Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis - 24.7.2016

Liebe Gemeinde!

Ich weiß nicht genau, ob wir das alle beklagen, aber wir spüren es doch: Dieser Zeit und ihren Menschen ist vieles "gleich-gültig" geworden. Ich weiß kein besseres Wort dafür und ich meine es auch wörtlich: Es "gilt" den Menschen dieser Tage vieles "gleich". Ob du nun Christ bist oder Moslem - jeder muss nach seiner eigenen Fasson selig werden. Ob einer überhaupt gläubig ist oder Gott leugnet - was soll's, es ist doch seine Sache. Ob einer in die Kirche geht oder nicht - was interessiert uns das schon?

Aber das ist nicht nur in religiösen Dingen so. Ob die Not oder das Leid ins Nachbarhaus einzieht - jeder hat doch sein Päckchen zu tragen! Ob die Tochter aus dem Haus gegenüber endlich ihren ersehnten Berufsabschluss gemacht hat - wer freut sich mit? Wer überhaupt neu in unserem Ort (unserem Stadtteil, unserer Straße) wohnt - wer weiß das noch und wer kennt die Leute oder will sie auch nur kennen?

Es gibt sicher Ausnahmen. Nicht alle sind so. Nicht jeder schaut nur auf seinen eigenen Weg. Und es sind auch gewiss nicht nur die Christen, die noch nach ihren Nachbarn sehen, durchaus nicht. Aber im Großen und Ganzen ist das der Geist dieser Zeit: Wenig Interesse aneinander, mehr und mehr lebt jeder nur für sich und vor sich hin, eben "gleichgültig".

Hören wir in diese Gedanken hinein ein paar Verse aus dem Philipperbrief:  

Textlesung: Phil. 3, 7 - 11. 12 - 14

Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleichgestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten. Nicht, dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin. Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.

Wir könnten uns jetzt sicher in tief-theologische Erörterungen verlieren. Aber mir geht es heute um etwas anderes: Spüren Sie die Begeisterung dieses Mannes? Der ist einfach angerührt von der Wahrheit seiner Sache. "Ich gehöre zu Christus...", das schreit geradezu aus jeder Zeile. "Ich bin einer seiner Leute. Ich bin ganz auf seiner Seite." Hören Sie doch nur die starken Worte, die Paulus gebraucht: Was mir Gewinn war, ist mir jetzt Schaden! Überschwängliche Erkenntnis Christi... Was ich früher gedacht habe und geglaubt habe, ist mir jetzt Dreck, ja, es ist mir "Kot", wie es eine andere Übersetzung sagt.

Neulich fragt eine junge Frau im Gespräch mit einer anderen: "Ist das denn nicht ein und derselbe Gott, den die Moslems anbeten und die Hindus und wir Christen? Ist es dann nicht eigentlich egal, woran wir glauben?" Ich will nicht sagen, was die andere geantwortet hat. Aber können Sie sich vorstellen, wie Paulus reagiert hätte? Alles andere als "gleichgültig" jedenfalls! "Ich kenne doch meinen Jesus Christus", hätte er vielleicht angefangen, "der ist mein Herr und niemand anderes. Und er hat mir seinen Vater offenbart und er ist für mich ans Kreuz gegangen und allein in ihm sehe ich den Weg über die Todesschwelle hinaus ins Leben! Ich glaube nicht an den Propheten Mohammed und nenne meinen Gott nicht Allah! Für mich gelten auch keine hinduistischen Lehren, sondern die Gebote meines Gottes, besonders dieses: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!"

Er würde wahrscheinlich noch ein bisschen mehr sagen, der Apostel Paulus. Jedenfalls hätten wir keinen Augenblick das Gefühl, er wäre gleichgültig oder es wäre ihm egal, was und wie andere selig werden und es wäre mehr oder weniger ein Zufall, dass er halt an Jesus glaubt.

Nun weiß ich auch, dass man diese Begeisterung für die Sache Christi nicht befehlen oder machen kann. Einen oder eine, dem oder der das nun Mal herzlich egal ist, ob eine nun auf Christus getauft oder ob einer als Moslem beschnitten wurde. Einen solchen Menschen kann keiner umdrehen und mit dem Feuer für die christliche Sache entzünden.

Das geht schon deshalb nicht, weil diese Zeit sehr arm ist an Beispielen für begeisterte, von ihrem Glauben entzündete Menschen. Es gibt so wenige Vorbilder. Die Freude an Jesus ist eine sehr seltene Pflanze. Sie blüht nicht an jeder Straßenecke. Trotzdem denke ich mir, dass wir Beispiele brauchen, wenn wir aus dieser Gleichgültigkeit herauskommen wollen, die alles so fad macht und freudlos.

"Die Sache Jesu braucht Begeisterte", so heißt es in einem Lied aus unseren Tagen. Das stimmt. Die Leute Jesu brauchen sie auch! Wir müssen wieder zum frohen, klaren und lauten Bekenntnis kommen. Das darf uns nicht in Scham oder Zurückhaltung bringen, wenn es gilt, für Jesus fröhliches Zeugnis abzulegen! Und uns tut ein gesundes Selbstbewusstsein Not - nicht nur als "irgendwie Gläubige", sondern als Christen! Jesus hat nicht gesagt, geht hin in alle Welt und schaut euch um, wie die Leute dort so glauben und sucht euch das Beste daran aus und macht euch dann eure eigene passende Religion daraus. Er hat uns geheißen, die Menschen auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen und sie zu lehren, dass sie halten, was er gesagt und vorgelebt hat! Es ist nicht gleich-gültig, ob einer Christ ist oder sonst etwas. Für uns Christinnen und Christen jedenfalls nicht!

Wie gesagt und beklagt: Es fehlt an Vorbildern. Und es geht doch nicht ohne Vorbilder, dass einer Lust bekommt an Christus und seiner Sache und auch so sprechen kann: "Alles andere ist mir Dreck geworden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi, meines Herrn."

Ich möchte Ihnen davon erzählen, wie eine christliche Freizeitgruppe in der wunderschönen St. Annenkirche zu Annaberg im Erzgebirge zwei solchen Vorbilder erlebt hat.

Die Freizeitgruppe war an zwei Tagen hintereinander zur Besichtigung in der Kirche, denn ein Besuch reicht nicht aus, um alles zu sehen, was dort sehenswürdig ist.

Zwei Menschen aus dem Kirchenvorstand der Annagemeinde haben die Gäste sehr beeindruckt: eine Frau und ein Mann. Sie leisten in der Kirche den Dienst der Führung von Gruppen, die sich die Sehenswürdigkeiten des herrlichen Gotteshauses anschauen wollen. Die Führung ist kostenlos! Die beiden Führer haben auch hernach nicht die Hand aufgehalten, um ein Trinkgeld zu erbitten. Nein, nichts dergleichen. Und doch war ihre Führung derartig engagiert und freundlich! Zumindest die Frau aus dem Kirchenvorstand wusste nichts davon, dass sie eine kirchliche Gruppe zu Besuch hatte! Und wahrscheinlich führen sie dort auch überwiegend Menschen, denen in erster Linie an den Kunstschätzen oder der Baukunst gelegen ist. Es sind wohl seltener Menschen, die in die Annakirche kommen, um dort eine flammende Missionspredigt zu hören oder auch nur ein überzeugtes (und überzeugendes) Bekenntnis zu Jesus Christus. Das aber genau konnten die Freizeiter hören!

Ich denke mir einmal, da tritt ein Atheist oder ein völlig vom Glauben Unbeleckter in die schöne Kirche. Er will dort die berühmte Kanzel sehen, die ebenso berühmte Bibel der Armen an der Empore und den Bergmannsaltar, der weltbekannt ist. Was er nicht will oder woran er nicht im Traum denkt, ist doch dies, dass ihn hier jemand mit seiner Begeisterung für Jesus und die christliche Gemeinde anstecken will, werben will für diesen Herrn. Aber so war es: Mit leuchtenden Augen haben die Führer in der Kirche von der Gemeinschaft in der christlichen Gemeinde ihres Ortes geschwärmt. Sie haben erzählt, wie dieser Jesus Christus schon vor Zeiten den Menschen tägliche Hilfe geschenkt hat, wie sie mit dem Gebet und dem Gottesdienst jeden Tag ihrem Herrn nahe waren, wie sich die Bergleute der Gegend etwa morgens zur Bitte und abends - nach 12 Stunden harter Arbeit - zum Dank vor dem Altar der heiligen Anna versammelt haben. Dann schlugen sie aber auch eine Brücke zum Heute: Diese Hilfe und diese Beziehung zum Herrn könnte man auch in diesen Tagen noch haben. Und bei ihnen in der Gemeinde wäre das so: 400 Menschen kämen jeden Sonntag in die Kirche und jeder wäre eingeladen, es dürften immer noch mehr werden und es wäre doch auch so schön in der Gemeinde und in der Beziehung zu diesem Herrn Jesus und sie wünschten auch jedem hier in dieser Kirchenführung, dass er und sie zu diesem Jesus Christus finden...

Wirklich beeindruckend! Es hätte nur noch gefehlt, dass die Führer für die Menschen gebetet hätten, die sie durch das Gotteshaus geführt haben. Und ich bin fast sicher, dass sie das wenigstens hinterher getan haben und dass es überhaupt die Grundlage und das Ziel ihrer Führung war: Menschen nicht nur durch die Kirche, sondern zu Jesus zu führen, von dem sie "überschwänglich" angetan sind und den sie als den einzigen Herrn ihres Lebens kennengelernt haben. -

Warum ich Ihnen das jetzt erzählt habe? Das ist sicher keine Frage mehr: Da haben die Mitglieder der Freizeitgruppe echte Vorbilder für begeisterten Glauben gefunden, die auch wir so bitter nötig haben. Vielleicht kann auch uns dieses Beispiel in unseren oft so gleichgültigen Tagen anzünden, dass wir Feuer und Flamme werden für unseren Herrn und seine Sache!? Vielleicht können uns solche Vorbilder wenigstens ins Nachdenken bringen, dass wir uns fragen: Was ist mir das eigentlich wert, dass ich Christ, Christin bin? Wie nah oder fern bin ich solchen Gedanken: "Was mir Gewinn war, habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich achte alles für Dreck, wenn ich nur Christus gewinne, meinen Herrn!" AMEN