Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis - 26.6.2016

Textlesung: 1. Kor. 1, 18 - 25

Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft. Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): "Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen." Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, Gott durch ihre Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die daran glauben. Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind. 

Liebe Gemeinde!

"Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit...", aber nicht nur das Wort vom Kreuz! Die Bibel ist voller Torheiten. Das fängt ganz am Beginn der Geschichte Gottes mit den Menschen an: Dass Adam und Eva nur den schönen Garten verlassen müssen und nicht für ihren Frevel mit dem Leben bezahlen müssen - Torheit! Dass Kain nach dem Brudermord auch noch Gottes besonderen Schutz genießt - Torheit! Dass es nach der Sintflut mit Bosheit und Überhebung weitergehen kann - Torheit! Dass selbst beim Turmbau zu Babel noch nicht Schluss ist mit den unverbesserlichen Menschen - Torheit! Und so fort durch das ganze Alte Testament.

Und im Neuen zeigt sich die "Weisheit Gottes" auch nicht "klüger": Sein Sohn wird als Kind armer Eltern im Stall geboren und in einen Viehtrog gelegt - Torheit! Später hat er es immer besonders gern mit den Zöllnern, den Sündern, den Dirnen und Außenseitern zu tun und nicht mit den Wohlanständigen - Torheit! Schließlich vergeudet sich der Retter und Heiland der Menschen in Leiden und Tod für Unwürdige - das ist wahrhaftig der Gipfel der törichten göttlichen "Weisheit". - Jawohl: "Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit!"

Wie weise sind doch dagegen wir Menschen: Wir können sehr genau beurteilen, was uns etwas bringt und wo ein Vorteil für uns herausschaut - wie klug! Wir haben gelernt unsere Schuld zu verharmlosen oder wenigstens davon zu schweigen - wie klug! Wir halten es gern mit den Mächtigen und irgendwie Einflussreichen - wie klug! Mit Randsiedlern der Gesellschaft, mit denen, über die Gerüchte gehen, wollen wir besser nicht gesehen werden - wie klug! Und noch so vieles, was wir denken und tun ist überaus gescheit, überaus weise - im Sinne dieser Welt!

"Gott aber hat die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht" und wollte durch die "Torheit der Predigt" selig machen. Das ist alles - und das ist doch das törichteste, das weiseste, auf jeden Fall aber unbegreiflichste an der Weisheit Gottes, die Torheit ist für die Welt, dass sie alles auf den Kopf stellt, was wir so denken und dünken.

Und es geht seitdem ein Graben durch die Menschheit. Die einen verlassen sich auf ihre Weisheit und nennen Gottes Plan und Werk Ärgernis und Torheit. Die anderen vertrauen auf die Weisheit Gottes - und sie müssen sich töricht und dumm nennen lassen. Und die Schrift nennt die einen "verloren" und die anderen "selig". Und es sieht so aus, als könnten die Menschen den Graben nicht überspringen oder sonst wie überwinden. Zu gut hat man sich auch eingerichtet - auf beiden Seiten. Und doch führen Brücken hinüber und herüber! Und wir - Predigerinnen und Prediger der Torheit Gottes - wollen helfen, diese Brücken zu sehen und zu gehen: in der Richtung von unserer Weisheit zur Weisheit Gottes, versteht sich. -

Das ist gewiss eine sehr vereinfachte Sicht der Menschen und ihres Glaubens - aber so können wir törichten Menschen es auch verstehen! Und auch die Weisen dieser Welt müssten es begreifen können, denn wie groß ist diese Torheit!

Und diese Gedanken sind nicht nur sehr einfach - das erleichtert unser Begreifen! - sie sind auch sehr praktisch - das hilft uns, sie im Leben zu verwirklichen: Darum frage sich nun jede und jeder einmal, auf welcher Seite des Grabens sie/er heute steht. Glaube ich an die Weisheit der Welt...erwarte ich mein Heil von der Torheit Gottes?

Denn es ist Weisheit der Welt, die mir einredet, ich müsste etwas machen aus mir und meinem Leben, ich müsste es zu etwas bringen, Macht und Ansehen gewinnen und was dergleichen mehr ist, nach dem wir streben.

Und es ist Weisheit der Welt, die mich antreibt, die Zeit auszukaufen, mich immer nur zu hetzen und zu schinden, mir und anderen nichts zu gönnen und aus allem das letzte herauszuholen.

Und es ist Weisheit der Welt, die uns eingibt, man dürfe keine Fehler zugeben, man müsse alles vertuschen und verschleiern und immer - mindestens nach außen - sauber und korrekt dastehen.

Und es ist Weisheit der Welt, die nicht verstehen kann, wenn Menschen gelassen selbst vom Tod reden, wenn sie mit Hoffnung über die dunkle Schwelle hinausblicken, wenn sie gar von der zukünftigen Welt schwärmen und über ihrer verheißenen Schönheit ins Träumen geraten.

Und es ist eben Weisheit der Welt, die einen Gott töricht nennt, der seinen geliebten Sohn den Weg der Ohnmacht, des Verzichts, des Duldens und Leidens - bis zum Tod am Kreuz - gehen heißt.

Es ist die Weisheit der Welt, die Gott in Christus zur Torheit gemacht hat! Und es ist die Torheit Gottes, die in ihm sichtbar wurde! Denn es ist Torheit Gottes, die allein meinen Glauben an diesen Herrn haben will, die mich nicht nach Verdiensten, religiöser Herkunft oder bisheriger Anständigkeit fragt, die nur das eine wissen will: Vertraust du auf Jesus Christus?

Und es ist Torheit Gottes, die ohne Gegenleistung auch dem Unwürdigen Leben schenkt, Güter und Gaben, seinen Unterhalt und alles, was er braucht und die uns immer und immer wieder die Chance gibt, davon weiterzureichen, zu teilen, anderen damit zum Leben zu helfen...

Es ist Torheit Gottes, die den Schuldigen wieder und wieder begnadigt, die ihm jeden Morgen neu den Anfang schenkt, die sich ausnutzen, verhöhnen und verachten lässt - und die doch nicht aufhört, dir und mir das Gute zuzutrauen.

Es ist Torheit Gottes, die am Ende unseres Lebens nicht den Strich zieht, sondern - Leute wie uns! - dann noch in die ewige Freude führt, uns nicht dem verdienten Tod überlässt, sondern uns zum Leben bestimmt. Und es ist Torheit Gottes, die in Jesus den Weg in Armut, in Leiden und Tod geht, die sich damals wie heute an nichtswürdige Leute vergeudet, die. riskiert, verkannt und verspottet zu werden und die - bis heute - verkannt und verspottet wird.

Und es ist Torheit Gottes, die Gott in Christus zur Weisheit gemacht hat! Und es ist die Weisheit Gottes, die in ihm sichtbar wurde.

Weisheit der Welt ist Torheit vor Gott. Die Torheit Gottes ist die einzige Weisheit dieser Welt.- Was sich so klug anhört, ist eigentlich ganz einfach. Was so einfach ist, ist einzig weise vor Gott.

Weisheit - Torheit, Torheit - Weisheit, das bezeichnet die beiden Seiten des Grabens. Auf welcher Seite stehen wir? Nein, anders, denn die Sache ist zu wichtig: Auf welcher Seite stehst Du, liebe Hörerin, lieber Hörer?

Es gibt Brücken hinüber und herüber! Wir Predigerinnen und Prediger der Torheit Gottes wollen die Menschen hinüberführen, von der Weisheit der Welt zur Torheit Gottes. Ob uns das gelingt? - Aber es steht viel auf dem Spiel! - Und es steht dem viel entgegen, dass wir die Brücke beschreiten!

"Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft!"

"Verloren"..."selig"... Um nicht weniger geht es. Aber noch ist Hoffnung: "Denn die Torheit Gottes ist weiser, als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker, als die Menschen sind."

Auf welcher Seite des Grabens stehen wir? Wo stehst Du, liebe Hörerin, lieber Hörer?

Überdenken wir, was wir für Weisheit halten! Öffnen wir uns der Torheit Gottes! AMEN