Predigt zu "Christi Himmelfahrt" - 25.5.2017


Textlesung:
1. Kön. 8, 22-24.26-28

Und Salomo trat vor den Altar des HERRN angesichts der ganzen Gemeinde Israel und breitete seine Hände aus gen Himmel und sprach: HERR, Gott Israels, es ist kein Gott weder droben im Himmel noch unten auf Erden dir gleich, der du hältst den Bund und die Barmherzigkeit deinen Knechten, die vor dir wandeln von ganzem Herzen; der du gehalten hast deinem Knecht, meinem Vater David, was du ihm zugesagt hast. Mit deinem Mund hast du es geredet, und mit deiner Hand hast du es erfüllt, wie es offenbar ist an diesem Tage. Nun, Gott Israels, lass dein Wort wahr werden, das du deinem Knecht, meinem Vater David, zugesagt hast. Aber sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe? Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörest das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir.

 

Liebe Gemeinde!

Das "Gebet Salomos zur Einweihung des Tempels" so heißt dieser Abschnitt aus der Heiligen Schrift für Theologen und Bibelleser. Und aufs erste Hören ist uns das alles so fremd und so fern wie der König Salomo, wie der Tempel von Jerusalem und wie seine Einweihung vor fast 3000 Jahren! Was fangen wir mit diesen Worten an? Was könnten sie uns sagen in unseren Tagen, heute - zu Christi Himmelfahrt?

Himmel-fahrt...Himmel... Gleich dreimal ist davon die Rede in diesem Text und das alles in einem Vers: "Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?" Ob dieser Satz vielleicht mit uns sprechen kann in unserer Zeit, am Tag der Himmelfahrt unseres Herrn? "...der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen...", Gott, so groß, so gewaltig bist du! - Ich höre da Staunen und in diesem Staunen ein Lob des Schöpfers und Herrn der Welt. Ich sehe da das Kopfschütteln über dieses Wunder damals und heute, dass dieser Gott, der das Universum gemacht hat, sich mit uns kleinen Geschöpfen abgibt. Und ich spüre die Demut Salomos, der doch ein König war und dem es dennoch bewusst ist, wie viel größer dieser Gott ist, als all unser Denken und Begreifen, unser Ahnen und Vermögen, unser Rühmen und Loben: Unfassbar bist du, Gott, größer als das Weltall und alles, was wir uns vorstellen können, wie solltest du da in einem Tempel wohnen, den Menschen gemacht haben und der in all seiner Pracht nicht wert ist, dass auch nur dein Schatten darauf fällt!

Doch, liebe Gemeinde, jetzt weiß ich, was das mit uns, unserer Zeit und mit dem Fest zu tun hat, das wir heute feiern! Es ist genau dieses Staunen, das uns abhandengekommen ist. Es fehlt uns die Demut, die wir hier noch erkennen. Wir schütteln nicht mehr die Köpfe, wenn uns jemand sagt: "Gott wohnt unter uns!" Wir haben uns daran gewöhnt, das zu hören und selbst so zu sprechen, wie wir's heute am Feiertag vielleicht tun: "Unsere Kirche ist das Haus Gottes!" Oder im Alltag, wenn wir Christen sein wollen: "In jedem Mitmenschen begegnet mir Jesus!" Oder auch theologisch und dogmatisch korrekt: "In Christus ist Gott selbst Mensch geworden!" Wir haben uns an das alles gewöhnt. Das lässt uns nicht mehr ungläubig verwundern, nicht mehr aufsehen und aufhorchen. Und es war doch zur Zeit Salomos, und es ist doch heute und es wird immer, so lange Menschen auf dieser Erde wohnen, das größte, gewaltigste und schönste Wunder sein, dass Gott eben nicht im Himmel geblieben ist, nicht dort oben thront und auf uns herabsieht, sondern dass er herabsteigt in Tempel und Kirchen, aber auch in Stall und Haus, Schlösser und Hütten, in unsere alltägliche Erfahrung, unser Leben und die Beziehung mit solchen Leuten, wie wir es sind.

Aber gehen wir den Wirkungen dieses Wunders im Alltag, in unserem Leben, in dieser Zeit nach, da wird es vielleicht deutlicher, wieviel Gewöhnung, wieviel Selbstverständlichkeit uns dieses Wunder verdunkeln, so dass wir seinen Glanz, sein helles Strahlen nicht mehr wahrnehmen:

Du, der du dich für gering und klein hältst, wenn du immer wieder denkst, du wärest doch unwichtig und was läge schon daran, ob du diese Arbeit machst und an diesem Platz stehst im Leben, in der Familie und der Gemeinschaft des Dorfes und ob du dort deine Aufgaben erfüllst oder nicht...

Nur du kannst sie erfüllen! Und sie sind unendlich wichtig, denn Gott selbst hat sie dir gegeben und er ist auch bei dir, in allem, was du beginnst und vollendest. Nichts davon ist unwichtig! Was du tust ist wesentlich! Viele Menschen sind froh und dankbar, dass es dich gibt. Sie lieben dich und wenn du nicht da wärest, würdest du ihnen fehlen. Du bist gewollt von Gott, begnadet von Gott, gesegnet und geführt von ihm. Und wenn du manches Mal meinst, er wäre dir nicht mehr so nah, wie vielleicht noch vor Jahren, wenn du denkst, er wäre vielleicht in den Hintergrund getreten oder gar abgereist, dann frage dich doch auch selbst, ob du ihn nicht verlassen hast, aus deinem Alltag und Sonntag verdrängt hast und ob nicht du ihn nicht mehr deinen Herrn sein lassen wolltest? Aber - selbst dann - der große Gott ist da, wartet im Hintergrund deines Lebens und tritt auch wieder hervor, wenn du ihm deine Zeit, deine Kraft, deine Liebe schenken willst. Der Herr aller Herren macht sich zum Knecht deines Wollens: Er will in dein Leben gebeten sein. Er will sich nicht aufzwingen. Er will dich frei lassen und kommt nicht eher an deine Seite, als bis du ihn rufst. Gott, dein Herr, macht sich so klein, dass man ihn übersehen kann. Der Schöpfer aller Dinge und deines Lebens lässt dir deinen Willen, bis du, das Geschöpf, den seinen suchst! - Ein Wunder!

Und du, die so schwer trägt an mancher Schuld, den vielen Lügen, den verpassten Chancen und verspielten Möglichkeiten... Wenn du oft meinst, es wäre zu spät, neu zu beginnen, wenn du eigentlich nur erwartest, dass es ein paar Jahre noch so weitergeht und dann im Tod und im Vergessen endet, wenn du dir so gar nichts mehr zutraust und auch nicht weißt, wo denn die Kraft herkommen soll... Gott ist schon neben dir. Er ist ganz nah, so nah wie ein Gebet. Ja, du hast ihn gekränkt, deine bösen Gedanken haben ihn traurig gemacht, manche Gemeinheit gegenüber deinen Mitmenschen hat auch ihm wehgetan. Aber er hat dich nicht verlassen, keinen einzigen Augenblick! Und er will noch heute mit dir neu anfangen, er schenkt dir Vergebung und Liebe, er streckt dir die Hand hin - schlag ein! Gottes Größe heißt nicht, dass er unnahbar wäre! Seine Majestät ist nicht, dem Sünder zu zürnen. Der Himmel, den wir weltenfern wähnten, ist mitten unter uns. - Ein Wunder!

Und wir alle, die nicht mehr staunen können, wir, denen die Worte vom menschgewordenen Gott, dem Christus, der unser Bruder ist und der Liebe Gottes zu uns armseligen Menschen so selbstverständlich ins Ohr gehen, wir wollen es heute neu sehen, begreifen und uns darüber verwundern: "Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen", Gott, und du hast dich doch so klein gemacht, dass du in unsere Kirchen und Tempel, unsere Häuser und Wohnungen, ja, sogar in unser Herz hineinpasst. - Ein Wunder!

Liebe Gemeinde, wir feiern heute das Fest "Christi Himmelfahrt". Wir bedenken gerade heute Gottes Größe und Herrlichkeit. Wir sind eingeladen über die Niederkunft Gottes in diese Welt zu staunen und manches, was uns so selbstverständlich geworden ist, zu bedenken, neu zu werten und zu verstehen. Und vielleicht ahnen wir jetzt auch, warum dazu gerade dieser Festtag heute so passend und richtig ist!? Wenn wir hören, dass Gottes Sohn, Jesus Christus "aufgefahren ist in den Himmel", dann begreifen wir vielleicht erst so recht, was es heißt, dass er auf der Erde war! Wäre er nicht zurückgekehrt dorthin, wo seine Herrlichkeit wohnt und seine Macht regiert, würden sich also nach der Auferstehung seine Spuren im Dunkel Palästinas und der Geschichte verlieren, wir könnten gewiss nicht achten, was da eigentlich geschehen ist, wenn Gott selbst zur Erde kommt.

Liebe Gemeinde, ich wünsche uns von Herzen, dass wir heute neu das Staunen lernen, dass wir demütiger werden, dass wir Gott darüber loben, dass er sich zu uns kleinen Leuten hingezogen fühlt und sich auf uns einlässt, dass wir so wenigstens ein Stück von dem Wunder verstehen, dass sich jetzt Himmel und Erde ein für alle Mal berühren.

"Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen - wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?" Und doch ist Gott in diesem Haus, seiner Kirche! Und doch wohnt er unter uns kleinen Menschen. Und doch sieht er nach uns allen und niemand ist ihm zu gering. Und doch will und kann er jedem Leben Sinn und unserer und aller Zeit ein Ziel geben. Und doch will er Schuld verzeihen und einen neuen Anfang schenken. Und doch segnet er unser Tun und Lassen und hat Aufgaben für uns an der Welt und ihren Menschen. - Wunder über Wunder! AMEN