Predigt am 24.12.2017 - 4. Sonntag im Advent

Textlesung: 2. Kor. 1, 18 - 22

Gott ist mein Zeuge, dass unser Wort an euch nicht Ja und Nein zugleich ist. Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, der unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus und Timotheus, der war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm. Denn auf alle Gottesverheißungen ist in ihm das Ja; darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe. Gott ist's aber, der uns fest macht samt euch in Christus und uns gesalbt und versiegelt und in unsre Herzen als Unterpfand den Geist gegeben hat.

Liebe Gemeinde,

das könnte heute leicht eine "dogmatische Predigt" werden, wie Theologen sagen würden. Wenn man das so liest: "...auf alle Gottesverheißungen ist in Christus das Ja" - Zu "Verheißungen" fällt einem ja eine ganze Menge tiefer, leider auch recht trockener Gedanken ein! Der von der "Versöhnung durch Christus", seinem "Opfer für die Sünde der Welt am Kreuz", von der "Annahme der Gnade Gottes im Glauben" und vom "Ewigen Leben, das uns Christus verdient hat"... Sicher sind das alles wichtige Themen! Aber schwierig sind sie auch. Um es salopp zu sagen: Da ist doch recht wenig "Fleisch an den Knochen"! Darum möchte ich heute weniger über Gottes Verheißungen sprechen, dafür mehr über sein Ja zu uns, das hat nämlich auch mit unserem Ja zu uns selbst und zu anderen zu tun. Und wir wollen das ganz praktisch angehen:

Vielleicht kennt das ja der eine oder die andere von uns? Irgendwie scheint alles, was wir tun, manchmal nicht recht. Wir haben versucht bei einem Streit zu vermitteln - am Ende kriegen wir den Zorn beider Seiten ab. Wir haben einem Unwürdigen Vertrauen entgegengebracht, der sich dann als einer offenbart hat, der alle nur ausnutzen wollte. Oder wir kriegen gesagt, dass wir unsere Kinder falsch erziehen oder, wenn wir Großeltern sind, dass wir die Enkel immer nur verwöhnen. Bei alledem könnten wir mit Recht sagen: Aber wir haben es doch gut gemeint! Es interessiert keinen. Es wird an uns herumkritisiert, -genörgelt und wir kommen uns vor wie die übelsten Menschen. Da sagen alle "Nein" zu uns. -

Liebe Gemeinde, Gott aber sagt Ja! Er fragt nicht nur, was bei einer Sache herausgekommen ist - er weiß die Absicht! Er beurteilt nicht nur was an der Oberfläche liegt - er kennt unsere und aller Menschen tiefste Gedanken. Er sieht auch nicht nur unseren Anteil an dem, was sich in einer Beziehung entwickelt hat und aus ihr geworden ist - er erkennt alle Hintergründe und die Taten und Versäumnisse aller Beteiligten. Er sagt ja zu uns! Er urteilt uns nicht ab. Vor allem gibt er uns Zukunft. Er schreibt nichts fest: So ist das jetzt und es wird nie mehr... Wir können es noch heute besser machen, wenigstens damit beginnen, können wir. Und nicht nur wir! Alle anderen auch.

Oder wir haben Schuld auf uns geladen. Wir wissen das auch und es reut uns und wir wären sie auch gerne los. Aber da gibt es Menschen - und das sind oft unsere Allernächsten - die nutzen jede Gelegenheit, uns mit unseren ältesten Verfehlungen zum Schweigen zu bringen. In einem Gespräch vielleicht, wenn wir mit vollstem Recht den Finger auf ihre Fehler legen und ihr Vorurteil anprangern, fahren sie auf: "Was willst denn du!? Wie war das denn bei dir damals bei dieser schlimmen Geschichte...du weißt schon!" Und ob wir wissen! Nur tut uns das ja auch leid und wir würden so gern endlich davon loskommen, nach so vielen Jahren. Aber die anderen verhaften uns immer wieder darauf! Sie sagen "Nein" zu uns. Es gibt keine Änderung bei uns. Es darf sie ja nicht geben. Wir waren damals so - wir müssen es unser ganzes Leben lang bleiben.

"Jugendsünden"...werden uns nicht zugestanden. "Vergebung" - die mag Gott gewähren, manche Menschen aber niemals! Denn es ist immer wieder hilfreich, einen anderen im Augenblick eigener Bedrängnis mundtot machen zu können. Es lenkt von dem ab, was bei einem selbst nicht in Ordnung war und ist. Immer kann man mit dem Finger auf andere deuten. -

Liebe Gemeinde, Gott aber sagt ja zu uns! Die Schuld, die wir ehrlich bereuen, die behält er uns nicht. Da bleibt nicht einmal ein Schatten. Wenn er vergibt, dann versetzt er uns in ein Leben, das frei ist und ledig von allen Lasten und Sünden. Und wir müssen uns dann auch nicht wieder von unseren Mitmenschen in den Zustand der Schuld zurückversetzen lassen. Die Strafe, die Gott uns geschenkt hat, darf uns kein anderer mehr vorrechnen.

Die Sünde, die er tilgt, ist in alle Ewigkeit vergessen. Wenn Gott uns vergeben hat, ist uns vergeben. Und den anderen auch!

Und vielleicht kennen manche von uns ja auch das: Wir halten uns für unansehnlich und wenig interessant. Andere sind viel schöner, viel liebenswerter auch und man hat ganz offensichtlich lieber mit ihnen zu tun. Wieder andere dünken uns gescheiter, gebildeter und klüger. Da werden wir niemals herankommen! Und auch die Gaben sind doch sehr unterschiedlich, ja ungerecht verteilt. Während andere so viel handwerkliches Geschick mitbringen, können wir nicht einmal einen Nagel gerade in die Wand bekommen. Wo ein anderer in jeder Diskussion brillant bestehen kann, fällt uns kein einziges Argument ein - und überzeugend vorbringen können wir es schon gar nicht. Der oder die scheinen alle Talente gleichzeitig mitbekommen zu haben - wir sind arm wie ein Bettelkind. Alle anderen, das Schicksal und wir selbst sagen "Nein" zu uns. Wir sind nichts. Wir können nichts. Wir sind klein, unbegabt und unbedeutend. -

Liebe Gemeinde, Gott aber sagt ja zu uns! Und er hat uns allen viele Begabungen geschenkt. Auch wenn es manchmal so aussieht, als hätten manche alles und einige nichts mitbekommen - so ist es nicht! Nur lassen wir uns blenden vom Äußeren, von der Ebenmäßigkeit eines Gesichts, der Schönheit einer Figur oder den gelungenen Formulierungen einer Sonntagsrede. Wir sperren den Mund auf und staunen, wenn einer gut zeichnet, mit Kelle und Mörtel, mit Wasserwaage und Stichsäge umgehen kann oder in seinem Garten den sprichwörtlichen "grünen Finger" beweist. Gott sieht auch die anderen Geschenke, die er uns mitgegeben hat, die in unserer Zeit und Gesellschaft gerade keine Konjunktur haben oder die noch nie richtig gesehen und schon gar nicht gewürdigt worden sind: Da ist die Gabe, zuhören zu können. Eben nicht nur so schauen, als würden wir aufmerksam lauschen, sondern wirklich mitdenken, mitfühlen und mit nach einer Antwort suchen. Eine große, wichtige Gabe! Oder das wunderbare Geschenk, das so selten ist, dass sich Menschen anderen ehrlich zuwenden können, so dass die spüren: Hier werde ich verstanden, hier bin ich nicht schon gleich unten durch, hier darf ich auch Schwäche zeigen und zugeben, dass ich nicht weiter weiß. Und wenn die Menschen mit dieser Gabe dann etwas sagen, vielleicht raten oder uns zu bedenken geben, dann fühlen wir es: Denen liegt wirklich an uns! Sie wollen uns helfen und nicht nur irgendetwas äußern, damit sie uns nur bald wieder los sind. Bei solchen Menschen wissen wir es: Sie sagen ja zu uns, so wie wir sind. Wir müssen uns nicht verbiegen oder verstellen. - Wie tut das gut, endlich so sein zu dürfen, wie uns zumute ist!

Und noch eine von diesen Gaben fällt mir ein, die in unserer Welt wenig gilt und die doch so viel wichtiger und wertvoller ist, als manches, was unsere Augen und Ohren fasziniert: Ich meine das Loben und die Ermutigung! Wenn das Kind, das in der Schule die Fünf in Deutsch geschrieben hat, von uns eben nicht hört: "Aus dir wird halt nie etwas!", sondern vielleicht das: "Ich weiß, dass du es kannst. Wir wollen von heute an jeden Tag zusammen üben. Du wirst sehen, nächstes Mal wird's schon besser." Und wenn wir von unserem Ehepartner, wenn ihm etwas am Arbeitsplatz schwer zu schaffen macht, nicht verlangen, er solle sich das endlich aus dem Kopf schlagen und sich lieber um uns und die Familie kümmern... Sondern wenn wir einmal aussprechen, dass wir's gut finden, wie er sich im Beruf einsetzt und ihm dann Gelegenheit geben, über seine Schwierigkeiten zu reden und mit ihm alle Möglichkeiten durchgehen, was er nun tun und wie er sich verhalten könnte.

Und wenn wir schließlich unseren Mitarbeiter oder die Kollegin nicht immer zuerst auf ihre Fehler hinweisen, sondern auch einmal das sehen, wo hinein sie sehr viel Engagement, Geschick und gute Ideen investiert haben. Und wenn wir das dann anerkennen und diese Anerkennung auch einmal aussprechen und den großen Einsatz würdigen.

Und bei alledem, liebe Gemeinde, ist es durchaus nicht abwegig, wenn wir sagen: In Jesus Christus ist Gottes Ja zu uns ein für allemal gesprochen. Er ist Gottes Ja zu allen Menschen. Gottes Ja auch zu denen, die von den anderen immer nur hören müssen, dass sie angeblich versagen, alles falsch machen und ihr guter Wille allein nicht genug wäre, Gottes Ja, das sieht, wie sie's meinen und schon die gute Absicht würdigt. Gottes Ja auch zu denen, die einmal in Schuld gefallen sind, die sie doch lange bereut haben, Gottes Ja der Vergebung und des neuen Anfangs, das niemanden dort verhaftet, wo er gestern oder gar vor vielen Jahren noch stand. Und Jesus Christus ist schließlich auch Gottes Ja zu all den wunderbaren Gaben, die Gott uns geschenkt hat, dass wir sie für unsere Mitmenschen einsetzen, auch wenn die vor den Augen der Welt wenig attraktiv sind und wenn darüber keine Zeitung schreibt und wir deshalb in keine Talkshow eingeladen werden. Wie wichtig diese Geschenke Gottes an uns sind, werden wir spüren, wenn wir sie mehr als bisher einsetzen. Und wir werden dabei auch Gottes Ja an uns deutlich hören und fühlen!

"Denn auf alle Gottesverheißungen ist in Jesus Christus das Ja!" In seinem Opfer sagt Gott Ja zu den Menschen. Weil er ans Kreuz ging, sind wir frei. Er hat für uns das Lösegeld bezahlt, die Vergebung erkauft durch sein Blut... Aber das soll nun am Ende nicht doch noch eine "dogmatische Predigt" werden. Es ist doch genug, wenn wir sagen, hören und beherzigen: Jesus Christus war nicht Ja und Nein, sondern es war Ja in ihm! Was heißt das denn anderes als dies: Gott sagt Ja zu uns!? Vielleicht können wir antworten wie es hier steht: "Denn auf alle Gottesverheißungen ist in Jesus Christus das Ja! Darum sprechen wir auch durch ihn das Amen, Gott zum Lobe." AMEN