Predigt am Sonntag "Judika" - 17.3.2002

[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel] [Liturgieentwurf zur akt. Predigt]

Textlesung: Hebr. 13, 12 - 14

Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So laßt uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Liebe Gemeinde!

Neulich habe ich in der Zeitung gelesen, es fiele den jungen Menschen dieser Zeit immer schwerer, einen Zugang zu ihrer Kirche zu finden. Sie nehmen weniger als früher am Gemeindeleben teil - einmal von der Konfirmation und der Zeit davor abgesehen - und sie besuchen auch immer seltener einen Gottesdienst. Wenn das stimmt - und wir wollen und können es nicht bezweifeln, daß es stimmt - dann führen uns die Worte aus dem Hebräerbrief ein Lehrstückchen vor, warum das so sein mag. Denn ich glaube fest, das hat nicht nur damit zu tun, daß die Kirchen, die Pfarrerinnen und Pfarrer und die sonst in der Gemeinde Tätigen die Jugendlichen nicht mehr so ansprechen können, das liegt auch an der frohen Botschaft selbst: Was sie sagt und wie sie es sagt - in dieser Zeit.

Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. Liebe Gemeinde, ganz deutlich gesprochen: Das will heute keiner hören, schon gar kein junger Mensch: Leiden, mit eigenem Blut, für andere... Ja, wenn es hieße: Jesus hat dafür gesorgt, daß die Menschen ein schönes, kurzweiliges Leben genießen können, daß alle genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und Arbeit haben. Aber das: ...damit er das Volk heilige... Wer kann sich darunter auch nur etwas vorstellen?

Und das geht ja so weiter: So laßt uns nun zu ihm hinausgehen aus dem Lager und seine Schmach tragen. Wer wird denn so etwas wollen - wenn er das Wort überhaupt versteht: "Schmach"...also Schande, Leiden und Schmerz?

Und das letzte stimmt einfach nicht, nicht nur für die Jungen, auch für uns Erwachsene: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Wir suchen meist diese Welt und ihre Freude. Wir haben uns in ihr gut eingerichtet, jedenfalls so gut es halt geht, und nach der zukünftigen Welt steht uns nicht der Sinn, heute doch noch nicht!

Und trotzdem, das bleibt die biblische Botschaft für heute. Und wir können sie nicht anders sagen, als sie nun einmal in der Heiligen Schrift steht. Und ich glaube fest, wenn wir uns ein wenig bemühen, wenn wir bereit sind, hinter diese schwer verständlichen Worte und Gedanken zu sehen und zu hören, dann wird auch in ihnen für uns ein Sinn aufgehen und wir spüren, daß sie mit unserem Leben zu tun haben - und nicht nur die Erwachsenen. Lassen sie es uns versuchen:

Jesus hat, damit er das Volk heilige durch sein Blut, gelitten draußen vor dem Tor... Das ist das erste, der Grund unseres Glaubens, der feste Boden, auf dem wir Christen stehen: Christus hat für uns gelitten. Er ist für uns gestorben, damit wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt. Gewiß: viele Zeitgenossen sagen heute, sie würden das nicht mehr verstehen, warum einer für andere leiden muß, warum Gott ein Opfer verlangt, ja, ob wir denn wirklich irgendwelche Sünden auf uns geladen hätten, die einer bezahlen müßte? Aber ich glaube, wir stehen alle einmal in Lebensstationen, da spüren wir: Hier komme ich alleine nicht mehr raus. Jetzt bin ich so verstrickt in Lügen oder die Folgen meiner Eigensucht - da muß ein anderer heraushelfen. Vielleicht geraten wir auch an den Punkt unseres Weges, an dem die Frage nach dem Sinn dieser 60, 70 oder 80 Lebensjahre so drängend wird, daß wir sie einfach nicht mehr zum Schweigen bringen können. Das wird auch immer eine Station unserer Lebensreise sein, an der uns deutlich wird, daß wir auch schuldhaft das sind, was wir sind. Wenn wir den Ruf Gottes endlich hören, wenn wir endlich merken, daß wir es viel zu lange allein machen wollten, dann wird es uns auch bewußt, wie oft wir uns die Ohren zugehalten haben, uns abgewandt und zweifelhaften anderen Dingen zugewandt haben. Dann wird es uns klar: Wir brauchen einen, der alles gut macht, was nicht gut war und gut ist an uns. Christus ist dieser eine. Er gibt sich selbst in den Tod - und löst uns aus. Wir sind frei durch ihn. Das ist das erste an diesen schwierigen Versen.

Und hier ist das zweite: Laßt uns nun hinausgehen zu ihm und seine Schmach tragen! Das zweite, wie gesagt. Es kommt immer erst dann in Frage, wenn schon der Grund gelegt ist, wenn der Glaube in einem Herzen entstanden ist. Wir können nicht hinausgehen, seine Schmach tragen, um vor Gott recht und angenehm zu werden. Wir können überhaupt nichts tun für unser Ansehen bei Gott. Es ist schon alles getan. Ob uns das nun paßt oder nicht. Viele Menschen unserer Tage bemühen sich ja auch in religiösen Dingen - um die moralische Besserung, um größere Frömmigkeit, um tiefere Andacht und häufigeres Beten... Sie sagen: Das wird doch sicher Eindruck auf Gott machen, wenn ich Christi Opfer noch ein wenig eigene Mühe hinzusetze! Oft sagen sie's auch nicht, aber sie denken es. Und wir fragen jetzt vielleicht: Was soll denn daran falsch oder gar schlecht sein? So laßt uns nun hinausgehen zu Jesus... Das bleibt das zweite! Wir können nur hören und annehmen, daß Gott uns immer zuvorkommt! Christus ist für uns gestorben - darum sind wir Gott recht. Jetzt können wir dankbaren Herzens hinausgehen und die Schmach unseres Herrn mit-tragen! Und die Leute, die ihm gehören, werden zu ihm gehen! In seiner Nähe nämlich finden wir die Aufgaben, für die wir gebraucht werden und für die es sich zu leben lohnt. Ihm, Jesus Christus, haben wir zu danken, wenn uns Gott vergibt und das Leben schenkt.

Und dies ist das dritte: Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Hier wird sozusagen der Horizont, der Ausblick unseres Glaubens sichtbar: Wenn wir zum Glauben an Jesus Christus gefunden haben, wenn wir zu ihm hinausgegangen sind, um mit ihm das Leben und den Kampf zu bestehen, dann sollen wir nicht vergessen: Es steht noch etwas aus! Ja, nicht nur "etwas", das Eigentliche steht aus: die ewige Stadt. Und das ist nicht nur in diesem Wort das dritte, das gehört auch an diese dritte Stelle: Denn die bleibende, ewige Welt Gottes ist nicht der Grund, warum wir uns auf die Sache Christi einlassen. Uns wird nicht dieser Lohn verheißen - und wir lassen uns nun davon angespornt herbei, an Gott zu glauben und seinen Willen zu tun. So nicht, nicht in dieser Reihenfolge! Wie eine Zutat zum Wichtigsten kommt das daher, wie ein weiteres gütiges Geschenk zu dem viel größeren: Vor Gott gerecht und geliebt zu sein durch Christus. Das genügt Gott aber nicht. Er will noch und noch hinzutun: Nicht nur meine Liebe sollt ihr haben; ich schenke euch auch noch eine ewige Heimat, Hausrecht in meiner Nähe - für immer! Und das ist nun schon gar nicht zu verdienen! Vielmehr wird's hinzugelegt zum Opfer Christi am Kreuz. Wer ihn gläubig annimmt, wer ihn als seine einzige Chance im Leben und im Sterben ergreift, der hat das ganze, ewige Leben dazu. Und noch etwas liegt in diesem dritten Gedanken: Wir haben hier keine bleibende Stadt... Vielleicht haben wir das ja zuzeiten nötig, daß uns einer auch einmal anstößt: "Du, vergiß nicht, diese Welt, dein Haus, dein Hab' und Gut bleibt nicht. Es vergeht alles und du nimmst nichts mit. Darum denk' an die zukünftige Welt Gottes und lebe und arbeite und beziehe deine Kraft von daher!" Denn es ist wohl ein anderes Leben, das weiß, ich muß mich nicht so schinden und abrackern, ich bin begnadet bei Gott! Das macht wohl einen Unterschied, ob ich nun alles haben und halten muß, oder ob ich großzügig und gütig aus der Fülle geben kann, die mir Gott schenkt. Und wer hin und wieder erinnert wird: Wir haben hier keine bleibende Stadt..., der wird mit Freude erfüllt, wo er ohne diese Aussicht vielleicht verzweifeln müßte.

Liebe Gemeinde, das bleiben schwierige Gedanken und ich kann es schon verstehen, wenn die Menschen dieser Zeit sie nicht gleich begreifen - besonders wenn sie noch ganz jung sind. Aber sie bleiben auch die Botschaft der Heiligen Schrift an uns, und nicht irgendwelche Worte und Gedanken. Wenn wir sie - in Hochachtung vor dem Wort Gottes, das sich in ihnen ausdrückt - darum nicht zeitgemäß verändern und unseren heutigen Wünschen und Interessen anpassen dürfen, dann bleibt eigentlich nur ein einziger Weg, mit diesen Worten umzugehen: Wir müssen uns um sie bemühen! Wir müssen ihnen auf den Grund gehen und sie in ihrer Tiefe verstehen wollen.

Ich glaube fest, dieses Mühen um Gottes Wort können wir keinem Menschen ersparen, auch den jungen nicht, selbst dann, wenn sie es - weil sie diese Mühe nicht mehr so aufbringen wollen oder können - vielleicht wirklich immer schwerer haben, einen Zugang zu ihrer Kirche und ihrem Gottesdienst zu finden.
Ich glaube nicht, daß es die Kirche oder die Prediger lernen müssen, das Wort Gottes so zu verbiegen, bis es den heutigen Menschen richtig schön eingeht. Ich glaube vielmehr, daß die Menschen dieser Tage es wieder lernen müssen, die frohe Botschaft so intensiv zu hören und um ihren Sinn zu ringen, bis er ihr Herz erreichen kann. - Und man kann diese Worte verstehen, wenn man sich bemüht - auch heute noch:

2. Lesung: Hebr. 13, 12 - 14