[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel]

Predigt zum 3. Advent - 16.12.2001

Textlesung: Offb. 3, 1 - 6

Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde!

Sieben Geister, sieben Engel, ein Dieb in der Nacht, besudelte und weiße Kleider, Buch des Lebens... Mit wem sprechen diese Bilder? Wer kann sie verstehen? - Aber - müssen wir sie alle begreifen, diese Bilder? Es gibt eine Wahrheit hinter den Worten. Es ist ja doch ein Seher, ein Prophet Gottes, der uns hier Bilder vor Augen malt. Es gibt eine Oberfläche in seinen Worten und eine Tiefe. Die Oberfläche sind die sieben Engel und die weißen Kleider... In der Tiefe liegt die Botschaft, der Sinn, die Weisung an uns. Aber was ist diese Tiefe?

Wenn wir es in diesen Vorweihnachtstagen auch fast vergessen, ja, vielleicht verdrängt haben, wir sind gerade in einer Bußzeit. Ähnlich wie vor Ostern die Passionswochen, so sind die Adventstage eine Zeit der Vorbereitung, der Besinnung und hoffentlich auch der Umkehr und Veränderung. Damit haben ja auch die Bräuche und Symbole dieser Adventswochen zu tun: Jeden Sonntag zünden wir eine Kerze mehr am Adventskranz an. Auch die Lichterketten und -pyramiden in unseren Fenstern, vor unserem Haus und im Garten wollen uns daran erinnern, daß wir jetzt durch eine Zeit des Dunkels zum großen strahlenden Weihnachtslicht unterwegs sind. Auch ist jetzt Plätzchenzeit; wir versüßen uns damit die Tage des Wartens, entfachen und nähren die Vorfreude, damit die Freude der Weihnacht dann um so heller leuchten kann. Ähnlich wie die Bilder des Sehers Johannes, verstehen wir das alles auch nicht immer mit unserem Kopf. Aber dennoch weisen uns Adventskranz und Kerzen, Lichterketten und Plätzchen auf den Hintergrund, in die Tiefe dieser Zeit. Und die heißt im Advent: "Wir gehen auf Weihnachten zu!" - "An Heiligabend wird das große Wunder wahr: Gott wird Mensch, dir Mensch zugute!" - "Darum: Bereite dem Herrn den Weg!"

Und genau so gibt es den Hintergrund der Bilder des Propheten, der heißt in seiner Sprache: "Werde wach!" - "Tue Buße!" - "Überwinde!" - "Wer Ohren hat, der höre!" - Aber was könnte uns das sagen? Und vor allem: Wie sollen wir diesen Worten folgen?

Ich mußte zuerst daran denken, wie sehr diese Zeit - beileibe nicht nur die Adventswochen! - doch davon ausgeht, die Liebe z.B., die Gemeinschaft in der Familie (und im Dorf) und noch so manches mehr, ja, unser ganzes Leben müßte leicht sein, ohne Probleme und Schwierigkeiten. Und auch als Christinnen und Christen erwarten wir doch eigentlich, daß der Glaube uns hilft und trägt und keine großen Aufgaben stellt oder sich gar mit Zweifel und Anfechtung herumschlagen muß. Der Seher Johannes aber spricht uns so an: Werde wach! - als schliefen wir. Tue Buße! - als hätten wir Umkehr nötig! Überwinde! - als gingen wir sonst gern den Weg des geringsten Widerstands. Wer Ohren hat, der höre! - als wären wir verstockt und kreisten nur um uns selbst. - Haben wir solche Worte nötig? Müssen wir uns das sagen lassen?

Ich habe neulich einen alten Menschen so sprechen hören: "Das Leben ist nicht mehr schön!" Liegt da nicht eigentlich die Erwartung darin, daß so ein Leben schön, bunt und froh zu sein hätte? Und das doch nicht nur in Hoch- oder Festzeiten des Lebens! - Gewiß, es wird auch anders gesprochen: "Das Leben ist ein Kampf!" - "Es wird dir nichts geschenkt!" - "Jeder ist seines Glückes Schmied!" Aber wenn wir ganz ehrlich sind, dann müssen wir doch sagen, es ärgert, ja, es empört uns fast, wenn unsere Zeit in dieser Welt dann wirklich überwiegend oder gar nur noch Kampf ist und Sorge, Mühe, Trübsal und Entbehrung. Aber gehen wir wirklich einmal in die Tiefe - in diesem Fall, die Tiefe der Heiligen Schrift - und fangen wir gleich vorne an. So sagt Gott zu Adam - nach dem Sündenfall: "Mit Mühsal sollst du dich von deinem Acker nähren dein Leben lang. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist." Und denken wir an Mose, der ein störrisches Volk 40 Jahre lang durch die Wüste führt - und am Ende stirbt er dann, ohne das verheißene Land betreten zu haben. Von Jesus mögen wir in diesem Zusammenhang ja nicht so gern sprechen, das war ja nun einmal seine besondere Aufgabe, ein kurzes, schweres Leben zu haben, für uns zu leiden und zu sterben... Aber reden wir von den Jüngern: Die meisten von ihnen hatten in der Nachfolge ihres (unseres!) Herrn ein sehr karges, hartes Leben. Und am Ende sind viele von ihnen einem gewaltsamen Tod zum Opfer gefallen. Und wenn wir noch weiter in der Bibel suchen würden, dann fänden wir nur wenige, ich denke überhaupt keine Menschen aus der Geschichte Gottes mit uns, deren Leben nur leicht, nur schön und voller Freude und Glück gewesen wäre.

Aber trotzdem hängen wir doch an diesem Wunsch: Schön soll es sein, das Leben, bunt und voll, leicht, glücklich und erfüllt. Ob die Umkehr, die der Seher Johannes meint, nicht hier ansetzen müßte?

Nein, ich will ihnen jetzt nicht die Freude am Leben verderben. Ich will nicht jede glückliche Stunde, die sie haben, mit ernsten Worten vergällen. Und schon gar nicht möchte ich die guten Gefühle und die schönen Erinnerungen, die in dieser Zeit vielleicht angesichts von Adventskranz und Lichterketten in uns aufsteigen, im Keim ersticken. Was ich will - und was wohl auch der Seher Johannes will - ist dies: Uns dahin führen, daß wir auch das Leid, auch das Schwere, auch die Widerstände, Sorgen und Schwierigkeiten unserer Tage nicht länger als Pannen oder Irrtümer des Schicksals, nicht mehr als Fehler in Gottes Plan ansehen, sondern als Gottes Schickungen, die es zu meistern und als gute Führungen, die es anzunehmen gilt.

Liebe Gemeinde, ja, das sind sehr tiefe Gedanken! Aber in der Tiefe sind sie auch ganz klar, deutlich und verständlich: Tue Buße! - Nimm auch wahr, was bei dir nicht so ist, wie es sein soll. Geh endlich auch die dunklen Züge deines Wesens an! Sieh deine Sünde, deine Schuld, das Böse, das von dir ausgeht... Und kehre um! Arbeite daran, daß es anders wird mit dir. Verändere dich zum Guten, laß dich von Gott verändern, daß du immer mehr dem ähnlich wirst, wie er dich gemeint hat. Überwinde! - Schau alles, was dir geschieht, auch als Möglichkeit an, zu wachsen! Wenn es nicht so läuft, wie du dir das wünschst, dann liegt darin auch immer eine Chance: Gott will vielleicht etwas ganz anderes von dir, als du willst und meinst. Und was er will, mag viel besser für dich sein! Am Ende wirst du ihm vielleicht danken und dich freuen, daß nicht dein Wille, sondern seiner geschehen ist!? Du weißt es doch: Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade. Er kann noch aus dem größten Leid Freude werden lassen. Tränen verwandelt er in Lachen - und keiner hätte es am Anfang gedacht. Wer Ohren hat, der höre! - Werde aufmerksamer für die leisen Winke, die Gott dir mit deinem Schicksal gibt. Da vollzieht sich kein blindes Geschick! Alles hat einen Sinn, SEINEN Sinn! Du hast doch Ohren - so laß dir auch von Gott etwas sagen! Du hast doch Glauben - dann vertraue auch darauf, daß er dich führen will und richtig führt! Und höre auch auf deine Nächsten, was sie von dir erbitten, was sie hoffen und brauchen. Du bist nicht nur für dich selbst geschaffen, sondern für andere, für die Mitmenschen, für die Gemeinschaft.

Liebe Gemeinde, so werden sie wahr, die Bilder des Johannes: So werden wir "wach und können das andre stärken, das sterben will", so "denken wir daran, wie wir empfangen und gehört haben, so halten wir es fest und tun Buße", so sind wir bereit, wenn ER "kommen wird wie ein Dieb in der Nacht". So besudeln wir nicht unsere Kleider, vielmehr überwinden wir und werden mit weißen Kleidern angetan und unser Name wird nicht ausgetilgt aus dem Buch des Lebens.

Laßt uns in dieser Zeit der Vorbereitung Buße tun, laßt uns überwinden, daß unser Herr unseren Namen bekennt vor unserem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!