern sind!

Und so geht das weiter: ...laßt euch zurechtbringen, laßt euch mahnen... Auch damit haben wir unsere Schwierigkeiten! Es mag ja noch angehen, wenn sie hier hin und wieder eine ernstere Predigt hören müssen. An Karfreitag oder am Buß- und Bettag will man das ja schon einmal hinnehmen! Der Verkündiger des Wortes Gottes darf schon hin und wieder auch mahnen und den Finger heben. Aber wann sonst? Und wer sonst? Am Ende gar die Mitchristinnen und Mitchristen?

Irgendwie scheint Paulus eine andere Gemeinde vor Augen zu haben, als wir sie meist sind! Damals dürfte niemand Anstoß genommen haben, wenn er vom "Zurechtbringen" und vom "Mahnen" spricht. Und warum denn auch? Alle waren sie doch Christen in der Gemeinde Jesu! Alle gleich geliebt von ihrem Herrn, alle gleichen Ranges und gleichen Werts für die Gemeinschaft. Und "Zurechtbringen" war doch nichts Böses! Im Gegenteil. Man half einem Bruder, einer Schwester in Christus wieder auf den rechten Weg. Und einander zu mahnen, war genau so gut gemeint: Alle hatten schließlich mit Versuchungen und ihren überzogenen Wünschen zu schaffen, alle waren immer wieder in der Gefahr, ihre Zeit mit nichtigem Kram, mit schlechten Taten oder Gedanken zu vertun. Warum soll denn da nicht einer dem anderen helfen, indem er ihm sagt, wo das hinführen kann, wenn er nicht aufpaßt, nicht stehenbleibt, nicht aufhört und umkehrt! Und warum soll das heute denn in der Gemeinde der Christen nicht mehr gut sein, wenn ein Bruder oder eine Schwester im Glauben einen oder eine andere aufmerksam macht, wo er oder sie in der Gefahr steht, die Spur Jesu zu verlassen oder wo er oder sie das vielleicht schon getan hat. - Und das steht beileibe nicht nur dem Pfarrer, der Pfarrerin oder denen zu, die auf der Kanzel das Wort Gottes verkündigen sollen! Wir haben alle denselben Herrn und sind seine und untereinander Geschwister. Wenn wir das nicht vergessen und uns nicht hochmütig und dünkelhaft verhalten, dann dürfen wir uns - ohne zu verletzen - wirklich alles sagen! Und ich meine, es wäre eine schlechte Sache, wenn wir auch in der christlichen Gemeinde dem Geist dieser Zeit recht geben und immer gern so sprechen: "Mein Glaube ist doch meine Privatangelegenheit!" - "Wie es drinnen aussieht bei mir, das geht keinen was an!" Viel, was die Kälte dieser Zeit und die Einsamkeit so mancher Menschen heute ausmacht, kommt gerade von daher: Daß wir uns selbst von einander abschotten. Daß wir uns nicht hineinsehen lassen wollen in unser Herz. Darum leben die Menschen dann auch nur noch nebeneinander und nicht miteinander. Darum entsteht so viel Ferne unter uns, darum wissen wir auch so wenig vom anderen und können uns nicht gegenseitig stützen und uns helfen. Liebe Gemeinde, so mag das "in der Welt" sein, aber nicht zwischen uns! Wir sind für einander gemacht. Wir sind einer an den anderen gewiesen. Niemand kann nur für sich leben. Wir brauchen einander. "Keiner kann allein Segen sich bewahren...", werden wir nachher singen (EG 170,2). Und das ist wahr! Wir sind eine Gemeinde, wir sind Christen, Brüder und Schwestern.

Schließlich rät uns Paulus noch dies: ...habt einerlei Sinn, haltet Frieden! Ich glaube nicht, daß er hier meint, wir sollten nun alle gleich denken, wir hätten alle dieselben Aufträge und die gleichen Aufgaben! Nein, jeder soll tun, was er kann, woran er Freude hat, was die Gemeinschaft fördert, was allen guttut und gerade seine, gerade ihre Gabe ist. Das Bild vom Leib und seinen Gliedern haben wir immerhin auch von Paulus vor Augen gestellt bekommen. Aber einen Sinn soll alles ganz gewiß haben, ein Ziel, dem wir alle gemeinsam dienen. - Was könnte das sein?

Auch hierbei kann ich nur an die Gemeinde denken und was deren Ziel ist, das wissen wir alle: Eine Zuflucht sein in dieser Zeit, eine Hilfe, recht zu leben und eben Sinn zu finden, Freude und die Aufgaben, die ich erfüllen kann und die anderen weiterhelfen und ihr Leben reicher machen. Und wie von selbst kommt aus einem solchen Leben in und für die Gemeinschaft auch der Frieden, der hier angesprochen ist: Frieden untereinander, Frieden aber auch mit Gott und schließlich der Friede, der sich in unserem Herzen ausbreitet, uns ruhig, fröhlich, zufrieden und ganz gelassen macht.

Und noch eine weitere Verheißung schenkt uns Paulus: So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Das werden wir wirklich spüren! Das wird unsere Freude vollkommen machen. So wird unsere Gemeinschaft rund und die Gemeinde zu einem Ort, an dem wir uns wohlfühlen und wo wir gerne sind.

Was der Apostel weiter sagt, mag uns ja doch wieder ein wenig fremd sein: Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuß. Dazu dürfen wir auch stehen: Der "Bruder"- oder sagen wir besser, der "Geschwisterkuß" ist uns in der christlichen Gemeinde im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, wenigstens in unserer etwas ernsten, nicht so gefühlsbetonten evangelischen Konfession. Aber grüßen... Das können wir einander doch allemal! Und da denke ich nun nicht an das Kopfnicken von einer Straßenseite auf die andere, wenn wir uns begegnen. Warum nicht auch den Handschlag wiederentdecken, der zumindest den Älteren und denen unter uns, die einmal in der ehemaligen DDR gewohnt haben, sehr vertraut ist. Es ist einfach etwas anderes, wenn wir einander nicht nur ein gutes Wort sagen, sondern uns auch - wenigstens mit den Händen - berühren. Wenn das Wort zwischen alle Menschen gehört, so gehört die Berührung unter die Geschwister.

Schließlich endet Paulus seine guten Wünsche mit dem besten, was ein Christ einem anderen geben kann, dem Segen unseres Herrn Jesus Christus: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Und wir wollen hier gar nicht mehr weiter nachdenken und an diesem Segenswunsch herumklügeln... Wir wollen ihn nehmen als das, was er ist und was er bei uns dadurch wird, daß wir ihn mit einem offenen, einem gläubigen und empfänglichen Herzen aufnehmen: Eine gute Kraft, die uns beseelt und zum persönlichen Leben und zum Leben in unserer Christengemeinde hilft! Und wir wollen antworten: Ja, Herr Jesus, schenke uns deine Gnade, deine Liebe und deine Gemeinschaft. Amen.