[Predigten, Texte, Gedichte...] [Buch mit 365 Gedichten] [Diskussionsforum zur Kirchenreform] [Mein Klingelbeutel]

Predigt zum 2. Advent - 9.12.2001

Liebe Gemeinde!

Sicher wissen sie das: Adventszeit ist Bußzeit! Darum wollen wir uns heute den harten Worten aussetzen, die uns zum Predigttext vorgeschlagen sind. Es sind Worte aus der Offenbarung des Joh., einem Prophetentext voller Bilder und Rätsel:

Textlesung: Offb. 3, 7 - 13

Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf: Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind's nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, daß ich dich geliebt habe. Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme! Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Ich sage ihnen ganz offen, die Versuchung war heute groß, mit diesen dunklen Worten, Dunkles zu predigen. Die Bilder, die uns vor Augen geführt werden, die Rätselworte, die wir hören, sprechen ja nicht gleich mit uns. Alles ist ganz unklar und voller Geheimnisse. Wir können deuten und übertragen; ich könnte auslegen und in unsere Zeit übersetzen - gerade so, wie ich wollte und wie es mir in meine Gedanken paßt. Und da paßte einiges aus diesen Worten! Ich wollte z.B. gern über die reden, die abgefallen sind vom Glauben, die nicht mehr "halten, was sie hatten", die das Wort nicht "bewahrt haben", die "aus der Synagoge des Satans" stammen, die keine "Geduld haben" und den "Namen Jesu täglich verleugnen" und der Versuchung der Welt längst erlegen sind und für die - wie es hier heißt - die Tür verschlossen ist, und keiner kann sie aufschließen... So zu reden, ist aber nicht mein, nicht unser Auftrag als Christen. Wir sind ja nicht da, um über Menschen zu urteilen oder zu richten, sondern sie zu rufen und ihnen eine frohe Botschaft zu verkündigen. Gericht und Urteil dürfen wir dem überlassen, der sagt: "Siehe, ich komme bald!"

Lassen wir also die "frohen", die "frohmachenden" Gedanken dieser Verse auf uns wirken. Für mich ist dies der wichtigste: Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

Liebe Gemeinde, jetzt, da ich sie hier sitzen sehe, spüre ich, wie nötig sie doch einen solchen Zuspruch haben: Ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen... Diese Tür, das ist unser Glaube! In allem, was uns täglich den Mut nehmen will, bei allen Sorgen und Ängsten, die uns bewegen und zu Boden ziehen - dort ist eine Tür! Wir glauben an Jesus Christus. Wir haben nicht den Tod vor uns und das Vergessen - wir gehen einmal ins Leben! Und schon heute ist die Tür wenigstens einen Spaltbreit geöffnet. Ein Licht fällt herein von Gottes Licht, ein Glanz bricht hindurch, aus Gottes neuer Welt.

Das kann uns jeden Tag helfen, wenn wir uns fragen, wo denn der Sinn sein soll bei allem, was wir tragen und leiden müssen. Die Tür ist offen. Am Ende des Lebens treten wir ins Licht. Jesus hat die Tür gezeigt und geöffnet. Nichts wird sie uns versperren. Niemand kann sie uns wieder verschließen. Wir können ganz getrost durch unsere Tage gehen, am Ende werfen wir alle Last von uns und gehen hinaus ins Weite und werden schauen, was wir nicht erträumen konnten. ...denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

Ja, unsere Kraft ist klein! Aber sie genügt und wird genügen! Gott will gar keine Übermenschen. Er hat die Schwachen lieb. Zu ihnen hat sich Jesus immer gehalten. Ihnen hat er die Güte Gottes zugesagt. Mit ihnen setzt er sich an den Tisch und ihnen wäscht er die Füße. Und schon von Anfang an hält er sich zu diesen: In eine Krippe legt er sich in einem zugigen Stall. Arme Leute sind seine Eltern. Hirten und Sterndeuter sind die ersten Gäste, schwache Menschen, hilflos und verachtet. - Wenn wir uns manchmal genau so fühlen, sind wir ihm ganz nah.

Woher kommt es, daß wir an seiner Hand leben dürfen? Nicht durch unser Verdienst. Das zählt nicht vor dem, was er für uns getan hat. Aber das ist es: Du hast mein Wort bewahrt! Wo so viele den großen Versprechungen dieser Zeit aufgesessen sind, haben wir uns an seine Verheißung gehalten. Wo die große Masse auf die Einflüsterungen der Medien und der Werbung hört, sind wir den leisen aber wahren Worten Gottes gefolgt. Wo immer mehr Menschen der Sache Gottes den Rücken kehren, haben wir uns nur um so fester an ihn geklammert. -

Aber ganz deutlich: Wir haben denen nicht geglaubt, die uns weißmachen wollten, wir Menschen könnten unser Leben schon selbst machen und der Sinn läge in möglichst viel Geld, Besitz, Karriere und Macht. Wir haben dagegen auf die Worte der Liebe vertraut: Wenn ihr aufeinander achtet und einander liebt, wie ich euch alle liebe, dann habt ihr den Sinn des Lebens gefunden.

Und wir haben denen nicht geglaubt, die uns einreden wollten, nur die jungen, erfolgreichen, dynamischen Leute wären auf der Seite des Glücks und nur solch ein Leben sei lohnend. Wir haben die wesentlichen Erfahrungen mit den anderen gemacht: Den Tragenden und denen am Rande, den Beladenen und Mühseligen. Und auch in unseren eigenen Lasten lag ja mehr als die Bürde, die wir nur zu gern abschütteln wollten. Gerade in den dunklen Zeiten haben wir um so deutlicher gefühlt, daß noch einer mit uns trägt!

Schließlich sind wir auch in den Tagen des Glücks treu bei Gottes Sache geblieben. Wir haben nicht, wie so viele, denen es gut (zu gut?) geht, gemeint: Wofür brauche ich denn einen Gott? Und in Zeiten der Not und der Sorge haben wir unseren Glauben nicht weggeworfen wie so viele andere, die Gottes Prüfungen und Schickungen nicht annehmen können, wenn sie ihnen nicht passen und nicht gefallen.

Darum heißt es mit Recht von uns: ...und du hast meinen Namen nicht verleugnet! Wenn wir uns Christen nennen, dann machen wir unserem Herrn keine Schande damit, wie so viele Menschen unserer Tage, die gar nicht mehr wissen, was das eigentlich bedeutet und von ihnen verlangt. Uns ist es auch nicht peinlich, danach gefragt zu werden, ob wir denn Christen heißen, und wir lassen auch täglich sehen, hören und fühlen, daß wir den Namen zurecht tragen. Darum haben wir auch all das Laute, das Grelle nicht nötig, mit dem diese Zeit notdürftig zu verschleiern sucht, daß hinter der bunten, schreienden Fassade nichts mehr ist, absolut nichts. Wir brauchen keine Beteuerungen, daß wir aber doch noch einen "Herrgott" über uns kennen - man sieht's uns an unserem Handeln ab! Wir brauchen auch in diesen Adventstagen keine schrill-farbigen Lichterketten an den Bäumen vor der Tür und in den Fensterrahmen unserer Häuser - das Licht und die Wärme in unseren Herzen und unseren Taten spricht wahrhaftiger von unserer inneren Einstellung. Wir legen endlich auch mit unseren Worten und Werken ein glaubhaftes Zeugnis dafür ab, wie der Herr heißt, an den wir glauben und auf dessen Zukunft wir hoffen. Wir verweisen dazu nicht auf unser "ev" auf der Steuerkarte oder auf die Tatsache, daß wir doch einmal konfirmiert worden sind.

Liebe Gemeinde!

Das ist nicht wenig, wenn wir für uns ehrlich und ohne zu Beschönigen auch nur diesen einen Vers gelten lassen können. Wenn das für uns stimmt, dann haben wir das Leben hier und ewig gewonnen. Dann dürfen wir auch heute getrost und froh von hier weggehen: "Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet."