Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis - 30.7.2017

Textlesung: Jh. 6, 30 - 35

Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsre Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht (Psalm 78,24): „Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen." Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot. Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Liebe Gemeinde!

Wir haben Ferienzeit. Ein Pfarrer schreibt aus seinem Urlaub; er ist für drei Wochen im Gebirge. Wenn wir seinen Brief einmal lesen, wird uns aufgehen, wie gut der zu den Versen passt, die wir gerade gehört haben! So schreibt er:

„Vor 10 Jahren war ich schon einmal am selben Ort. Wie viel ist doch seitdem geschehen! So manches alte Haus abgerissen und durch ein neues ersetzt. Der alte Ziegenhirt, der täglich mit der Herde der Dorfgemeinschaft hinauszog, ist längst gestorben. Wo einmal die Kühe frei grasten, steht ein Hotel mit 100 Betten. Alles ist anders geworden: Moderner, gefälliger für die Nasen und Augen von uns Touristen, aber auch weniger ursprünglich und irgendwie nicht mehr so liebenswert. Aber ich will nicht klagen. Das wäre auch sicher unangemessen, denn für viele Menschen in diesem Gebirgsdorf ist das Leben jetzt wirklich leichter geworden. Sie wohnen schöner, Doppelverglasung und Zentralheizung, Einkünfte durch Urlaubsgäste, die kleine Viehwirtschaft lässt sich mit Maschinen nebenher betreiben. Der Pfarrer des Ortes beklagt sich allerdings über schwindende Kirchlichkeit, die Gottesdienste wären längst nicht mehr so gut besucht wie früher. Ob da ein Zusammenhang mit dem Wohlstand im Dorf besteht?

Warum ich darüber schreibe? Weil man nur so meine Überraschung begreifen kann, als mir bei einer Wanderung vor Tagen doch noch einmal das frühere karge Leben begegnet ist. Das war in einem wildromantischen Gebirgstal, gut 1500 m hoch gelegen. Da lebt ein Senner von etwa 60 Jahren zusammen mit seiner Frau. Was für ein Haus, das die beiden da bewohnen! Aber „Haus" ist eigentlich der falsche Ausdruck. Hütte oder Kate wäre besser. Ich war drin in dieser Behausung. Da stehen ein alter Bauernofen, ein Tisch und vier Stühle, eine Truhe und ein Regal und es gibt eine Tür, die in eine Schlafkammer führt - alles ohne Heizung und es wird nachts da oben empfindlich kalt! In dieser Hütte leben die beiden für ein halbes Jahr, versorgen in dieser Zeit das Vieh der Bauern in den Dörfern unten und haben dann dafür, wie sie mir erzählten, im Winter eine Bleibe bei einem der Viehbesitzer mit freier Kost. Bis es dann im nächsten Frühjahr wieder hinaufgeht in die „Sommerwohnung", wie sie das nennen. Einen Fernseher habe ich in der Hütte nicht gesehen, nicht einmal eine Wasserstelle. Dafür gab es 50 m vom „Haus" entfernt einen Brunnen mit klarem Bergwasser. Gesehen habe ich aber das Kruzifix über dem Esstisch und dass es mit frischen Blumen geschmückt war. Und gesehen habe ich auch noch die alte zerlesene Bibel im Regal. Und gehört habe ich von den beiden, dass sie sich zweimal in der Woche zur Abendmesse auf den Weg machen - rund 10 km hinunter ins Dorf. Muss ich noch erwähnen, dass sie zu Fuß gehen?"

Soweit der Brief des Pfarrers.

Liebe Gemeinde, wir haben heute das Wort unseres Herrn Jesus Christus gehört: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten." Ich glaube, dass sie jetzt verstehen, warum ich Ihnen eben diesen Urlaubsbrief vorgelesen habe. Mal ganz deutlich gesprochen: Ich denke, es geht uns heute einfach zu gut! Wir sind zu satt. Wir haben zu viel von den Sachen, zu viel „Brot"! Gewiss: Jesus spricht von einem anderen „Brot", vom „wahren Brot. das vom Himmel kommt". Aber ist da kein Zusammenhang? Warum gehen die Menschen aus dem heutigen Gebirgsdorf nicht mehr so zur Kirche wie noch vor Jahren? Warum bedeutet auch bei uns bestimmt der Hälfte der eingetragenen „Christen" ihr Glaube und ihre Gemeinde absolut nichts mehr? Das soll nichts zu tun haben mit Wohlleben, mit Luxus, mit Bequemlichkeit, mit all dem Kram, der uns umgibt???

Was machen wir jetzt damit? Möchte ich sie heute auffordern: Gebt alles her, was ihr habt? Will ich die Parole ausgeben: Zurück in die Vergangenheit? Geht es mir darum, den Fortschritt zu bremsen?

Nun, wenn der eine oder andere von uns das „Hergeben" lernte, wäre das gewiss nicht sein Schaden! Und wenn wir gemeinsam aufhalten würden, was sich so alles heute fälschlich als Fortschritt ausgibt, dann würde unser Dorf (unsere Stadt, unsere Gemeinde) bestimmt an manchen Stellen menschlicher! Aber in erster Linie wünsche ich uns allen - und auch denen, die heute nicht oder nie zur Kirche kommen! - dass wir einmal erkennen, wie arm wir geworden sind - und das bei höchstem Lebensstandard! Wie arm am „wahren Brot, das vom Himmel kommt". Und wenn wir darüber hinaus noch sehen würden, wie das zusammenhängt: Je mehr einer an äußeren Gütern des Lebens hat, umso weniger verlangt ihn doch nach dem „Brot des Lebens". Je reicher wir an Sachen und Wohlstand geworden sind, umso kleiner die Rolle, die der Glaube an Jesus Christus bei uns spielt. Es ist wirklich so, als verstellten uns die Dinge, die wir haben und kaufen können, den Blick auf das, was uns Gott für unser Leben anbietet: Das „Brot vom Himmel".

Ich bin nun allerdings überzeugt, dass uns die Sachen und der Luxus wohl den Blick verstellen, nicht aber den Hunger stillen können! Und ich glaube, das könnte eine Chance sein

zu verändern, was uns im Grunde kaputtmacht. Es geht dabei - bitte schön - nicht um eine „Chance" auf vollere Kirchen oder ein regeres Gemeindeleben, es geht um unsere, deine und meine ganz persönliche Chance, das rechte, wahre Leben zu finden!

Haben Sie das noch nie erlebt: Sie rackern sich ab für irgendeine Anschaffung. Sie legen sich krumm und schinden sich, bis das Geld dafür zusammen ist. Dann steht die neue Couchgarnitur im Wohnzimmer oder der größere Wagen in der Garage. Und man freut sich ja auch darüber...nur wie lange? Nur zu bald geht es doch dann wieder los: Jetzt müssen wir noch dies haben, dann das und dann jenes... Und hat man's, dann verliert man immer allzu rasch den Spaß daran. Ist es nicht so? Dieser „Hunger"' kommt immer wieder! Dieser „Durst" brennt unser ganzes Leben lang!

Das kann vielleicht aber auch ganz anders gehen: Das „Brot", dem wir nachjagen, mag auch eine neue Beziehung sein, für die wir wie verblendet alle bisherigen Verbindungen aufgeben. „Brot" kann auch Sucht heißen, Vergnügen, Zerstreuung und Kurzweil. Manchmal trägt es auch den Namen „Karriere". Aber immer ist es dasselbe: Wir sind nicht zufrieden mit dem, was wir durch oft große Kämpfe und Opfer erreicht haben. Wir wollen immer mehr. Und es scheint: Keiner ist zu alt, diesem Hunger zu verfallen - und keiner zu jung! Er kommt immer wieder. Ein nie zu stillender Durst.

Wie kommt man da heraus? - Das hört sich jetzt fast ein wenig billig an, aber es kann wirklich ein Anfang sein: Man muss das einmal wahrnehmen, erkennen, dass es wirklich immer und immer wieder so ist: Du erreichst, was du wolltest - und bleibst doch hungrig! Du bekommst endlich, was du dir immer gewünscht hast - aber der Durst kehrt wieder! Warum dann nicht einmal woanders suchen? Warum die ganze Flasche trinken, wenn man beim ersten Schluck merkt, dass der Wein sauer ist? Warum nicht einmal auf den hören, der uns verheißt: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten?"

Aber wie „kommt" man zu ihm? - Da sind zuerst einmal seine Worte, die wir uns nicht nur sagen lassen können, sondern die wir wirklich ganz persönlich nehmen dürfen! Nicht nur: Dieser Jesus Christus hat Gottes Liebe in die Welt gebracht, nein: Dich liebt er so, dass er für dich auf Erden kommt, für dich leidet und stirbt! Nicht nur: Dieser Jesus Christus hat gezeigt, dass Gott der Vater aller Menschen ist, nein: Dein Vater ist er, an dir liegt ihm so viel, ohne dich will er nicht sein, dich möchte er in seiner Nähe haben! Nicht nur: Dieser Jesus Christus ist der Erstling der Auferstandenen, nein: Du sollst auferstehen, du sollst ewig bei Gott leben, für dich hat er das alles getan! Und schließlich auch nicht nur: Das darf man glauben, damit kann man leben, nein: Du darfst das glauben und du kannst das auch! Nimm es persönlich, was dir Jesu Worte zusprechen - und du wirst deine Erfahrungen damit machen.

Noch einmal: Wie „kommt" man zu dem, der sich das „wahre Brot" nennt? - Als zweites eben durch unsere Erfahrung, durch das, was wir erleben, wenn wir ihn persönlich beim Wort nehmen: Wenn du seine Liebe spürst, dann hört die Jagd nach den Sachen auf! Wer bei Gott geborgen ist, für den können alle käuflichen Dinge immer nur billiger Ersatz sein, ach, nicht einmal das! Wenn du erlebst, wie Gott dein Leben in die Hand nimmt - in guten und in schweren Zeiten - dann gibt's nichts mehr zu ersehnen und zu hetzen - dann hast du alles gewonnen, was wirklich wichtig ist. Du bist frei zum Guten, frei für deine Mitmenschen, frei für jede Tat der Liebe... Und wenn du dann fühlst, wie du hier und heute schon aus deinem verkrampften Leben auferstehst, aus all der Angst, zu kurz zu kommen, etwas zu versäumen, dann ist dir auch der Glaube an ein Leben nach dem Tod nicht mehr fremd: Wie soll es denn anders sein, als dass der Vater seine Kinder für immer lieben und bei sich haben will?

Liebe Gemeinde, gehen wir zu ihm, der uns sagt: „Ich bin das Brot des Lebens!" Sprechen wir, wie's damals die Jünger getan haben: „Herr, gib uns solches Brot!" Und erzählen wir auch unseren Mitmenschen davon - gerade denen, die ganz in unserer Nähe bei allem Kram und allen Sachen, die sie haben, vor Hunger und Durst nach dem wirklichen, dem erfüllten Leben umkommen. Sagen wir ihnen, wer allein satt machen kann! AMEN