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Predigt zum 1. So. n. Epiph. - 13.1.2002

Textlesung: Jes. 42, 1- 9

Siehe, das ist mein Knecht - ich halte ihn - und mein Auserwählter, an dem meine Seele Wohlgefallen hat. Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.

Er wird nicht schreien noch rufen, und seine Stimme wird man nicht hören auf den Gassen.

Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen. In Treue trägt er das Recht hinaus.

Er selbst wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen, bis er auf Erden das Recht aufrichte; und die Inseln warten auf seine Weisung.

So spricht Gott, der HERR, der die Himmel schafft und ausbreitet, der die Erde macht und ihr Gewächs, der dem Volk auf ihr den Odem gibt und den Geist denen, die auf ihr gehen: Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, daß du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.

Ich, der HERR, das ist mein Name, ich will meine Ehre keinem andern geben noch meinen Ruhm den Götzen.

Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.

Liebe Gemeinde!

Wenn wir es nicht wissen, so ahnen wir es doch: Diese Verse sind - seit Christen das Alte Testament lesen - immer als Hinweis auf Jesus Christus verstanden worden. Er ist der "Auserwählte", an dem Gott Wohlgefallen hat. Ihm hat Gott seinen Geist gegeben. Er bringt das Heil und das Recht unter die Menschen. Von ihm sagt der Prophet: Er wird nicht verlöschen und nicht zerbrechen - so wie es dann an Ostern auch gekommen ist. Ja, von Jesus Christus wird hier gesprochen. Und doch haben diese Worte auch schon zur Zeit des Jesaja - lange bevor Jesus geboren war - für Israel gegolten. Und sie gelten bis heute - für alle Menschen, jedenfalls für jene, die an den Gott glauben, den uns Jesus als unseren Vater bekanntgemacht hat.

Aber ist das nicht ein wenig viel des Anspruchs und der Aufgabe? Siehe, das ist mein Knecht und mein Auserwählter... Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, daß du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.

Für viele Menschen ist das kein Wort, das für sie gilt. Nein, da sind sie nicht gemeint! Sie würden sich niemals als von Gott auserwählt ansehen. Und die Aufträge, Licht der Heiden zu sein, Blinden die Augen zu öffnen und Gefangene zu befreien... Das hängt ihnen nun wirklich zu hoch. So geht aus ihrem Leben meist wenig Frucht auf.

Es gibt aber auch solche, die nehmen sich das ganz anders zu Herzen. Sie bemühen sich in dieser Welt mit christlichem Reden und Handeln Zeichen zu setzen. Und es gelingt ihnen wirklich Erstaunliches! Ein Mensch, für den sie sich stark machen, gewinnt durch sie neuen Lebensmut. Ein anderer wird durch sie der Gemeinschaft zurückgeschenkt, von der er sich jahrelang zurückgezogen hat. Ein dritter lernt zu lachen und auch die schönen Dinge der Welt zu sehen. So kann ihr Leben reiche Früchte tragen.

Die einen also entziehen sich diesem Wort Gottes: Ich, der HERR, habe dich gerufen... Die anderen stellen sich zu ihrem Auftrag. Beide sind Christen. Beide haben Glauben an Gott. Und doch sieht man dem einen an, daß er es ernst nimmt, von Gott erwählt zu sein, beim anderen hat das keine Folgen, ja, er lehnt Gottes Aufgabe und Wahl ab. - Was macht den Unterschied?

Liebe Gemeinde, die Antwort ist einfach. Ihr zu entsprechen scheint schwierig. Ich glaube, alles liegt daran, was wir wichtiger nehmen: Gottes Wort oder unsere Einschätzung von uns selbst. Und es geht darum, daß wir uns auch wirklich von seinem Wort - über die Jahrtausende hinweg - angesprochen wissen.

Häufig ist es dann aber so, daß wir dem Wort Gottes seine persönliche Geltung für uns absprechen. Würden wir davon reden, dann hörte sich das vielleicht so an: "Der Barmherzige Samariter hat sich gewiß richtig verhalten. So sollen Christen ihre Nächsten lieben! - Nun bin ich ja aber kein Samariter. Und außerdem konnte Jesus, der diese Geschichte vor 2000 Jahren erzählt hat, ja noch gar nicht wissen, was für unmögliche Leute heute an meinem Lebensweg liegen. Die meisten davon sind wahrhaftig nicht meine Nächsten und unter die Räuber gefallen sind sie auch nicht! Sie haben sich ihr Elend selbst zuzuschreiben. Da kann ich doch nichts dran ändern!"

Oder sie sagen das: "Wie Jesus mit den Schwachen und Außenseitern der damaligen Gesellschaft umgegangen ist, war wirklich vorbildlich! Aber nur für die Menschen damals. Heute ist die Gesellschaft ganz anders. Wer nicht mit den Wölfen heult, wird untergehen. Du mußt dich auf die Hinterfüße stellen und durchsetzen, es schenkt dir keiner was."

Und zu diesem Wort Gottes: Siehe, das ist mein Knecht und mein Auserwählter..., würden sie vielleicht so sprechen: "Da sind vielleicht Pfarrerinnen und Pfarrer oder andere Leute, die in der Kirche oder der Diakonie angestellt sind, gemeint! Was kann ich in der Firma, in der ich arbeite, schon für Gottes Sache ausrichten? Und in meiner Freizeit? So viel Kontakt mit Menschen habe ich ja gar nicht!"

Aber es gibt eben auch die anderen: Für die ist die Geschichte vom Samariter so aktuell, als hätte sie Jesus eben für sie erzählt! Und es ist ihnen auch ganz gleich, ob der Verwundete vor zwei Jahrtausenden an der Straße von Jericho nach Jerusalem liegt oder in unserer Zeit genau vor ihren Füßen. Und sie können auch seine blutenden Wunden übertragen in Verletzungen der Menschen unserer Tage, die man äußerlich nicht sehen kann: Seelische Not, Zukunftsangst, Schwermut, Einsamkeit oder das Gefühl, niemandem wichtig zu sein. Und sie sehen diese Menschen und gehen hin zu ihnen. Und sie fragen nicht danach, wer denn schuld daran ist, daß sie so geschlagen, verwundet und belastet sind. Und sie reden ihnen auch nicht ein, daß alles doch gar nicht so schlimm wäre und speisen sie nicht ab mit einem schnellen: "Kopf hoch, das wird schon wieder." Nein, sie hören sich ihre Geschichte an, nehmen sich Zeit und nehmen die Menschen ernst in ihrer Not.

Und Jesu Umgang mit den Menschen ist damals wie heute gültiges Vorbild für sie. Wo wären denn die Schwachen unserer Gesellschaft anders als die vor 2000 Jahren? Nur weil sie andere Kleider tragen? Nur weil es heute eine Fürsorge gibt und eine Sozialhilfe? Außenseiter sind sie genau so. Am Rande der Gesellschaft leben sie immer noch. Und ihre Hoffnungslosigkeit quält und lähmt sie nicht anders als ihre Schwestern und Brüder, denen Jesus damals sein Herz aufgeschlossen hat. Und es gibt eben auch heute die Menschen, die sich durch Jesus an die Elenden und Schwachen, die Behinderten, Kranken und die Randsiedler unserer Städte und Dörfer gewiesen sehen.

Und schließlich hören diese Menschen auch diese Worte anders: Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit... Da ist nicht Jesus allein gemeint und auch nicht irgend jemand in Israel in fernen Tagen. Nein, mich hat Gott gerufen! Mich will er zu seinem Dienst haben. Und er kennt Aufgaben für mich, die nur und gerade ich erfüllen kann. Und darum lassen sich diese Menschen rufen, greifen zu, wo ihre Hand gebraucht wird, schenken denen Zeit, die sich etwas von der Seele reden müssen, erheben auch einmal ihre Stimme für einen, der in Angst verstummt ist und erzählen denen, die traurig und mutlos sind von ihren Erfahrungen mir Gott. Und wenn sie selbst an den Punkt kommen, wo ihre Kraft nicht mehr ausreicht, da falten sie die Hände und beten für die, denen sie aus eigenem Vermögen nicht mehr helfen können.

Liebe Gemeinde, das alles ist damit aber nicht zu Ende! Eine solche Haltung zu Gottes Wort und Sache erschöpft sich nicht im Dienen und sich für andere einsetzen. Es liegt auch ein wunderbarer Lohn darin und eine Freude, die uns für alle Mühe reichlich entschädigt. Und auch hier dürfen wir Gottes Wort ernst und als für uns gesprochen nehmen: Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit... und siehe, du bist mein Knecht - ich halte dich! Gott wird mit uns sein. Er wird uns die Kraft geben, die wir brauchen und die Liebe und die guten Ideen, unserer Aufgabe treu zu bleiben. Wir werden spüren, daß wir Auserwählte sind, an denen Gott Wohlgefallen hat. Wir werden es immer wieder erfahren, was Gott damit meint: Ich habe ihm meinen Geist gegeben; er wird das Recht unter die Heiden bringen.

Und schließlich werden uns sogar solche Worte vertraut werden und nicht fremd bleiben, als sprächen sie zu anderen Menschen in anderen Zeiten: Ich, der HERR, habe dich gerufen in Gerechtigkeit und halte dich bei der Hand und behüte dich und mache dich zum Bund für das Volk, zum Licht der Heiden, daß du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und, die da sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker.

Wenn wir es wirklich wollen, dann werden wir es erleben! Hören wir doch, was Gottes Wort uns verheißt: Siehe, was ich früher verkündigt habe, ist gekommen. So verkündige ich auch Neues; ehe denn es aufgeht, lasse ich's euch hören.