Predigt zum 7. Sonntag nach Trinitatis - 4.8.2019

Liebe Gemeinde!

Heute ist eine der bekanntesten Geschichten der Bibel "dran". Solche Geschichten hören wir besonders gern. Sie sind uns vertraut. Wir fühlen uns in ihnen zu Hause, sie machen uns weniger Mühe, dass wir sie verstehen... Auf der anderen Seite aber gibt es auch eine große Gefahr: Gerade weil wir solche Texte so gut kennen, geraten unsere Gedanken leicht immer wieder in die selben Bahnen. Wir achten dann vielleicht nicht mehr so gut auf die Feinheiten, hören nicht auf das, was auch an den vertrautesten Geschichten neu und überraschend sein kann. Aber hören wir zuerst einmal auf die Worte der Bibel, wie wir sie bei Lukas, im 9. Kapitel lesen:

Textlesung: Lk. 9, 10 - 17

Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich, und er zog sich mit ihnen allein in die Stadt zurück, die heißt Betsaida. Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, damit sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier in der Wüste. Er aber sprach zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für alle diese Leute Essen kaufen. Denn es waren etwa fünftausend Mann. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich setzen in Gruppen zu je fünfzig. Und sie taten das und ließen alle sich setzen. Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie dem Volk austeilten. Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was sie an Brocken übrigließen, zwölf Körbe voll.

Was bleibt von dieser Geschichte immer wieder bei uns hängen? Was nehmen wir von ihr mit?

Sicher eine Freude, dass Jesus die Menschen heilt und satt macht. Gewiss auch ein Staunen darüber, was unser Herr doch alles kann: Fünftausend Menschen mit so wenigem speisen. Und schließlich geht auch der Gedanke mit uns, dass Jesus Wunder tun konnte, dass er ein ganz besonderer Mensch war, eben der Sohn Gottes.

Und damit sind wir wohl sonst immer von dieser Speisungsgeschichte weggegangen. Wir sind zu uns selbst zurückgekehrt, ohne ihren Bezug zu uns und unserem Leben zu erkennen. Die Geschichte hat uns nicht länger begleitet, nicht verändert, nicht angespornt. Sie hatte keine Wirkung bei uns, keine nachhaltige jedenfalls.

Ich glaube aber, jede biblische Geschichte will uns verwandeln! Ihre Bilder wollen uns ein Ziel vor Augen stellen, uns zum Nachdenken anregen, uns neu machen und so, wie es dem Wesen Jesu Christi entspricht und damit ein wenig mehr so, wie Gott uns gemeint hat. Ein hoher Anspruch, nicht wahr? Aber wo könnte der Ansporn dieser Geschichte von der Speisung liegen? Worin sollen wir Jesus gleich werden? Können wir denn sogar Wunder tun?

Haben wir dieses kleine Wort Jesu bemerkt: "Gebt ihr ihnen zu essen!" Ich glaube, hier liegt die Mitte dieser Geschichte, hier kommt sie uns besonders nah, hier will ein Auftrag mit uns gehen! - Denken wir dem noch eine Weile nach. Tragen wir dieses Wort einmal in unser Leben, unseren Alltag ein:

Wo wir noch kleinere Kinder haben oder Jugendliche in der Familie oder in unserer Nähe, da haben wir doch schon oft gedacht: Ob die jungen Leute wohl auch einmal Glauben an Gott finden werden? Vielleicht gehen sie ja in den Kindergottesdienst, die Konfirmandenstunde oder haben einen guten Religionsunterricht. Aber ob das genügt? Das haben wir ja schon manchmal empfunden, dass alle diese Dinge, dieses Lernen mit dem Kopf, der Unterricht in Glaubensangelegenheiten, das Herz nicht erreichen kann. Das Beten im Gottesdienst der Kinder muss nicht die Tiefe der Seele anrühren. Die Konfirmandenzeit bringt nicht unbedingt "gläubige" junge Menschen hervor. Und "Religion" in der Schule kann eben wirklich nur ein "Unterricht" sein, das heißt, Information über den Glauben, über die Bibel, die Geschichte der Kirche vielleicht. Aber der Glaube selbst wird da gewiss nicht vermittelt und schon gar nicht geübt und vertieft. Wir wissen es ja auch: Glaube ist und bleibt immer das Geschenk Gottes!

Trotzdem: Wir können auch etwas für den Glauben tun, in diesem Fall für die jungen Leute in unserer Nähe, unsere Kinder, die Enkel, die Jugendlichen in der Verwandtschaft. "Gebt ihr ihnen zu essen", sagt Jesus! Was ist da gemeint? Ich denke, das könnte uns wieder einmal vor Augen und Herzen führen, wie wichtig doch unser Vorbild ist! Der Kindergottesdienst in unserer Gemeinde ist sicher schon viel - mehr aber ist es, wenn wir den Kindern unser Beispiel geben, mit ihnen über das sprechen, was sie gehört haben, sie einmal danach fragen und vielleicht auch durch unseren eigenen treuen Kirchgang zeigen, dass uns die Sache Gottes wirklich wichtig ist. Wir können auch die Geschichten der Bibel ansprechen und vielleicht einmal unsere Lieblingsgeschichte erzählen. Wir können mit den Kindern bei einer geeigneten Gelegenheit auch über die ernsteren Lebensfragen reden: Warum Menschen sterben müssen? Warum es das Leid in der Welt gibt. Wie das mit dem Beten ist und warum sich nicht alles erfüllt, was wir erbitten. Ich kenne eine Frau, die hat, als ihr Enkelkind in die Schule kam und zweimal die Woche bei ihr Mittag gegessen hat, extra ein Andachtsbuch für Kinder gekauft. Aus diesem Buch liest sie dem Kind nun immer vor dem Essen einen Abschnitt vor. Das Enkelkind hat große Freude daran und wartet sehnlich darauf, die schönen Geschichten dieses Buchs bald selbst lesen zu können.

Und wenn wir Konfirmanden in der Familie haben, dann will uns das auch ein Ansporn sein: "Gebt ihr ihnen zu essen"! Es ist ja doch nicht genug, dass sie eine Stunde in der Woche zum Unterricht gehen. Der Pfarrer, die Pfarrerin kann auch nur vom Glauben sprechen, von den Festen der Kirche, vom Gottesdienst und von Martin Luther z.B. Dass der Glaube die Herzen entfacht, das kann kein Vertreter der Kirche machen. Im Gegenteil: Wir Leute von der Kirche stehen ja von vornherein im Verdacht, wir müssten von Berufs wegen von diesen Dingen reden. So sind wir immer viel weniger "glaubhaft" als jeder andere, zumal als die Eltern oder Großeltern, mit denen die jungen Leute doch ein Verhältnis der Liebe und Achtung haben. So können wir Verwandte immer besser mithelfen, dass den Jungen und Mädchen in dieser wichtigen Zeit vor der Konfirmation die Sache des Glaubens und der Kirche nicht fremd bleibt, sondern durch uns und unser Beispiel nahekommt, interessant und überzeugend wird. Das können wir uns gewiss vorstellen, dass in einem Herzen, das wir durch unser gutes Beispiel vorbereitet haben, das Samenkorn des Glaubens besser keimen, treiben und wachsen kann.

"Gebt ihr ihnen zu essen", dieser Auftrag weist uns schließlich an alle Menschen, die jungen und die älteren. Wir können ja nicht sagen: Du gehst doch in den Religionsunterricht, da brauche ich dir doch nichts mehr zu erzählen. In der Schule können die jungen Menschen allenfalls hören, wie das mit dem Glauben war, wie das heute ist und sein kann. Was sie an uns sehen ist allemal stärker! Wenn sie an uns erfahren, dieser Glaube ist wirklich ganz konkret, es gibt Menschen, die auf Gott vertrauen, an ein Leben nach dem Tod glauben, die Jesus Christus ihren Herrn nennen...nicht nur im Schulbuch, nein, in meiner Familie... Das ist viel mächtiger und hilft besser dazu, es auch selbst mit diesem Glauben zu probieren, als es noch der beste Unterricht je vermag.

Aber auch die Erwachsenen, unsere Lieben, unsere Nachbarn, Kollegen, Freunde brauchen Menschen, die "ihnen zu essen geben". Dieses Bemühen um die Mitmenschen, die nicht, noch nicht glauben können, muss nicht mit Bekehrungsversuchen daherkommen. Wir werden nicht mit Gesangbuchversen oder Bibelsprüchen um uns werfen. Aber wir werden bei allem, was uns begegnet, in allem, über das wir mit anderen Menschen sprechen, auch den Hintergrund unseres Glaubens einbringen. Vielleicht wird unser Reden dann immer wieder einmal so beginnen: "Du weißt, dass ich mich bemühe, Christ zu sein, darum frage ich auch hier, was Jesus wohl dazu gesagt hätte..." Oder so: "Ich glaube, hier kann dir nur noch Gott helfen, bete doch einmal zu ihm...ich will das auch tun - für dich!" Hier ist mehr als unverbindliches Gerede. Das ist Hilfe, das ist Seelsorge, der es vielleicht auch gelingen kann, einen Menschen zu Gott zu führen. "Gebt ihr ihnen zu essen", sagt Jesus.

Wenn wir das nach Kräften getan haben, dürfen wir die Menschen getrost zu Jesus schicken, wie es die Jünger damals getan haben. Vielleicht indem wir sie ihm in unserem Gebet anvertrauen. Vielleicht auch, dass wir ihnen empfehlen, doch auch einmal in den Gottesdienst zu gehen, den Bibelkreis, oder indem wir ihnen raten, auch selbst einmal in der Heiligen Schrift zu lesen und das vertraute Gespräch mit Gott aufzunehmen. Dann kann es geschehen, dass Jesus auch ihnen ein Wunder tut, dass er ihnen Glauben schenkt, ihren Durst nach erfülltem Leben stillt und sie satt macht. Wenn das geschieht, dürfen wir uns auch freuen, dass wir mit unserem Vorbild, unserem Beispiel und unserer Liebe zu den Menschen dabei mitgewirkt haben. Durch uns konnte das Wunder geschehen. - Das erste aber bleibt immer dies: Gebt ihr ihnen zu essen! AMEN