Predigt am Sonntag "Quasimodogeniti"  - 28.4.2019

Liebe Gemeinde!

Heute spricht wirklich alles vom neuen Leben aus dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi. Schon der Name dieses Sonntags "Quasimodogeniti": Wie die "neugeborenen Kindlein"...sollen wir uns fühlen und leben. Dann der Wochenspruch: "...der uns... wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten." Und selbst schon der Wochenpsalm spricht vom Glauben an ein Leben nach dem Tod: "Du hast meine Seele vom Tode errettet... ich werde wandeln...im Lande der Lebendigen." Aber ich frage Sie und mich: Sind das alles nicht bloß Worte? Bei wem von uns hat sich denn seit Ostern wirklich etwas verändert? Wen hat der Glaube an das neue Leben aus der Auferstehung denn auch sichtbar und spürbar neu gemacht?

Wir hören von der Auferstehung Jesu, von seinem Sieg über alle Todesmächte - aber wir können immer noch nicht an den Tod denken. Schon die Zeichen, dass wir älter werden, versetzen uns in panischen Schrecken. Um alle Hinweise darauf, dass auch wir schwächer werden, vergesslich und nicht mehr so aktiv wie früher, machen unsere Gedanken einen Bogen. Alte Leute, gar sterbende, besuchen wir äußerst ungern - und wenn sie unsere allernächsten Verwandten sind. Wie kommt das? Wir wissen doch: Der Tod ist überwunden! Das Sterben ist viel näher am neuen, unvergänglichen Leben, als die Geburt. Und wir hören vom zukünftigen Leben in Gottes neuer Welt - aber wir jagen ihm nicht nach mit all unseren Kräften. Unser Denken kreist um dieses Leben und seine Güter. Wir häufen Sachen an, die wir nicht mitnehmen können, ja, die uns nur an diese Welt binden und uns den Abschied einmal schwer machen werden. Warum nur? Wir wissen doch: Das Leben in Gottes Reich wird ewig sein und soll niemals enden! Was bedeutet dagegen diese kurze Spanne zwischen Geburt und Sterben?

Und schließlich hören wir ganz klare Worte davon, dass uns der Glaube allein diese zukünftige Welt Gottes öffnet. Aber wir ringen nicht um diesen Glauben; wir verdrängen vielmehr alle Gedanken an ihn und wovon er spricht. Allenfalls eine Stunde am Sonntag räumen wir ihm ein. Vielleicht das Jahr vor der Konfirmation und die Zeit um Ostern. Wer kann das begreifen? Wir wissen doch: Wir können selbst etwas für unseren Glauben tun! Ein Geschenk kann auch erbeten sein! Und wir kennen die harte Wahrheit: "Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht!"

Wer kann das verstehen: Wir haben die gewaltigste Botschaft, die herrlichste Aussicht auf ein ewiges Leben, die wichtigste Nachricht: dass der Tod nicht das Ende ist - und wir leben doch so weiter wie zuvor? Dieselben Ängste, die gleichen irdischen Interessen, dieselben nichtigen Geschäfte und Verrichtungen. Woran liegt das nur, dass Ostern keine neuen Menschen aus uns macht? Warum kann man uns das noch und noch zurufen: "Christ ist erstanden"...und wir schauen nicht einmal auf? "Quasimodogeniti": "Wie die neugeborenen Kindlein" - von wegen! Wenn wir jetzt den Predigttext für diesen Sonntag hören, kann er uns fast trösten. Bestimmt werden wir uns wiedererkennen:

Textlesung: Mk. 16, 9 - 14 (15 - 20)

Als aber Jesus auferstanden war früh am ersten Tag der Woche, erschien er zuerst Maria von Magdala, von der er sieben böse Geister ausgetrieben hatte. Und sie ging hin und verkündete es denen, die mit ihm gewesen waren und Leid trugen und weinten. Und als diese hörten, dass er lebe und sei ihr erschienen, glaubten sie es nicht. Danach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie über Land gingen. Und die gingen auch hin und verkündeten es den andern. Aber auch denen glaubten sie nicht. Zuletzt, als die Elf zu Tisch saßen, offenbarte er sich ihnen und schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte, dass sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten als Auferstandenen.

 

Genau wie bei uns. Keiner glaubt das wirklich: Jesus ist auferstanden, der Tod ist besiegt. "Sieben böse Geister hatte er ausgetrieben" und doch kann es Maria aus Magdala nicht glauben. Da haben sie doch schon früher Jesu Macht über die finsteren Mächte erfahren. Trotzdem: Sie glauben ihr nicht. Die Jünger, die seine Kraft gegen die Krankheit und den Tod wieder und wieder erlebt haben, leugnen seine Auferstehung. Er "schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härte". Wirklich: Wie bei uns. - Wie soll das denn gehen, dass wir endlich glauben? Wie werden wir bloß "neugeboren aus dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi"? Wie entsteht bei uns "lebendige Hoffnung"? Das "Hören" allein genügt offenbar nicht. Gehört haben es die Jünger mehrfach. Gehört haben wir es auch: Christ ist erstanden. Die Ohren allein machen keinen neuen Menschen. -

Was kommt bei den Jüngern damals hinzu? Sie sehen den Auferstandenen. Er offenbart sich ihnen unterwegs. Er erscheint ihnen, setzt sich zu ihnen an den Tisch. Die Augen überzeugen die Jünger. Was die Ohren allein nicht können, schaffen Auge und Ohr. Und wir? Können wir den auferstandenen Herrn denn auch sehen?

Ich sage jetzt ein klares "Ja"! Wir können Jesus sehen, genau wie die Jünger - und es ist doch etwas grundlegend anders als damals! Die Reihenfolge ist anders: Die Jünger haben Jesus neben sich auf dem Weg gesehen oder am Tisch und haben dann geglaubt. Wir müssen erst glauben und werden ihn dann sehen! Und wenn wir ihn sehen, werden wir umso fester glauben können. Mit anderen Worten: Es geht um ein Wagnis des Glaubens für uns. Wir müssen schon etwas riskieren, um den Glauben an die Auferstehung zu gewinnen. - Aber betrachten wir das einmal ganz praktisch:

Da hört einer vom Sieg Jesu über Tod und Angst - und er lässt die Gedanken an Alter und Sterben einmal zu. Er läuft nicht vor seinem Spiegelbild davon, wenn es ihm die Falten an Hals und Gesicht zeigt und das sich lichtende Haupthaar. Er macht einmal den Besuch bei der alten Tante und erfährt wie das ist: Abschiednehmen. Und er wird Jesus sehen! Der Auferstandene wird neben ihm stehen, wenn er den Tod nicht mehr leugnet. Er wird bei ihm sein im Augenblick der Erkenntnis: Ja, ich selbst werde älter, meine Lebensbahn neigt sich zum Sterben; alles Leben wächst, blüht, fruchtet und - zerfällt. Und er wird ihm diese Worte sagen: Du sollst in mir neues Leben haben! Da wird Jesus selbst den Glauben an seine Auferstehung bestätigen!

Ein anderer hört von der herrlichen zukünftigen Welt - und er betrachtet die Dinge und Güter, die ihn umgeben einmal ganz nüchtern: Was davon dient eigentlich dem Leben und was schadet ihm und lenkt ab? Was brauche ich an Geld und Sachen, damit ich das zukünftige Ziel immer fester ins Auge fasse, und was nimmt mich gefangen und versperrt mir diesen Blick? Dieser Mensch wird dann gewiss einiges aufgeben, ja, von sich werfen, was ihn eigentlich nur beschwert und beim Alten verhaftet. Dann wird er Jesus sehen! Der Auferstandene wird umso mehr sein Herz in die Hand nehmen, je mehr er sich von den Gütern der Welt freimacht und löst. Und er wird ihm die Zukunftswelt ausmalen und ihn dieser herrlichen Aussicht immer gewisser machen. So wird Christus selbst den gefassten Glauben vertiefen und sichern!

Und noch einer hört vom Wert des Glaubens und von den Folgen des Unglaubens - und er beginnt sich zu mühen. Im Gebet ruft er zu Gott: Schenke mir den Glauben! In seinem Alltag kann man sein Bemühen erkennen: Die Heilige Schrift ist seine tägliche Lektüre. Die Angebote seiner Gemeinde nimmt er wahr. Die Stunde Gottesdienst am Sonntag wird ihm selbstverständliche Übung und Freude macht sie ihm auch noch. Er wird Jesus sehen! - Unser Mühen bleibt nicht unerfüllt! Unsere Bitten werden gehört - aber Gott will auch gebeten sein! Der Tag, an dem der auferstandene Herr uns allen Sinn unseres Lebens offenbart, ist unbeschreiblich! Da kommt Glaube zum Ziel. Und Glaube wird durch Augenschein noch fester. Dann werden wir wissen: Christ ist erstanden! Wir erfahren, was das heißt: "Wie die neugeborenen Kindlein..." Es ist wahr geworden: "Du hast meine Seele vom Tode errettet... ich werde wandeln im Lande der Lebendigen."

Liebe Gemeinde, bei den Jüngern damals nach Ostern musste zum Hören noch das Sehen hinzukommen: Der auferstandene, sichtbare Herr neben ihnen auf dem Weg, am Tisch... So ist damals Glauben entstanden. Anders bei uns: Wir müssen es riskieren, was der Glaube uns heißt: Vertrauen wagen - gegen die Angst und den Tod, Hoffnung auf die Zukunftswelt einsetzen - gegen die diesseitige Welt und ihre Verlockungen, den Glauben praktisch bewähren - gegen Gleichgültigkeit und alle Ablenkung. Dann werden wir den Auferstandenen sehen und seine Macht erfahren. Er wird unseren Glauben bestärken. So wird es Ostern - auch bei uns! AMEN