Predigt zum Sonntag "Estomihi"- 7.2.2016

Textlesung: (Auszug aus) 1. Kor. 13, 1 - 13

Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. Die Liebe hört niemals auf. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Liebe Gemeinde!

Vor Tagen konnte man nach dem Gottesdienst in einer Kirchengemeinde folgenden Dialog hören: "Macht ihr auch wieder bei der "Passionszeit ohne" mit?" - "Wir wissen nicht so recht, was wir machen sollen; Alkohol trinken wir sowieso keinen, wir rauchen nicht und Wurst essen wir auch kaum noch!" - "Aber man kann doch auch auf anderes verzichten; ich z.B. will mich bemühen, meine lose Zunge ein bisschen zu zügeln; ich will auf Worte verzichten, die zu viel sind."

Für mich passen diese paar Worte gut zu dem Bibeltext, der heute zu predigen ist, das "Hohelied der Liebe"... Sie fragen sich jetzt sicher, was der kurze Dialog mit diesem Bibeltext zu tun haben soll. Ich will es Ihnen erklären: Ich glaube, in diesem kurzen Gespräch ist etwas angesprochen, was gut zu dem passt, was im Hohenlied als Eigenschaften der Liebe genannt wird: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu...

Könnten wir hier nicht gut so fortfahren: Die Liebe schwätzt nicht leichtfertig daher, sie hütet sich vor Reden, die verletzen, sie muss nicht immer das letzte Wort behalten... Nicht wahr, das würde gut passen! Und gut wäre es, wir würden uns das einmal auferlegen - nicht nur in der Passionszeit.
Damit will ich das aber nicht schmälern, wenn man es sich wenigstens für die Fastenzeit einmal vornimmt, vorsichtig zu sein mit seinen Äußerungen, jedes Wort zweimal zu prüfen, ehe man es aus dem Mund entlässt, es "auf die Goldwaage zu legen", bevor man es andern vorträgt. Viel Herzeleid würde vermieden. Manche Verletzung, die dann jahrelang quält und die Menschen trennt, würde nicht zugefügt. Missverständnisse, die wir mühsam bereinigen müssen, kämen erst gar nicht auf.

Mir ist dann aufgefallen, wie gut diese Worte des Paulus über die Liebe doch geeignet sind, uns noch andere Vorsätze für die Passionszeit zu schenken, auch wo wir gar nicht vorhatten, uns an irgendeiner "Fasten"-aktion zu beteiligen. Es gibt doch sicher einige unter uns, die auch noch auf der Suche sind, wie sie der kommenden Zeit in diesem Jahr einmal einen besonderen Sinn geben können. Und weil - wie viele unter uns schon erfahren haben - der Verzicht und die in der Fastenzeit geübten Verhaltensweisen noch lange über diese Zeit hinaus erhalten bleiben und wirken, ist es vielleicht wirklich gut, wenn wir heute einmal bedenken, was das denn konkret heißen könnte: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu...

Wie ist es damit: Die Liebe ist langmütig... Da könnte gut ein solcher Vorsatz daraus werden: Ich will versuchen, mit meinem Urteilen zurückhaltender zu sein. "Die oder der ist nun mal so. Die oder der ändert sich nie. Da wird nichts mehr draus. Da ist nichts zu machen. Die ist bei mir untendurch. Mit dem rede ich nie mehr ein Wort." Ich will "langmütig" sein - das würde heißen, immer wieder eine Chance geben, die andern nicht festlegen auf das, was und wie sie heute sind. Vielleicht ändern sie sich ja doch? Und auf einmal erkenne ich: Ich bin selbst vielleicht ja auch so, dass andere von mir sagen: Mit dem, mit der kann ich nicht mehr. Und auf einmal merken wir, dass wir allesamt Gottes Langmut brauchen und - Gott sei Dank haben - denn er gibt uns täglich neu die Möglichkeit so zu werden, wie wir sein sollen. "Er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute. Seine Liebe und Güte ist alle Morgen neu."

Die Liebe ist freundlich... heißt es weiter. Vielleicht legen wir uns dazu auf: Ich will nicht immer gleich das Gesicht verziehen und die Augenbrauen heben, wenn ich jemand Bestimmtes reden höre, oder wenn es von ihm heißt, er hätte dies und das gesagt. Warum soll von ihm oder ihr denn immer nur Schlechtes kommen. Besser ist es doch sicher, es erst einmal offen, wohlwollend und ohne Abwehr aufzunehmen, eben "freundlich". Vielleicht ist das, was ich dann höre, ja eine Botschaft, , die mich erfreut, mir weiterhilft, mich bereichert und mir neue Erkenntnisse schenkt? Und umgekehrt: Wie viele Male mag schon etwas an mir vorbeigegangen sein, was mir geholfen, mir genützt hätte - nur habe ich es gleich abgetan, weil es von diesem oder jener herkam?
Die Liebe eifert nicht... Um welche Kleinigkeiten geraten wir uns doch manchmal in die Wolle! Wie oft schon hat ein heftiges Wort die an sich schöne Stimmung eines Tages oder Abends verdorben. Und um was ist es dabei gegangen? Ob etwas dann oder dann oder erst später gewesen ist. Ob man nun dies oder jenes gesagt hat, damals vor Jahren. Das ist alles eigentlich völlig unwichtig und man könnte sich ja auch heute korrigieren. Aber im Augenblick gibt ein Wort das andere und der schönste Krach ist da. Wie gut wäre es, wenn wir lernten, uns nicht immer gleich so aufzuregen und über Nichtigkeiten zu "ereifern". Wie oft haben wir doch schon gedacht: "Wenn er oder sie doch immer erst langsam für sich bis zehn zählen wollten, bevor sie so aufbrausen." Vielleicht müssten manche das zu sich selbst sagen?

Die Liebe treibt nicht Mutwillen... Das ist auch einen Vorsatz wert: Ich will darauf achten, dass ich die Menschen nicht ärgere, beleidige, verletzte... Ich weiß doch, wie empfindlich ich selbst bin, wenn andere immer ausgerechnet in den Wunden herumstochern, die mir meine Lebensgeschichte geschlagen hat. Warum schleudere ich ihnen die spitzen Bemerkungen nur so hin. Warum vermeide ich nicht bestimmte Anspielungen und Hinweise auf schmerzliche Ereignisse, von denen ich weiß, dass sie mein Gegenüber treffen, unangenehm berühren und ihm das Herz schwer machen? Warum rühre ich nur so gern "mutwillig" an das, was den anderen wehtut?

Die Liebe bläht sich nicht auf... Ach, der Hochmut, unsere Dünkelhaftigkeit, die hohe Meinung von unserer Person, der Mangel an wahrhaftiger Selbsteinschätzung... Was wir können und besser können. Wie falsch die anderen alles machen. Ja, wenn man uns ran ließe! Und der Neid, der von daher kommt. Das Konkurrenzdenken. Die manchmal bösen Versuche, dem andern den Rang abzulaufen und ihn auszustechen. Und warum das alles? Damit wir im Mittelpunkt stehen. Dass alle nach uns sehen und sagen: Was der, was die doch alles fertig bringt. Wie oft geht daran die Liebe kaputt und die gute Sache vor die Hunde. Was ist denn wichtiger, dass eine gute Sache gut gemacht wird - oder dass ich sagen kann, ich habe sie gemacht? Dass den Menschen geholfen wird - oder dass ich am Ende den Ruhm dafür einstreiche? Dass jemand tut, was er nun mal kann - oder ob ich es vielleicht doch besser gekonnt hätte? Prüfen sie einmal, wie oft es unter uns nicht, ja überhaupt nicht um die Dinge geht, die jetzt wichtig sind, sondern um Personen, um ein "warum denn die" und "ausgerechnet der" und um mein Ansehen, das ich steigern will und deine Ehrpusseligkeit, mit der du dich "aufblähst".

Die Liebe lässt sich nicht erbittern... Auch das ist sehr konkret! Wie viele Verhältnisse gibt es unter uns in der Gemeinde, die von jahrelangem Schweigen, von grußlosem aneinander Vorbeigehen geprägt sind, von einer Verbitterung, die schon seit damals in uns ist, seit...? Ja, manchmal wissen wir gar nicht mehr recht, wann das angefangen hat. Es mag ja alles verständlich sein, warum wir so geworden sind, warum es so gekommen ist, und er hätte doch auch damals wirklich nicht...und sie durfte das doch einfach nicht tun... Nur irgendwann muss Schluss sein mit der "Erbitterung"! Wollen wir diese Last noch mit ins Grab nehmen? Und dann - so sagen wir doch selbst gern - ein Bock allein stößt nicht!

Liebe rechnet das Böse nicht zu... Das Letzte, was wir uns vornehmen könnten, ist gewiss nicht das Geringste! Ja, unser Kollege hat uns gekränkt, das war nicht richtig. Und was meine Schwester mir gestern an den Kopf geworfen hat, war unverschämt, das hatte ich nicht verdient. Und das hat der Nachbar neulich extra gemacht, der wollte mich ärgern mit seinem provozierenden Verhalten. Vielleicht aber tut es ihnen schon wieder leid? Vielleicht würden sie es gern ungeschehen machen? Auch ich sage ja manchmal Worte und tue vorschnell Dinge, die ich gleich wieder bereue. Was aber, wenn wir uns nicht gegenseitig Gelegenheit geben, wieder dahinter zurückzukommen, "draufzutreten" und einander die Hand zu reichen? Schrecklich wäre das, bedrückend für das eigene Wohlbefinden und tödlich für die Gemeinschaft. Wie sollen die anderen mir das "Böse" verzeihen, wenn ich nicht auch dazu bereit bin?

Liebe Gemeinde, wenn sie noch nicht wissen, ob und was sie sich in der kommenden Passionszeit oder überhaupt einmal vornehmen könnten, vielleicht war ja jetzt etwas dabei, was für sie in Betracht käme?

(2. Textlesung: Die Liebe ist...) AMEN