Predigt am Ostermontag - 2.4.2018

(Der vorgesehene Text dient nur zur Einstimmung - Der Text zur Predigt ist der Wochenspruch zum Osterfest: Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. Offb. 1, 18)

Textlesung: 1. Kor. 15, 50 – 58

Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?" Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

Liebe Gemeinde!

Neulich ist das geschehen: Ein kleines Mädchen hat bei der Oma geklagt. Sie habe die ganze Nacht nicht geschlafen und immerzu weinen müssen. Sie habe ein Bild von dem Herrn Jesus gesehen, wie er gekreuzigt werde. Die Oma versuchte das Kind zu trösten: Heute läge der Herr Jesus schon ganz friedlich im Grab und morgen würde er auferstehen und ganz gesund und fröhlich sein. Sie solle nicht mehr weinen.

Wer von uns hat am vergangenen Freitag wie ein Kind geweint, als er die Sterbensgeschichte Jesu hörte, hier in der Kirche? Wem von uns ist das denn wirklich ganz nahegegangen in den letzten Tagen: Dieser Tod aller Tode, dieses furchtbare Leiden, diese tiefste Verlassenheit...? Das geht immer ein bisschen schnell zu Ende mit dem Karfreitag. Ganz ehrlich: Das ist ja auch alles ein bisschen lästig und beschämend, denn sind wir nicht selbst viel zu sehr drin in der Leidensgeschichte - mehr als uns angenehm sein kann? Etwa als die unbeteiligten Gaffer am Rande der Marterstraße...als jene, die so gedankenlos das „Kreuzige" mitschreien...als Jünger, die in panischer Angst davonlaufen...

So gesehen ist es gut, dass so schnell Ostern kommt. Ein bisschen ist das wie im Fernsehen: Eben noch Matthäuspassion, Jesus am Kreuz... Fünf Minuten später sind wir schon mitten im Krimi oder den Lottozahlen. Die Welt ist wieder in Ordnung. Und wir singen heute hier fröhliche Osterlieder.

Liebe Gemeinde, ich möchte gern, dass wir es uns nicht so einfach machen. Ich möchte gern, dass wir begreifen, warum selbst die Ostergeschichte, die wir vorhin am Altar gehört haben, eigentlich nur von Furcht und Erschrecken redet. Diese tapferen Frauen - viel tapferer als die davongelaufenen Männer - hatten ja nun wahrlich genug von den letzten drei Tagen und Nächten! Ich denke mir, wenn sie jetzt zum Grab kommen bewegt sie nur der eine Gedanke: Nun ist es gut! Die schreckliche Geschichte hat ein Ende, es gibt weiter nichts zu fürchten. Und Jesus? Der hat es überstanden! Er hat seinen Frieden, seine gellenden Schreie, als man ihn zu Tode quälte, sind verhallt. Es ist endlich Ruhe! Er ist tot. Vergangen. Vorbei. - Würden Sie bei einem geliebten Menschen anders reagieren, wenn er endlich ausgelitten hat?

Es ist aber nicht vorbei. Das Grab ist leer. Und Jesus sagt: „Ich war tot und bin lebendig!" Das ist der totale Einbruch in unser Denken. Da wird unsere Vorstellungswelt auf den Kopf gestellt. Aus ist's mit dem ehernen Ablauf von Werden und Vergehen, Geborenwerden und Sterben. Ich war tot!!!! Tot sind wir alle, wenn es soweit ist. Das Herz hört auf zu schlagen, das Blut gerinnt, die Hirnströme erlöschen, der Leib verfault, zerfällt. Aber der Herr spricht gegen alle Gesetze der Natur und der Erfahrung: Mein Tod ist vergangen, ich bin lebendig - ich war tot, jawohl, ich war.... Kein Scheintod! Wie die Mörder zu seiner Seite ist er schrecklich verendet. Die Soldaten haben sich nach Vorschrift auch von seinem Tod überzeugt, sie haben ihm in die Seite gestochen und mit einem Knüppel gegen die Beine geschlagen. Sicher haben sie auch dienstliche Meldung darüber gemacht. Aber Christus sagt dem allen ins Gesicht: „Ich war tot, doch nun lebe ich…" und er fügt auch noch hinzu: „...von Ewigkeit zu Ewigkeit...", also ohne alles Ende. Dieses Leben ist endgültig, der komplette Sieg über den Tod, die Überwindung des Schreckens...für immer!

Was machen wir nun damit? Wie gehen wir mit dieser Botschaft um?

Jetzt kommen die Wissenschaftler daher: Es kann aber doch nicht sein! Das spottet doch all unseren Kenntnissen der natürlichen Ordnung! Dann kommen die Neunmalklugen: Es war eine Vision von ein paar hysterischen Frauen. Auch die Spötter müssen noch etwas loswerden: Das Ganze war ein Trick, jahrelang geübt... Aber eines vergessen sie alle: Die Männer und Frauen, die Jesus zurückließ, diese verstörten, ängstlichen Kreaturen, denen mit seinem Tod die Welt eingestürzt war, die haben das doch selbst nicht erwartet. Ihre Hoffnung war nach dem Tod ihres Herrn auf den Nullpunkt gesunken. Was bringt die Wende? Sie haben den lebendigen Christus erfahren. Sie haben erlebt, dass der letzte Schrei des gemarterten Herrn eben doch nicht sein letztes Wort war. Sie müssen es erlebt haben, erkläre mir sonst einer, wie sich das Christentum über die letzten 2000 Jahre hinweg hätte halten können. Sie haben davon gelebt, dass er mitten unter ihnen war, eben nicht im Tod geblieben, sondern lebendig. Sie empfingen seine Kraft, wurden seine Gemeinde, erfüllten seinen Auftrag, trieben seine Sache voran und das war nicht die Sache eines Toten!

Ich gehe heute einmal soweit: Mir persönlich ist das völlig gleichgültig, wie das mit der Auferstehung vor sich gegangen ist, wie das möglich war, wer den Stein von der Graböffnung gewälzt hat... Das ist mir wichtig und nur das: Sein Wort: „Ich war tot, doch nun lebe ich!" Das geht mich an - bis heute. Das betrifft mich. Das kann ich überprüfen, dafür gibt's Zeugen und Zeugnisse: Die erste Gemeinde, die Kirche, der Glaube an ihn, das Handeln jedes einzelnen von uns, dem Christus begegnet ist. Leben wir von einem Toten? Die Gemeinde wäre tot, er wäre tot, vergessen, seine Worte zerstoben in alle Winde, gälte nicht diese Wahrheit: Ich lebe in alle Ewigkeit! Das ist mit keiner wissenschaftlichen Formel fassbar, aber ich wiederhole: Das ist die Wahrheit, so hautnah wie das Holz dieser Kanzel, wie das Papier dieser Blätter, wie die Luft, die wir atmen...

Aber wo ist er, den wir nicht sehen und der doch lebt?

Wir sollten nicht lächeln über die altmodische Erklärung die unsere evangelischen Väter aufgeschrieben haben: „Im Wort und im Sakrament!" Jawohl, dort ist er, nicht nur sicherlich, aber auch. Und dort ist er uns gewiss verheißen. Im Wort: Man muss nur lesen können und das richtige Buch haben - die Bibel - und Jesus ist in deinem Zimmer, redet mit dir, tröstet dich, mahnt dich, ermutigt dich, mehr als die meisten Menschen, die du sehen kannst...und im Sakrament: In Brot und Wein, so einfach...zu schmecken, zu fühlen über die Jahrtausende, freilich: man muss hingehen, dorthin, wo sein Mahl gereicht wird. Aber er ist noch anderswo: Im Kind, im Mann und in der Frau neben dir. Ja, auch da! Das hat er hundertmal gesagt durch alle Evangelien. Ihn sehen wir nicht, aber den Nächsten sehen wir, einzeln, in Gruppen, in Massen, gehetzt, getrieben, verfolgt, getötet wie er... Der Lebendige weist uns an die Lebenden, nicht an die Toten. So ist er ein Lebender für uns von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Aber ist das alles? Müssen wir nicht auch von unserem Tod, von unseren Toten reden? Wie hieß es vorhin? Ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt. Der Herr, der seinen Tod hinter sich hat, ist auch der Herr unseres Todes. Wer die Schlüssel hat, der ist auch der Herr des Hauses, auch des finsteren Hauses von Milliarden Toten. Er hat auch den Schlüssel der Tür, die sich hinter dir schließt, wenn dein Herz einmal zu schlagen aufhört. Auch für dich und mich kann nur wahr werden, was er für sich selbst gesagt hat: Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, ohne Ziel und Ende.

Noch einmal: Wissenschaftlich fassbar ist das nicht, aber es ist erfahrbar und glaubbar! Das haben uns nicht nur über die Jahrhunderte Generationen von Menschen, die Christen waren, vorgeglaubt, vorgelebt und vorgestorben...das ist auch der einzige Trost im Leben und im Sterben, an den wir uns halten können und der uns hält. Und dann: Wie viele von uns wären in einem Leben voll Schmerz, Kummer, Leid und Verzweiflung längst untergegangen, wenn sie das nicht mit absoluter Sicherheit wüssten: Die Tränen, die Sorgen, die Zweifel und die Schmerzen, die mir mein Schicksal bestimmt, sind im Sterben und neuen Leben meines Herrn Jesus Christus aufgefangen, verwandelt, überwunden...

Doch, es war schon ein guter Trost, den die Oma vor Tagen ihrem Enkelkind gesagt hat: Heute läge der Herr Jesus schon ganz friedlich im Grab und morgen würde er auferstehen und ganz gesund und fröhlich sein. Sie solle nicht mehr weinen. Dem Kind hat das sicher auch genügt. Für uns Große will ich zu diesen tröstlichen Gedanken noch den anderen hinzufügen: Nicht nur er steht auf. Mit ihm bin auch ich, bist auch du auferstanden. „Es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden." Auch wir werden einmal leben - wie unser Herr lebt! Das ist die Osterbotschaft. Diesen Glauben wollen wir festhalten. Diesen Glauben soll uns keiner rauben! AMEN