Predigt zum Erntedankfest - 7.10.2018

Textlesung: 1. Tim. 4, 4 - 5

Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet.

Liebe Gemeinde!

Das ist in diesem Jahr mit dem Danken gar nicht so einfach - jedenfalls wenn man auf die Ernte schaut, besonders die auf den Feldern. Es hat in manchen Gegenden Deutschlands durch die Trockenheit im Sommer dieses Jahres große Schäden und Ernteausfälle gegeben. Manche Bauern wissen nicht, wie sie ihr Vieh über den Winter satt bekommen sollen. Viele stehen vor den Trümmern ihrer Existenz. Manche mussten gar aufgeben.

Zwar hat es auf der anderen Seite auch guten Ertrag gegeben. Die Apfelbäume hängen voll. Der Wein wird exzellent. Beeren und Nüsse gibt es reichlich. Trotzdem war die Ernte dieses Jahres insgesamt nicht so reich wie in anderen Jahren.

Vor diesem Hintergrund hat mir dieser Gedanke gut gefallen: Nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird. Er hat bei mir ein Nachdenken angestoßen, wofür wir außer für die Früchte der Gärten und des Feldes, noch zu danken haben - auch wenn die nicht so ausgefallen sind, wie wir es uns gewünscht hätten. Denn das ist gar nicht wenig! Und ich bin überzeugt, Ihnen geht es da genauso wie mir. Dabei will ich unseren Dank für das Korn und die Kartoffeln, die Trauben und die Äpfel wirklich nicht schmälern. Aber kommt nicht der andere Dank in unseren Tagen immer viel zu kurz! Wo hat denn z.B. unser Lob Gottes für unsere Arbeitsstelle ihren Platz? Wo ist der Gottesdienst im Jahr der Kirche, an dem die Liebe oder die Treue dran ist, die wir erfahren? Und all die anderen Eigenschaften von Menschen, die wir als segensreich empfinden, wo hat der Dank dafür seinen angemessenen Raum? Wann danken wir einmal für das Glück, Kinder und Enkel haben zu dürfen? Und ist es nicht auch unverständlich, dass wir überhaupt keinen Tag dafür gewidmet haben, Gott zu loben, dass er uns einen Ehepartner oder sonst einen lieben Menschen zur Seite gestellt hat? Und ich will - bei allen Vorbehalten, die wir da vielleicht haben - auch das noch ansprechen: Wollten wir die Errungenschaften der Technik missen, die uns etwa in der Landwirtschaft, bei unserer sonstigen Arbeit und im Haushalt helfen? Sicher nicht. Aber dafür zu danken, ist im Kirchenjahr eigentlich nicht vorgesehen.

Wenn wir Gott heute also wie an jedem Dankfest für die Ernte des vergangenen Jahres unseren Dank sagen, dann sollen uns die Früchte des Feldes (wie sie hier vorn am Altar aufgebaut sind) auch für all das andere stehen, was in unserem persönlichen Leben wahrhaftig des Dankes wert ist! Und ich will jetzt ein paar dieser anderen Früchte des Lebens ansprechen. Und ich will es so tun, dass möglichst viele von uns mitsprechen und - wenn sie es wollen - mitdanken können.

Wir wollen Gott dafür danken, dass wir unsere Arbeit haben oder dass wir unsere Pension oder Rente genießen können. Und ich meine damit nicht allein, dass am Ende des Monats Geld auf unser Konto kommt. Wir wollen uns daran freuen, dass wir unsere Arbeit überwiegend gern tun können. Das bedeutet sehr viel, dass wir auch sehen dürfen, dass etwas dabei herauskommt, dass sie Ertrag hat und für andere Menschen wichtig ist. Es ist ein unschätzbares Glück, dass wir in unserer Arbeit aufgehen, dass wir sie nicht widerwillig und ohne inneren Bezug tun müssen. Und wir müssen uns gewiss dazu bekennen, dass wir das viel zu wenig wahrnehmen, viel zu wenig beachten und viel zu selbstverständlich hinnehmen. - Aber es ist nicht selbstverständlich! Und wir wissen es: Viele Menschen wollten wohl arbeiten und dürfen nicht. Und viele Menschen können ihre Arbeit nicht lieben, beim besten Willen nicht!

Und wir wollen Gott dafür danken, dass es die Liebe gibt und die Treue! Ist es nicht wunderbar, dass immer wieder Menschen über sich selbst hinauskommen und sich und die eigenen Interessen und Bedürfnisse hintenanstellen können. Und es ist wirklich ein Wunder, dass es bei so vielen Beispielen von Eigennutz und Ichsucht in diesen Tagen, auch die Menschen gibt, denen der Glanz der Freude in den Augen ihrer Nächsten mehr bedeutet als der eigene Gewinn oder die eigene Karriere.

Ja, und die Treue... Wie gut ist das doch, wenn Menschen bei denen bleiben und zu denen stehen, für die sie sich einmal entschieden haben oder in deren Nähe sie Gott durch Geburt oder Geschick einmal gestellt hat: Die Eheleute, die Kinder und die Eltern, die Geschwister und Freunde... Wie ist das dankens-, ja, vielleicht in unseren Tage sogar staunenswert, wenn wir da bleiben und vielleicht aushalten können, wo andere fortlaufen, wenn wir verlässlich sind, wenn das Wort anderer keinen Pfifferling wert ist, wenn wir Leute sein können, auf die man bauen und vertrauen kann, während andere heute so reden und denken und morgen ganz anders.

Und für so viele andere Eigenschaften im Wesen von Menschen können wir auch nur danken: Wie schön, dass es die Heiteren in unserer Nähe gibt, deren ansteckendes Lachen uns so oft froh gemacht hat. Wie gut, dass es auch jene gibt, die uns einmal widersprechen, wenn wir uns im Reden oder Denken verrennen. Sie sind ja überhaupt die besten Freunde! Und nicht auszudenken, es gäbe die nicht, deren unerschütterliche Zuversicht uns schon so oft über die dunklen Zeiten der Resignation in unserem Leben geholfen hat.

Und das muss heute auch einmal ausgesprochen werden: Es ist ein großes Geschenk in unseren Kindern und Nachkommen beteiligt zu sein an Gottes Schöpfung. Wie gewaltig ist das doch: Von uns kleinen Menschen geht neues Leben aus. Wir dürfen junge Leute heranwachsen sehen, ihnen durch unser Vorbild und unsere Erziehung all das mitgeben, was für uns schon für ein rechtes Leben gut und sinnvoll war. Und selbst wo uns die Kinder zum Spiegel werden, was bei uns nicht gelungen und nicht richtig ist, müssen wir sehr dankbar sein: Dann dürfen wir nämlich auch einmal an unseren Kindern wachsen und lernen!

Ach und unser Partner! Wenn Gott uns das Glück gewährt, dass wir noch oder überhaupt einen haben dürfen! Stellen wir, die solches Glück haben, uns doch nur einmal einen Augenblick vor, wir müssten allein in diesem Leben sein. Kein Ohr, dem wir unsere Sorgen sagen können. Kein Herz, das an unserer Freude teilnimmt. Keine Hand, die sich tröstend auf die unsere legt oder uns auch einmal zärtlich berührt. Sehen wir dieses Glück deutlich genug? Wann zuletzt hat es unsere Seele bewegt und wann - in der letzten Zeit - hat Gott unseren Dank dafür vernommen?

Und wenn es jetzt auch ein arg krasser Übergang ist - aber auch davon will ich noch reden: Die vielen Geräte, die uns heute das Leben erleichtern, das Waschen, das Spülen und noch so vieles andere im Haushalt. Wie sehr könnte uns das doch auch die Zeit für die Freude vermehren, füreinander, für uns selbst und die Kinder. Und dass wir mobil sind! Dass wir nicht mehr wie in früheren Zeiten angebunden sind in unserem Dorf, unserer Stadt. Dass auch jederzeit Hilfe gerufen werden und zu uns kommen kann, die nicht zu spät, sondern rechtzeitig eintrifft.

Und heute denken wir auch und wirklich nicht zuletzt an die Landwirtschaft: Wenn wir noch all die Knochenarbeit tun müssten, die vor wenigen Jahrzehnten zu leisten war! Unvorstellbar, es müsste wieder ohne die Maschinen gehen, die für so viele anstrengende Tätigkeiten heute da sind. Wie gesagt: Es gibt auch Vorbehalte. Die Schattenseiten so mancher Entwicklungen sind unübersehbar. Aber vieles ist gewiss auch ein Grund zum Danken! Nur: Tun wir das auch?

Nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird. So sagt uns heute das Wort, das über dieser Predigt steht. Und ich meine, dass wir oft genug ein Beispiel dafür geben, was dieses Wort meint, wenn wir es umkehren: Es ist verwerflich, alles immer nur ohne Danksagung hinzunehmen!

Ich finde, es ist mehr als angemessen, wenigstens einmal im Jahr all den Ertrag unseres Lebens zu sehen, zu wägen, zu schätzen und Gott dafür zu danken. Und eben nicht nur für die Frucht unserer Äcker und Gärten. Ich bin überdies gewiss, dass es uns hier allen so geht: Jeder von uns hat sicher tausend Gründe zur "Danksagung"! Wir wollen heute nicht von hier weggehen, ohne diesen Dank abgestattet zu haben.

Übrigens: Das Wunderbare am Danken ist ja noch dies: Es macht uns nicht ärmer, nein, es macht uns noch reicher! Reicher an Freude, reicher auch an guter Beziehung zu Gott und den Mitmenschen - und nicht zuletzt reicher an Zufriedenheit - denn es macht zufrieden, dem gütigen Gott das gebührende Lob zu sagen. AMEN