Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis - 23.7.2017


Textlesung:
5. Mose 7, 6 - 12

Denn du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums aus allen Völkern, die auf Erden sind. Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker - denn du bist das kleinste unter allen Völkern -, sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten. So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten, und vergilt ins Angesicht denen, die ihn hassen, und bringt sie um und säumt nicht, zu vergelten ins Angesicht denen, die ihn hassen. So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust. Und wenn ihr diese Rechte hört und sie haltet und danach tut, so wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund und die Barmherzigkeit, wie er deinen Vätern geschworen hat.

Liebe Gemeinde!

Das ist heute gar nicht so einfach, diese Verse für uns zum Sprechen zu bringen. Da gibt's ja gleich einige Einwände, die wir vorbringen könnten: Zum Beispiel, dass dieser Text gar nicht für uns bestimmt war, ist schon der erste Einwand. Denn wie alt sind diese Verse doch! Bestimmt über 3000 Jahre sind vergangen, seit Gott sein Volk so angesprochen hat.

Und dann eben dies: Es ist sein Volk, "Israel", das Gott hier meint. Das Volk Abrahams, Isaacs und Jakobs. Das Volk des Alten Testaments, und des Bundes, von dem ja in dieser Geschichte erzählt wird.

Das stärkste Argument dagegen, dass uns dieser Text gilt, liegt allerdings in seinem Inhalt: Wo wäre denn das Verhältnis Gottes zu uns so eng, dass er wirklich mit uns lebte, uns durch die Wüsten unserer Tage begleitete und überhaupt eine so enge Beziehung mit uns hätte und einen Umgang, wie hier beschrieben, mit uns pflegte?: Dass er wirklich einen Bund mit uns schließt, wie es unter Menschen üblich ist. Dass er seine Menschen aus der Gefangenschaft führt, dass er liebt und schwört und vergilt und überhaupt so viele Züge hat, wie Menschen sie haben? Ist Gott wirklich so - und dann: Kann und darf man überhaupt so von ihm reden?

So ganz einfach wollen wir es uns jetzt nicht machen, dass wir sagen: Das ist doch ein alttestamentlicher Gott, von dem wir hier hören. Wir beziehen uns doch auf Jesus Christus und wir haben doch den neuen Bund, das Neue Testament. - Ich muss eigentlich immer eher staunen - und auch heute wieder! - wie sehr dieser Gott des Alten Testaments doch schon die Züge des Vaters Jesu Christi trägt!

Aber lassen Sie uns doch einen Augenblick einfach einmal so tun, als wären das doch Worte an uns. Legen wir alle Vorbehalte einen Moment beiseite und sehen wir, was diese Verse uns dann sagen könnten:

Du bist Gott heilig, sagen uns diese Verse. Gott hat dich erwählt. Du gehörst Gott. Er hat dich zu seinem Eigentum bestimmt. - Ich muss dabei an meine Taufe denken. Ich weiß nicht, ob sie Ihnen auch einfällt. Aber das liegt heute - an diesem 6. Sonntag nach Trinitatis - ja nicht so fern. Heute drehen sich schließlich alle Texte, alle Gebete, alle Lieder irgendwie um die Taufe.

Ich höre also: Ich bin von Gott erwählt. Ich bin ihm heilig. Und ich spüre auf einmal, wie ich aufatme und die angstvollen Gedanken, die mir doch auch immer wieder im Kopf herumgehen, verfliegen. Ich gehöre Gott! Er hat über mir seinen Anspruch und seinen Segen gesagt. Es kann mir in meinem Leben viel begegnen, aber doch nichts, was diesen Segen wirkungslos machen kann. Gottes Segen wird mich hindurchtragen durch alle dunklen Täler meiner Zeit, durch die Wüsten meiner Jahre und wird mir dann Kraft und Mut geben, wenn es steil wird und ich schwach werde. Und dieser Gott wird mich nie verlassen und mich nicht an das Vergessen, nicht an Tod und Teufel verlieren. Ich gehöre ihm - ewig!

Aber es geht weiter in diesen Versen und den Gedanken, die sie uns sagen: Nicht hat der Herr dich angenommen, weil du größer wärest als andere Menschen, sondern weil er dich geliebt hat. Ist das nicht, als würde Paulus hier sprechen, der damit die Predigt Jesu zusammenfasst: Aus Gnade seid ihr gerettet worden und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es! (Eph. 2,8) Ich höre also auch hier schon, dass ich keine Verdienste vorzuweisen habe vor Gott, dass mich nichts, gar nichts würdig macht vor ihm, groß, ansehnlich oder auch nur rechtschaffen. Wir sind allzumal Sünder, sagt Paulus. Du bist im Gegenteil das kleinste unter den Völkern, lesen wir bei Mose. Es ist Gottes freier Gnadenwille, wenn er uns annimmt. Wir haben nichts geleistet und wir können nichts leisten. Alle unsere Gaben kommen ja doch von Gott her. Unser ist nichts. Ein Recht - gibt es nicht. Einen Anspruch - haben wir nicht. Ein Mensch verdient nichts, gar nichts - außer dem einen: Jesus Christus.

Aber lesen wir weiter in diesen uralten Versen: Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und erlöst von der Knechtschaft... Hier wird es jetzt vielleicht für manche unter uns schwierig. Das war ja schon vorhin die Frage: Führt uns Gott wirklich? Befreit er uns, greift er überhaupt so deutlich in unser Leben ein? Handelt er an uns, so dass wir es spüren können?

Mir kamen dazu zwei Dinge in den Sinn, das erste ist persönlich, das zweite hat mit uns allen zu tun: Immer einmal abends, wenn ich nach einem Arbeitstag zur Ruhe und mir die Erinnerungen an frühere Zeiten meines Lebens in den Sinn kommen, entstehen in meinem Kopf solche Gedanken: Gab es für mich nicht schon Zeiten, in denen ich unsicher war, ob für mich die Zukunft gut wird, ob ich meinen Platz im Leben finde und ob ich mein Auskommen und einen lieben Partner haben werde. Und jetzt, heute, darf ich so vieles von dem genießen, was ich mir einmal gewünscht und ersehnt habe. Und vor diesem Hintergrund, muss ich zu mir selbst sagen: Vergiss nicht, dass es auch hätte anders kommen können. Vergiss nicht wie viele nicht haben und nie haben werden, was du hast!

Das zweite, was mir einfällt, ist eine Erfahrung, die ich schon häufig mit anderen Menschen in meiner Umgebung gemacht habe. Dutzende von Beispielen wüsste ich, aber ein paar mögen genügen Ich will Sie dazu etwas fragen: Wissen Sie noch, was Sie da haben, wenn es hier im Ort eine Kirche gibt und einen Gottesdienst - jeden Sonntag - in dem Sie Kraft schöpfen dürfen und Trost erhalten? Und unsere Kirche dient uns auch für unsere Trauerfeiern, die wir in ihr geschützt vor Sonne und Wind, Regen und Kälte halten dürfen. Und es sind dann auch nur ein paar Schritte zum Friedhof. Und wissen Sie noch, was Sie da haben, wenn in manchen Straßen noch die Nachbarschaft funktioniert, die Gemeinschaft noch lebt, einer nach dem andern fragt und sieht und einfach einmal zu Besuch kommt?

Was ich damit sagen will ist sicher deutlich: Alles, wirklich alles wird uns mit der Zeit ganz selbstverständlich. Wir merken es oft gar nicht mehr, wie wir die größten Gaben dann achtlos und vor allem ohne Dank hinnehmen, als wären sie nichts. Und manchmal ist es dann so, dass wir die Geschenke unseres Lebens erst dann wieder würdigen können, ja, überhaupt wahrnehmen, wenn sie uns genommen wurden.

Und genauso auch hier: Gott hat dich aus der Knechtschaft herausgeführt! Nehmen wir dieses Wort doch jetzt als die Beschreibung unseres Lebens: Frei sind wir. Reich sind wir. Unser Auskommen haben wir und großen Wohlstand! So viele gute Gaben sind in unseren Händen! Frieden haben wir! Durch Gesetze ist unser Leben, unser Leib und unsere Habe geschützt. Freude wird uns täglich geschenkt, und auch leidlich gesund sind wir doch - gesünder jedenfalls als manche Mitmenschen. Haben wir da nicht die "mächtige Hand" Gottes erfahren? Von wo soll das alles denn sonst herkommen, wenn nicht von ihm? Nur: Vielleicht ist es ja schon längst klein geworden für unsere Augen, unbedeutend und nicht der Beachtung wert - weil wir es ja schon gar nicht mehr anders kennen!?

Liebe Gemeinde, nein, ich kann nichts Altes, Überholtes und nichts, was für uns nicht gemeint wäre, in diesen Versen entdecken! Wie in unsere Zeit gesprochen höre ich diese Worte. Direkt an dich und mich gerichtet sagen sie uns:

Ich habe mit dir bei deiner Taufe einen Bund geschlossen. Du bist mir heilig. Ich habe dich erwählt. Du bist mir unendlich wertvoll! Aber nicht weil du so groß oder würdig wärest! Allein weil ich dich lieb habe. Ich habe dich aus der Knechtschaft geführt in die Freiheit meiner Kinder! Ich versorge dich noch täglich mit allem, was du zum Leben brauchst. Das will ich tun bis ins Alter - ja, bis in Ewigkeit.

Ist es vor dieser großen, unverdienten Verheißung Gottes nun zu viel verlangt, wenn wir zum Einschlagen aufgefordert werden?: So sollst du nun wissen, dass der Herr, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit bis ins tausendste Glied hält denen, die ihn lieben und seine Gebote halten.

Wie werden wir uns verhalten? Nehmen wir seinen Bund an - heute neu? AMEN