Predigt am 8. Sonntag nach Trinitatis - 6.8.2017

Textlesung: Jes. 2, 1 - 5

Dies ist's, was Jesaja, der Sohn des Amoz, geschaut hat über Juda und Jerusalem: Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns auf den Berg des HERRN gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!

Liebe Gemeinde!

Das kann man ja nur falsch machen, wenn man über diese Verse predigt! Wie man auch immer rangeht, es wird Schwierigkeiten geben! Legt man die Worte des Jesaja "historisch" aus, dann werden einige sagen: "Mach' die Bibel zu und zeig' mir, wie ich das heute verstehen soll, wie mir das heute hilft oder was es von mir verlangt!" Lässt man sich von den enthaltenen Reizwörtern leiten, spricht man über "Schwerter zu Pflugscharen" oder "sie werden den Krieg nicht mehr lernen", dann schreien andere: "Das ist ja politisch! Wird hier zur Verweigerung des Wehrdienstes aufgerufen? Das hat doch nichts auf der Kanzel zu suchen!" Denkt man schließlich mit Hilfe des Jesaja über die Ursachen von Krieg und unfriedlichem Verhalten im Leben des Einzelnen nach, dann hört man: "Das ist ja nur persönlich verstanden! Da fehlt ja die ganze politische Bedeutung des Textes!" Sicher gibt es noch ein paar Auslegungsweisen, die hier in Frage kommen. Wie macht man's aber richtig? Ist es überhaupt möglich, mit dieser Predigt nicht anzuecken? - Ob wir einmal alle drei angesprochenen Züge des Textes bedenken?

"Es wird zur letzten Zeit sein...da wird der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen...und alle Heiden werden herzulaufen und viele Völker werden hingehen...und er wird sie zurechtweisen...und es wird kein Volk mehr wider das andere das Schwert erheben..." Welche Sehnsucht klingt hier auf! Das Volk Israel, nein, der Rest des Volkes, fern der Heimat, hat endlich genug vom Krieg und seinen schrecklichen Folgen! Sie waren Jahrzehnte in der Verbannung. Das Schwert, die Entbehrungen, Krankheiten und der Gram hatten die Reihen des Volkes gelichtet. Endlich darf die kleine Zahl der Überlebenden heimkehren. Sie bauen wieder einen Tempel. Sie sammeln sich wieder um die Mitte des Zion, ihres heiligen Bergs. Sie träumen vom Frieden, vom Leben ohne Kampf und Kriegsgeschrei: In äußerer Ruhe alt werden, sein Land bebauen, pflügen und ernten, sähen und schneiden. Pflugschar und Sichel - aber keine Waffen mehr brauchen! Dafür möchten sie leben. Dazu lohnt es sich, zu arbeiten. Für diesen Traum werden sie alles tun: "Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Lichte des Herrn!" Und wirklich: Das ersehnte Friedensreich war damals greifbar nah! Man meinte, nun wird wirklich kein Volk mehr wider das andere die Waffen erheben...vor 2.500 Jahren...

"Schwerter zu Pflugscharen", das war vor rund 25 Jahren die Parole der Friedensbewegung in der damaligen DDR. Seitens des Regimes hat man das damals nicht gern gehört. Wer lässt sich schon gern sagen, dass seine Politik verfehlt ist, weil sie nicht dem Frieden dient. Dass die Parole aus der Bibel stammt, ließ sie in den Ohren der DDR-Staatsführung auch nicht gerade besser klingen! Aber was freute man sich doch im Westen! Am Anfang! Jetzt kriegen sie's doch einmal gesagt! Auch unsere Schwestern und Brüder hinter dem Eisernen Vorhang begehren jetzt auf gegen das System der Bedrohung mit immer mehr Waffen!

Aber dann tauchten die Buttons mit dem hammerschwingenden Schmied auch bei uns auf: "Schwerter zu Pflugscharen"! Da legte sich die Freude bei uns im Westen und es tönte aus Regierungskreisen: "Wir reagieren doch nur auf die östliche Aggressionspolitik! Wir stellen nur das Gleichgewicht des Schreckens wieder her! Wir rüsten nur nach!" Als man dann den Gedanken: "Sie werden hinfort den Krieg nicht mehr lernen" allzu wörtlich nahm und statt Wehrdienst scharenweise den Zivildienst vorzog, da verging manchem ganz das Lachen. Auch biblische Parolen sind eben nur so gut, wie ihre Brauchbarkeit im Sinne der eigenen Ziele! - Aber bitte keine Zielvorstellungen aus der Bibel!

Und schließlich kann man auch noch so an die Deutung dieser Verse herangehen: Lernt erst einmal den Frieden in eurem kleinen Bereich! Bemüht euch in eurer Familie, auf Gewalt und den Einsatz körperlicher Stärke zu verzichten. Schon wer die Stimme erhebt, bedient sich aggressiver Mittel! Wer zu Hause die Türen schlägt, wird auch schnell zum Gebrauch von Waffen bereit sein. Das fängt im persönlichen Bereich an, wenn es hier heißt: "Es wird kein Volk mehr wider das andere das Schwert erheben!" Wenn jeder sich erst einmal selbst bemüht, dann wird auch im Großen, zwischen den Völkern, Frieden werden!

Liebe Gemeinde, was ist denn nun die rechte Auslegung der Jesajaverse? Die historische? Die politische? Die persönliche? Keine von diesen? Alle drei?

Ob wir's nicht wirklich einmal mit der letztgenannten Sicht versuchen: Alle drei Auslegungsweisen haben ihr Recht!? Ob wir so nicht am besten begreifen, was uns Jesaja sagen will? Und ob wir so nicht auch am wenigsten "falsch" machen können, weil wir uns eben nicht auf einen Aspekt beschränken?

Das ist ja heute überhaupt oft ein engstirniges Denken, das immer nur nach dem Anliegen eines Textes oder einer Sache fragt, das uns gerade in den Kram passt, z.B. so: Wie beurteilt der Verfasser der Schöpfungsgeschichte den Anspruch auf Gleichberechtigung, wenn er sagt: Gott schuf dem Manne eine Gehilfin aus der Rippe? Oder: Müssten wir, wenn wir vom "Barmherzigen Samariter" hören, nicht zuerst einmal fragen, wie das Räuberunwesen beseitigt und die Straße von Jericho nach Jerusalem sicherer werden könnte?

Warum denn vor diesen Versen nur etwa das politische Engagement des Jesaja herausstellen? - Warum dieser enge Blick? Und sehen wir doch auch, dass es auf den ersten Seiten der Bibel heißt: Und Gott schuf den Menschen als Mann und Weib! Und lassen wir uns doch auch die persönliche Anfrage des Samaritergleichnis' gefallen: Wie hältst du es mit der Hilfe, wenn dein Mitmensch geschunden am Boden liegt?! Warum denn nicht das eine und das andere sehen und hören?

So auch hier: Lassen wir uns etwas über das Sehnen der Menschen vor 2 1/2 tausend Jahren sagen! Wie sie träumen. Was sie sich wünschen: "Da wird der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, kein Volk wird mehr Krieg führen..." Ist das nicht auch unsere eigene Sehnsucht? Erkennen wir uns da nicht wieder: Eine Mitte haben in unserem Volk, in der Gesellschaft, in der Gemeinschaft unseres Dorfes, unserer Stadt, unserer Straße und überhaupt im Leben. Einen Gott haben, der uns sicher leben lässt. Kein Krieg und keine Angst vor Krieg. Die Waffen abgeschafft. Ruhig und sicher an gedeckten Tischen alt werden. Wie schön ist doch dieser Traum! Wie viele aber haben ihn längst begraben! Lassen wir uns doch heute neu anstecken davon! Wer zu träumen aufhört, der wird keine Kräfte mehr entfalten können! Dann wird sich nie etwas ändern. Aus den Träumen kommt die Energie zur Verwirklichung! Aus der Sehnsucht wächst ihre Erfüllung!

Und wir können auch noch mehr tun, und das ist das zweite: Wir sind auch politisch nicht so machtlos, wie wir glauben! Eine kleine Parole aus drei Wörtern hat einmal viel Unruhe bei denen verursacht, die in der Macht der Waffen ihre Sicherheit gewährleistet sahen. "Schwerter zu Pflugscharen", daraus ist eine große Bewegung entstanden, bei vielen Menschen ist dadurch ein Umdenken in Gang gekommen und - ich wage es zu sagen - vielleicht ist später daraus sogar die "Wende" geworden!? Die Zahl derer, die für möglich halten, dass wir einmal ganz ohne Waffen auskommen und die sich für die Abschaffung der Rüstung auch wirklich einsetzen, geht heute im vereinigten Europa und auch im Osten in die Millionen! Nehmen wir Jesajas Worte darum auch als eine Ermutigung: Es hat schon einen Zweck, wenn wir uns politisch engagieren! Wir haben schon Möglichkeiten! Demonstrationen und Resolutionen, die von Tausenden getragen werden, bleiben nicht unbeachtet! Und schließlich sind wir es, die den Politikern mit diesem oder jenem Programm die Stimme geben oder verweigern. Prüfen wir die Geister! Hören wir, was sie reden und sehen wir, wie sie handeln. Und vergessen wir's nicht, bis wir bald wieder zur Wahl gehen sollen! Der Maßstab, an dem wir sie messen, ist klar: "Sicheln aus Spießen; kein Volk soll wider ein anderes das Schwert erheben; nicht mehr lernen, Krieg zu führen..."

Das dritte versteht sich jetzt eigentlich von selbst: Wir werden unglaubhaft in unserer Friedensabsicht, wenn wir zu Hause den Haustyrannen spielen oder unsere Kinder prügeln. Wenn wir mit unserem Nachbarn in Fehde liegen, dann wird uns keiner abnehmen, dass wir für den Frieden zwischen den Völkern arbeiten wollen. Aber trotzdem "fängt es da nicht an", wie immer geredet wird. Das läuft notwendigerweise parallel. Wir werden das eine tun und das andere nicht lassen. Warum sollen sich politischer Einsatz und persönliches Engagement für den Frieden ausschließen? Werden beide Bereiche zusammen nicht vielmehr erst zu einem runden Ganzen?

Doch: Es ist hier wie anderswo; wir sollten die ganze Vision des Propheten sehen und nicht nur das herausbrechen, was uns gerade gefällt! Dabei geht zu viel verloren. Dabei wird zerteilt, was zusammengehört und die Kraft dieser Worte geschmälert: "Kommt, lasst uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause Gottes, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen!"

Lassen wir uns den ganzen Jesaja sagen! Und hören wir auf ihn! AMEN