Predigt am 15. Sonntag nach Trinitatis - 4.9.2016

Textlesung: 1. Petr. 5, 5c - 11

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Liebe Gemeinde!

Sehr gewichtige Worte! Über viele Themen könnte man dazu reden: Über Demut und Hochmut vielleicht. Oder über die Sorge und die Sorglichkeit, den Glauben und die Gnade. Und nicht zuletzt über die Herrlichkeit, zu der uns Gott berufen hat und die Ewigkeit, in der wir sie einst sehen sollen. Nur: über alle diese Themen kann man nicht sprechen! Das ist zu viel für eine Predigt und am Ende wäre man keinem dieser Worte gerecht geworden. Was also tun?

Wir könnten uns davon leiten lassen, was von dem Gehörten in unserer Bibel kursiv oder fett gedruckt ist. Das sind hier diese zwei Sätze: "Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade." Und: "Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch." Aber auch das ist mir noch zu viel für eine Ansprache. Und es scheint doch auch recht gewaltsam, sie beide in einer Predigt unterbringen zu wollen. Darum noch einmal: Was tun? -

Ich habe mich davon leiten lassen, dass einer der beiden Sätze ja auch noch der Wochenspruch ist! Das spricht nun wirklich für ihn und dass wir ihn jetzt betrachten: "Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch." Hört sich gut an, dieser Vers, nicht wahr. Wir sagen dazu gewiss: Ja, so ist es! Wir empfinden vielleicht auch seine Sprache als schön und eingängig. Wir können ihn uns gut merken. Es ist bei diesem Wort so, wie auch bei einigen anderen schönen Bibelworten. Ich gebe einmal ein paar Beispiele: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Oder: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn; er wird's wohl machen. Oder auch: Ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende. Das alles sind genauso schöne Worte, die wir vielleicht auch zum bleibenden Besitz unseres Gedächtnis' zählen.

Was ich aber dazu in meinem Leben lernen musste, ist dies: Es ist zu wenig, wenn wir solche Verse nur schön finden und vielleicht noch aus-wendig hersagen können. Es ist zu wenig, wenn diese Worte nur unser äußerlicher Besitz sind. Wenn es ernst wird in unserem Leben, dann helfen sie nicht, bloß weil wir sie dann hören oder uns selbst wieder und wieder hersagen.

Ist es nicht so: Das kannst du noch und noch vor dich hinsprechen: Der Herr ist mein Hirte..., wenn du vor der Operation stehst und die Ärzte mit den grünen Kitteln und dem Mundschutz vor Augen hast, dann denkst du nur noch: Ob die wohl keine Fehler machen, ob die einen guten Tag haben, ob ihre Kunst wohl zum Erfolg führt und ich durch die Krankheit hindurchkomme?

Und in den Stunden der Angst, wenn du auf einen Menschen wartest, der lange ausbleibt, oder darauf, ob geschieht, was du hast kommen sehen... Dann beruhigt es dich nicht, dieses Wort vor dich hin zu sagen: Befiehl dem Herrn deine Wege... Da lenken dich ganz andere Gedanken ab: Wenn ihm nun etwas zugestoßen ist? Wenn er nun nie mehr kommt? Wenn das eintritt, wovor es mir schon so lange graut?

Und schließlich am Abend des Lebens, wenn es still um dich geworden ist und du dich vielleicht vor dem Einschlafen so ganz allein und von aller Welt verlassen fühlst - dann nützt es wenig, wenn du dir diesen Vers auch noch so oft wiederholst: Ich bin bei euch alle Tage... Da brauchst du einen, der dir das verbindlich und glaubhaft zusagt: Es ist einer jetzt in deiner Nähe. Du bist nicht so einsam, wie du dich fühlst. Gott ist bei dir.

Und genau so ist es eben auch mit diesem schönen Wort, das der Wochenspruch für die kommenden acht Tage ist: All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch! Wenn du dir die schlimmsten Sorgen machst, wenn dich die Furcht verzehrt und die böse Erwartung zu Boden drückt, dann kommt solch ein Wort einfach nicht an gegen die bösen Gedanken und die Angst.

Liebe Gemeinde, sicher fragen sie sich jetzt, worauf ich eigentlich hinauswill heute? Sind denn diese schönen Worte alle nichts wert? Lohnt es sich gar nicht, wenn man sie kennt und im Gedächtnis hat?

Eine klare Antwort auf diese Fragen: Es lohnt sich sehr wohl und es ist sehr wertvoll - aber es ist nicht genug, sie für den Notfall im Kopf zu haben! Was ich in manchen dunklen Stunden gelernt habe und was viele von Ihnen haben lernen müssen: Wir müssen auch schon in guten Tagen mit diesen Worten und ihrer Wahrheit umgehen, mit ihnen leben, sie sozusagen üben wie eine Fähigkeit, von der vielleicht einmal viel, ja, alles abhängen kann!

Aber was ich da meine, soll jetzt auch ganz praktisch werden: Etwa dieses Wort: Der Herr ist mein Hirte... stimmt doch nicht erst, wenn ich vor lauter Furcht und Verzweiflung keinen Weg und Steg mehr sehe! Nein, auch in guten, gesunden Tagen soll ich damit aufwachen, den Tag über leben und arbeiten und mich abends damit niederlegen. Der Herr ist mein Hirte - das heißt: Nach mir sieht einer. Immer! Ich gehe nicht allein durch meinen Tag. Ich habe einen an meiner Seite, der schützt mich, der stärkt mich, sein gutes Wort baut mich auf. Er verteidigt mich gegen alle Angriffe!

Oder dieses Wort: Befiehl dem Herrn deine Wege...er wird's wohl machen! - Das ist doch kein Wort nur für Zeiten der Angst und des bangen Wartens! Auch die guten Wege meines Lebens verdanke ich Gott! Auch wenn ich auf der Höhe bin, wenn ich die besten Erfahrungen mache, dann genieße ich das, weil Gott es mir schenkt! Alles verdanke ich ihm, was ich nur bin und habe und kann.

Und das: Ich bin bei euch alle Tage... Warum fällt uns das immer erst ein, wenn die trüben Tage kommen? Auch in hellen Zeiten, den frohen Stunden und schönen Erlebnissen ist Gott bei uns! Er gibt uns die Gründe zum Lachen, die Lust am Leben, das unbändige Glück der Liebe, die Freude an unserer Familie, die herrlichen Augenblicke, von denen wir uns wünschen, dass sie nie vergehen.

Und schließlich ist das auch bei diesem Wort so: All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch! Gottes Sorge für mich beginnt doch nicht erst, wenn ich mein Krankenzimmer betrete, wenn mich ein böses Leiden aufs Lager wirft oder wenn die Ärzte sich die Operationskittel anziehen und mich die große Furcht vor der Zukunft befällt oder wie der Eingriff wohl ausgeht. Unser ganzes Leben bis heute ist Gottes Sorge gewesen! Von ihm kamen auch unsere langen schönen Zeiten her, die Jahre voller Licht, die vielen Sonnenstunden, die Momente voller Seligkeit... Immer hat Gott uns unter seinen guten Augen gehabt und seine Hände über uns gehalten.

Liebe Gemeinde, so unscheinbar sich das jetzt vielleicht auch anhört: Das ist es, was wir in den schweren Zeiten unseres Lebens lernen sollen: Es ist zu wenig, wenn wir diese schönen und wahren Worte erst in den Leidenstagen hervorholen. Es ist zu wenig, wenn wir sie nur aus-wendig können. Immer schon gelten sie. Immer schon sollen sie uns begleiten, eben als unser in-wendiger Besitz.

Darum üben wir uns in diesen Worten. Beherzigen wir sie schon auf den Höhenwegen durch unsere Zeit, dann werden sie auch helfen und wirksam sein, wenn wir in die dunklen Lebenstäler kommen.

Vielleicht beginnen wir diesen neuen, wirklich hilfreichen Umgang mit solchen schönen Worten heute mit diesem: All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch! Das soll unser erster Gedanke sein am Morgen. Das soll wie der Grundakkord unseres Tages durch alle Stunden klingen: Gott sorgt für mich! Das soll das Letzte sein, was wir uns am Abend vor dem Einschlafen sagen: Alles, was ich heute erlebt habe, kam von ihm her. Alles, was mich gefreut hat, war sein Geschenk. Alles, was mir schwer war, hat er mitgetragen. Kein Atemzug, den ich getan habe, ist ihm entgangen. Kein Wort von mir, das er nicht gehört hat. Was auch heute war und morgen sein wird, ich bin bewacht von Gottes Sorge und Güte.

Liebe Gemeinde, wenn ich mit solchen Worten, die ich geübt und gelebt habe in Zeiten der Krankheit, der Angst und des Leidens gehe, dann haben sie auch da die Kraft, die sie brauchen, um wirklich zu helfen und zu trösten. - Noch einmal: Geübt wollen sie sein, diese schönen Worte. Gelebt und beherzigt. Schon in den guten Tagen, dann - und nur dann - helfen sie auch in den bösen. - All eure Sorge werft auf Gott, denn er sorgt für euch! AMEN