Predigt zum Sonntag "Exaudi" - 28.5.2017

Textlesung: Jh. 7, 37 - 39

Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.

Liebe Gemeinde,

ist er jetzt da, der Geist, den die Christen empfangen sollten? Sehen wir, dass "Ströme lebendigen Wassers" fließen? Ja, gehen sie gar von uns aus? Finden unsere Mitmenschen bei uns die Quelle, die sie tränkt und erfrischt, wenn sie voller Mühsal und Kummer sind und fast verdurstend durch ihr Leben taumeln? Erfahren sie an uns den Geist, der sie froh macht, beseelt und auch be-geistert?

Sehr persönliche Fragen! Aber ich merke immer mehr, dass unser Christenglaube und alles, was mit ihm verbunden ist, sehr persönlich ist! Das Gebet zum Beispiel: Das sind doch unsere innersten Wünsche, die wir Gott vortragen. Und das ist doch unser ganz persönlicher Dank, den wir (hoffentlich!) vor ihn bringen? Und die Liebe... Gibt es etwas, das noch persönlicher sein könnte, als sie? Da bin ich doch mit meiner ganzen Person beteiligt. Da hängt doch all mein Gefühl daran, meine Sehnsucht und mein ganzes Herz, wenn ich geliebt werde und wenn ich selbst liebe!

So ist auch der Glaube: Wenn ich ihn habe, wird man an meinen Worten und Taten messen, wie er ist, dieser Glaube. Wenn ich sage, ich vertraue auf Gott, sein Geist ist mit mir, ja, in mir, dann gebe ich vom selben Augenblick an für meine Mitmenschen ein Bild ab für den Glauben, oder aber ich versage vor seinem Anspruch.

Aber wir möchten gern wissen, wie eine "lebendige" Sache wie der Glaube im Leben aussieht. Wir möchten wissen, wo Gottes Geist ganz praktisch unter uns wirksam wird. Wir wollen ihn heute erfahren, sehen wo und wie er sich in unseren Tagen äußert, und wir wollen ihn selbst auch ausstrahlen und weitergeben an die Menschen. Hier sind einige kleine - aber doch so wichtige! - Geschichten und Erfahrungen aus dem Alltag, wie wir sie erleben oder doch erleben könnten. - Ich spüre im Hintergrund dieser Geschichten, dass Gottes guter Geist auch in unseren Tagen am Werk ist:

- Ein noch recht junger Mann ist überraschend gestorben. Die Witwe, die er zurücklässt, ist völlig verzweifelt. Sie hat es nicht gelernt bisher, ihr Leben allein zu bewältigen, hat es ja auch nie gemusst... Jetzt weiß sie nicht, wie es weitergehen soll.

Aber da ist die Nachbarin, eine überzeugte Christin, selbst schon länger Witwe, die sich ihrer annimmt: Täglich schaut sie nach der Trauernden, verbringt viele Stunden bei ihr, kocht ihr und schläft sogar nachts bei ihr, versucht sie wieder zu einem eigenen Leben zu führen, aber nimmt ihr eben nicht alles ab, leitet sie vielmehr voller Güte und Freundlichkeit dazu an, Dinge zu tun, die sie nie vorher getan hat, auf Behörden und Ämter zu gehen, was sie nie gelernt hat und so ihr Leben in die Hand und in den Griff zu bekommen, wozu bis zu dieser Zeit kein Anlass gewesen ist. Die Nachbarin betet auch mit ihr, sagt ihr manches tröstliche Wort aber sie tut doch auch, was mindestens ebenso wichtig ist: Sie hilft einem Menschen mit dem, wie sie handelt, zu sich selbst, begleitet ihn dabei, sein Schicksal anzunehmen und mitzugestalten. - Ich sehe hier Gottes Geist in unserer Welt wirken und er bedient sich dabei des Glaubens, des Mundes, der Hände und Füße eines Menschen.

- Ein Handwerker ist in seinem Betrieb für die Lehrlingsausbildung zuständig. Er ist ein gläubiger Christ, der seine innere Einstellung auch im Leben bewähren will. Er hat es gern mit den jungen Leuten zu tun. Er leitet sie an, bis sie alle Kunstgriffe des Berufs beherrschen. Noch nie ist einer, den er auf die Prüfung vorbereitet hat, durchgefallen! Aber er tut noch viel mehr! Unaufdringlich sagt und zeigt er den jungen Leuten, die ja noch auf der Suche nach einer Lebensmitte sind, was sein Halt ist, woran er glaubt und worauf er hofft. Wenn er mit seinen Schützlingen mittags in der Kantine sitzt, dann betet über seinem Essen. Er lässt auch durchaus einmal am Montagmorgen einfließen, dass er tags zuvor zum Gottesdienst in seiner Kirche war. So hat er schon manche Frage ausgelöst und gern beantwortet - und mancher hat auch verstanden: Dass es ja wirklich ein Geschenk ist, zu essen zu haben, täglich satt zu werden! Und dass es nicht nur Zwang oder leidige Pflicht sein muss, wie ja gerade junge Menschen oft denken, wenn man sich sonntags eine Predigt anhört und mit anderen Christen den Gottesdienst feiert.

Aber er nutzt auch die Gelegenheiten, die sich ihm ergeben, wenn die jungen Leute mit ihren Sorgen herausrücken und mit ihren Problemen in ihren Beziehungen oder Familien. Ohne sich aufzudrängen auch hier, spricht er doch aus, was er als Christ denkt und vielleicht tun würde. So hat er schon manchen Jugendlichen erreicht, viele zurechtgebracht und oft zu einem tieferen Nachdenken über wichtige Lebensfragen angeregt. - Es ist für mich Gott selbst, der sich dieses Mannes und seines Glaubens bedient. Durch ihn hat Gottes Geist schon manches mal ganz praktisch in das Leben vieler junger Leute eingegriffen!

- Dann gibt es noch den Kommunalpolitiker, der vor seinen Gemeinderatskollegen keinen Hehl daraus macht, dass ihm die Bibel eine häufige Lektüre ist und durchaus wichtiger als das Wahlprogramm der Partei, der er angehört. Da ist der Leiter eines Gesangvereins, der im gemischten Chor, dem er vorsteht, keinen Übungsabend ohne ein christliches Segenslied beschließt. Da ist die Lehrerin für Religion und Deutsch in der Gesamtschule, die mit ihren Kindern zu Beginn der ersten Stunde immer gemeinsam betet - auch wenn diese erste Stunde 'Deutsch' dran ist! Und schließlich gibt es noch so viele andere, die sich ähnlich redlich und ganz praktisch bemühen, dass man ihrem Leben ansieht, ihrem Handeln abspürt und dem, was sie sagen, abhört, dass ein christlicher Glaube dahintersteht und die gelebte Überzeugung, dass Gott in seiner Welt heute zur Sprache und zur Tat werden will und kann.

In einer Mappe für die Konfirmandenarbeit in unserer Zeit heißt es in Merkversen für die Jugendlichen: "Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun; er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen, er hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen...wir sind die einzige Bibel, die die Öffentlichkeit noch liest."

Liebe Gemeinde, wenn wir das unterschreiben können, dann wollen wir diese Arbeit, diesen Dienst an den Menschen auch aufnehmen! Wir werden dann erleben, was sich in diesen biblischen Versen für heute so ausdrückt: "Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen." Dieses lebendige Wasser wird den Durst leidender Menschen stillen. Es wird die erfrischen, die bei uns Wärme, Geborgenheit, Weisung und Hilfe suchen. Es wird denen Heilung sein, die mit ihrer Schuld und ihrem Versagen allein nicht ins Reine kommen. Es wird jenen, die aufgeben wollen, neue Kraft und neue Zuversicht schenken. - Und sicher nicht zuletzt wird es uns selbst erfreuen, wenn wir sehen und spüren dürfen, wie wichtig wir für andere sind, wie sehr sie uns brauchen, schätzen und lieben. Kein Tropfen dieses lebendigen Wassers, das wir verschenken, ist vergeudet! Es benetzt das trockene Land mancher geschundenen Seele, es feuchtet Herzen, die verdorren wollten, es spendet Leben und Frucht, wo alles tot schien, vergeblich und aussichtslos.

Und wenn uns wirklich einmal die Kraft ausgehen will, wenn wir uns verausgabt haben im Dienst für die Mitmenschen, dann wollen wir diese Empfehlung beherzigen: "Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!" Bei ihm, unserem Herrn, können wir immer wieder neu heraufbringen vom Wasser des Lebens, schöpfen und holen aus unversieglichem Brunnen.

Das alles soll geschehen, wenn der "Geist kommt, den die empfangen sollen, die an ihn glauben".

Darum noch einmal, liebe Gemeinde, ist er schon da, der Geist, der über uns kommen soll, über uns, ganz persönlich? Sehen wir, dass "Ströme lebendigen Wassers" fließen - bei uns? Finden unsere Mitmenschen bei uns die Quelle, die sie tränkt und erfrischt, wenn sie voller Mühsal und Kummer sind und fast verdurstend durch ihr Leben taumeln? Erfahren sie an uns den Geist, der sie froh macht, beseelt und auch be-geistert?

Am Heiligen Geist Gottes wird es nicht liegen, der ist uns versprochen! Aber geben wir in unserem Leben ganz praktisch an andere von diesem Geist weiter? Anders gesagt: Nehmen wir nur vom "lebendigen Wasser" in uns auf, oder lassen wir es in Strömen weiterfließen zu unseren Nächsten? Vergessen wir es nicht: Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, keine Füße, nur unsere Füße, keine Lippen, nur unsere Lippen! - Wir sind gemeint, ganz persönlich!

AMEN