Predigt am Sonntag "Jubilate" - 21.4.2002

[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Textlesung: Apg. 17, 22 - 28a (28b - 34)

Paulus aber stand mitten auf dem Areopag und sprach: Ihr Männer von Athen, ich sehe, daß ihr die Götter in allen Stücken sehr verehrt. Ich bin umhergegangen und habe eure Heiligtümer angesehen und fand einen Altar, auf dem stand geschrieben: Dem unbekannten Gott. Nun verkündige ich euch, was ihr unwissend verehrt. Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch läßt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.

Liebe Gemeinde!

Wir evangelische Christen sind besonders darin geübt, darauf zu achten, was einer sagt. Wir fragen nach dem Sinn, dem Inhalt einer Rede oder einer Predigt. Aber lassen sie uns heute einmal anders herangehen, wenn wir die Ansprache des Paulus an die Männer von Athen hören und betrachten.
Wie geschickt bereitet der Apostel doch hier die Predigt des Evangeliums vor. "Ich bin durch eure Stadt gegangen und habt, mir eure heiligen Stätten angesehen. Ich habe gemerkt, daß ihr die Götter hoch verehrt." Wir hören nicht die leiseste Rüge: Wie kann man nur so verblendet sein, Götzen anzubeten! Ohne jeden Vorwurf: Ihr Griechen habt die falsche Religion! Paulus bestellt erst den Boden, in den er die frohe Botschaft säen will. Ganz behutsam leitet er seine Zuhörer zur Erkenntnis der Wahrheit: Ich habe einen Altar entdeckt mit der Inschrift: Für den unbekannten Gott. Diesen Gott, den ihr verehrt, ohne ihn zu kennen, will ich euch jetzt bekanntmachen. Viel Fingerspitzengefühl beweist dieser Prediger. Er versteht es, bei denen anzuknüpfen, die er überzeugen will. Das gewinnt ihm die Menschen.

Sie merken, es geht mir - bei der Besprechung dieses Textes - einmal nicht um den Inhalt, um das, was gesagt wird, sondern um das wie! Und wir wollen das einmal ausweiten auf alle Worte, Ansprachen, Predigten, Reden in denen heute die gute Sache Gottes verkündigt wird - und nicht nur von PfarrerInnen und Predigern, sondern von uns allen: Wie müssen wir heute die gute Nachricht von Jesus Christus verbreiten, daß sie von den Menschen aufgenommen werden kann?
Wie wichtig diese Frage ist, zeigt die Überlegung, die wohl keiner bestreiten mag: Die Botschaft von der Liebe Gottes, der die Sünder annimmt, der uns hier ein gutes Leben schenken will und dort ein ewiges, diese Botschaft ist doch wohl die schönste, die wichtigste und erfreulichste Sache, die es überhaupt gibt. Doch wie wenige sind es, die sich davon überwinden und begeistern lassen - so daß man es ihrem Leben auch ansehen kann!

Nachdem ich nun gelesen habe, wie Paulus seine Predigt an die Athener gestaltet hat, glaube ich: Es liegt viel daran, wie wir das machen. Ganz deutlich ausgedrückt: Wir können der Wirkung des Evangeliums mit der Art und Weise unserer Verkündigung im Wege stehen. Und noch deutlicher: Die beste Botschaft dringt nicht in die Herzen der Menschen, wenn wir's falsch anfangen.

Schauen wir zuerst einmal nach den sogenannten "Profis": Was habe ich in Predigten und Ansprachen doch schon alles hören müssen! Und sicher erinnern sich auch viele von ihnen an manchen gründlich mißglückten Versuch eines berufsmäßigen "Verkündigers des Evangeliums", ihr Herz zu erreichen: Da hieß es vielleicht: Wir seien "wie die Tiere", ja sogar "wie das Vieh", weil wir nicht wie "rechte Christen" vor jedem Essen beten. (*) Das hat uns dann nicht befreit und schon gar nicht für die frohe Botschaft geöffnet (- abgesehen davon, daß es gewiß noch andere Unterschiede zwischen Mensch und Tier gibt, als daß der Mensch beten kann und das Vieh nicht!). Wir mußten uns als "Elende", als "Menschen auf dem falschen Weg" bezeichnen lassen (**), weil wir im Evangelium nichts davon lesen, daß Christen "bekehrt" und "wiedergeboren" sein müßten. Da haben uns dann die weiteren Worte des Predigers auch nicht mehr frohmachen und aufbauen können. Denn alles, was uns bisher heilig war, woran wir uns bis dahin gehalten haben, ist ja angeblich nichts wert, ist nicht genug, ist nur Dreck und wird uns - nach Meinung des Mannes, der da gepredigt hat - nicht vor der Verdammung retten können. Ach, und auch bei weniger evangelikal ausgerichteten Pfarrern und Predigern muß man sich so manches anhören, was einem sagen soll: Du hast den falschen Glauben, dir fehlt das Entscheidende, du gefällst Gott nicht, so wie du bist. Alle diese Aussagen, die uns ja nicht befreien und frohmachen, uns vielmehr nur weh tun, begehen ein und denselben Fehler: Sie knüpfen nicht behutsam bei den Menschen an, sie öffnen die Herzen nicht vorsichtig für die Botschaft Gottes, sondern sie verletzen, sie schließen vielleicht schon geöffnete Türen, sie zerstören die Bereitschaft, das Evangelium aufzunehmen. Dabei will ich einmal zugestehen, es ist das Evangelium, was da eigentlich gepredigt werden soll. Aber es kann nicht durchdringen. Ungeschicklichkeit und oft Verbohrtheit und Fanatismus der Verkündiger machen, daß die gute Botschaft ins Leere stößt und nicht gehört werden kann.

Noch etwas anderes ist dieser Art der Verkündigung eigen: Sie ist nicht fähig, die Menschen zunächst einmal so zu nehmen, wie sie halt sind. Nein, wir werden mit versteckten oder auch ganz deutlichen Vorwürfen konfrontiert: Wenn du nicht so und so bist und glaubst, liegst du falsch, bist du verdammenswürdig und gehörst nicht auf die Seite der Erwählten. Denken wir an mein Beispiel von eben: Wenn du nicht vor jedem Essen betest, bist du ein Tier, ein Vieh (- auch wenn du morgens und abends für Speis und Trank, für Kleidung, Wohnung und alles andere dankst, hilft dir das nicht!) Da gilt kein Mensch - vor allem andern! - als einer, für den Christus gestorben ist. Da hat niemand schon einmal seine Würde darin, daß Gott ihn doch lieb hat. Da wird nicht gesehen, warum einer so und so denkt und glaubt und warum er vielleicht nicht vor den Essen beten kann..., daß er's ja vielleicht gern täte, aber (noch) nicht fertigbringt, worüber er selbst traurig ist und woran er ja auch arbeiten will... Alles, was gesehen wird und was man den Menschen dann vorwirft ist nur: Du betest nicht - also bist du ein Tier, ein Stück Vieh.

Wie ganz anders Paulus: "Ihr Männer von Athen! Ich habe wohl gemerkt, daß ihr die Götter hoch verehrt." Welch ein Entgegenkommen spürt man in diesen Worten! Und die "Männer von Athen" sind Heiden, nicht Christen wie wir, die doch wenigstens schon einmal den Vater Jesu Christi anbeten! Paulus wirbt um die Menschen, er öffnet erst einmal behutsam die Herzen dieser Männer, damit dann Gottes frohe Botschaft einziehen kann. Er läßt sich auf sie ein, er will sie verstehen - aber nein, das ist ja alles noch viel zu schwach! - er begegnet ihnen mit Liebe, das ist es! Er geht davon aus: Gott hat mich zu diesem Volk von Heiden gesandt, also muß Gott an diesen Leuten liegen, ja, er hat sie lieb! Wie soll denn da Paulus, der doch nicht Vollstrecker eines Urteils ist, sondern Gottes Botschafter, diese Menschen nicht auch liebhaben!?

Liebe Gemeinde, sie spüren es: Mich hat die Art des Paulus, wie sie hier zutage tritt, tief beeindruckt. Sie hat mir persönlich einen neuen Anstoß dazu gegeben, nicht nur das "Was" meiner Predigt in den Mittelpunkt zu stellen, sondern wieder einmal mehr darüber nachzudenken, wie wir von Jesus Christus predigen und reden sollen. Ich möchte dazu von Paulus lernen, daß ich zuerst allen Menschen in Liebe entgegenkomme, mögen es Ungläubige oder Andersgläubige sein. Ich werde das können, wenn ich mir klarmache, daß die anderen - genau so wie ich - Gottes geliebte Menschen sind, für die er - genau wie für mich - seinen Sohn hat sterben lassen. Ich möchte von Paulus lernen, daß auch die, die Gott nicht kennen und sogar, die ihn ablehnen, meinen Respekt verdienen: Auch sie haben ihre Würde als Menschen, die Gott geschaffen hat und zu denen mich Gott gesandt hat, um sie für ihn zu gewinnen. Und ich möchte von Paulus lernen, daß ich behutsam mit den Herzen und Gefühlen von Menschen umgehe, auch wenn sie anders denken und glauben als ich. Woher weiß ich denn auch, daß gerade ich im Besitz der Wahrheit bin und die andern nicht???

Dabei möchte ich daran anknüpfen, wie die Menschen um mich herum und mir gegenüber nun einmal sind: eben auch schuldige, schwache, angefochtene und treulose Leute, wie ich es bin. Sicher wird es mir helfen, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, die Schwächen sehe, die ich habe und die Fehler eingestehe, die ich täglich mache. Ich bin gewiß, daß einer solchen Verkündigung mehr 'Erfolg' beschieden sein wird, als einer, die den Menschen, wie er ist, nicht achtet, seinen bisherigen Glauben - und damit einen wichtigen Teil seines Lebens! - nicht würdigt und ihm erbarmungslos und ohne Liebe sein (angebliches!) Heil predigt.

Übrigens: Das war heute keine Predigt allein für PfarrerInnen und sonstige professionelle Verkündiger! Was hier für Verkündigung und Predigt am Pult oder auf der Kanzel gesagt wurde, gilt nicht anders für alle Formen des Umgangs, in denen wir unseren Mitmenschen begegnen. Alles, was wir tun und wie wir handeln verkündigt unseren Gott. Alles, was wir reden, predigt den Herrn, an den wir glauben. Dabei ist nicht allein entscheidend, was wir sagen, sondern auch wie wir es tun.

_____________________________________

(*) Konkretes Beispiel aus einer Ansprache durch einen Prediger der landeskirchlichen Gemeinschaft an die Trauergemeinde und die Hinterbliebenen eines Verstorbenen. - Vielleicht durch ein eigenes Beispiel zu ersetzen?

(**) Konkrete Erfahrung bei der Predigt eines „Volksmissionars" bei einer Zeltmission in einer oberhessischen Stadt. - Vielleicht durch ein eigenes Beispiel zu ersetzen?