Predigt zum Sonntag "Kantate" - 18.5.2003

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Textlesung: Mt. 11, 25 - 30

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.

Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Gemeinde!

Schöne Worte, aber ziemlich rätselhaft! Klare Aussagen, aber doch auch geheimnisvoll. Vielsagend und auf der anderen Seite ganz unverständlich. Vor allem fragen wir uns, wie hängt das zusammen? Wo ist der rote Faden, worauf will Jesus hinaus?

Es gibt einen berühmten Jesusfilm des Regisseurs P.P. Pasolini, da sagt Jesus all diese Worte unterwegs auf der Wanderung mit den 12 Jüngern durch Galiläa. Aber er spricht sie nicht direkt hintereinander, sondern es liegen zwischen den einzelnen Sätzen immer wieder viele Hundert Schritte, Berge, Täler und Hügel, Minuten oder gar Stunden, ganze Landschaften... Hier - in diesem Film - werden diese Worte also jedes für sich gesagt und von den Jüngern gehört. Ob wir das darum heute nicht auch so halten sollten?

"Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen."

Sicher könnte man lange darüber streiten, was Jesus hier meint, was den Klugen verborgen und den Unmündigen offenbar ist. Ich denke mir, es geht hier einfach um den Glauben an Jesus, das Vertrauen zu ihm als dem Sohn Gottes, die Zuversicht in ihn als den Heiland und Erlöser.

Und mir fällt dazu ein, wie wahr das doch ist, was Jesus sagt, wie oft ich das schon erfahren habe, daß die einfachen Menschen, die nicht alles und jedes hinterfragen, einen viel leichteren Zugang zum Glauben haben. - Das stimmt doch gar nicht, meinen sie? Oft, sehr oft haben sie schon erlebt, daß sie mit den Worten vom Glauben an Jesus Christus bei ihren Mitmenschen nicht landen konnten, daß sie nur Ablehnung und Kopfschütteln darüber geerntet haben, was sie etwa über die Auferstehung und die Hoffnung der Christen weitergeben wollten?

Ich gebe zu, auch ich mußte schon manchmal in meinem Dienst, besonders in dem, der Verkündigung denken: Das Christentum verlangt doch sehr viel von den Menschen! Sie müssen schon ein recht tiefes Verständnis der Welt und des Lebens mitbringen, sie müssen auch einigermaßen gewitzt sein und einiges an Bildung mitbringen. - Aber vielleicht ist es ja auch so: Wenn wir z.B. besondere Bildung von denen verlangen, denen wir predigen oder unser Bekenntnis zu Jesus Christus und zum Glauben sagen, dann kann das wohl auch daran liegen, daß wir es nicht schaffen und uns auch gar nicht mehr die Mühe machen, die Botschaft, die wir sagen, so einfach weiterzugeben, wie Jesus sie verkündigt hat! Wohlgemerkt: Wir sollen nicht die Worte Jesu - weil sie etwa so furchtbar hoch wären und nur den Klugen begreiflich - herab holen auf das Niveau der einfachen Leute, sondern wir sollen seine Worte und Taten, die ganz einfach und klar sind und jedem Menschen einleuchtend endlich wieder genau so einfach weiter erzählen, daß jeder sie verstehen, aufnehmen und - wenn Gott will - glauben kann! Und da ist gewiß besonders wichtig, daß wir nicht nur auf das achten, was wir reden! Unsere Taten, unsere Handlungsweise, unsere ganze Art und vielleicht ganz besonders unser lächelndes oder griesgrämiges Gesicht spricht auch mit. Und es spricht sogar noch dann, wenn wir fertig geredet haben - und es sagt manchmal genau das Gegenteil von dem, was unser Mund gesprochen hat.

Und ich denke, auch wir haben den Glauben der Christen nicht aus wohlgesetzter Rede gelernt, nicht aus akademischem Vortrag oder als Ergebnis eines Lehrgesprächs zweier Professoren der Theologie, sondern durch ganz schlichte Worte und einfache Gesten unserer Mutter zum Beispiel, die uns mit leuchtenden Augen Geschichten von Jesus erzählt und abends mit uns gebetet hat. Oder der Glaube ist durch das überzeugte und darum überzeugende Bekenntnis eines Mitmenschen zu uns gekommen, der uns davon berichtet hat, wie oft er schon die Hilfe Jesu in seinem Leben erfahren durfte. - Mühen wir uns darum, auf solche Weise vom Glauben zu zeugen!

"Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will."

Das ist eben schon angeklungen: Jesu Worte und Taten, den Glauben und das Vertrauen in ihn können wir nur aufnehmen, "wenn Gott es will". Hier aber - vor diesem Wort Jesu - haben die Menschen zur Zeit, da er über die Erde ging, doch ganz andere Erwartungen gehegt. Sie lebten damals unter fremder römischer Herrschaft, fühlten sich unterdrückt und in ihrer Religion mißachtet. Umso stärker war ihre Hoffnung, daß Gott den Messias, den Retter schicken würde! Und umso größer ihre Sehnsucht, daß Gott selbst sich ihrer wie ein guter Hirte annimmt.

Wie ist das heute? - Machen wir uns nichts vor: Die Menschen unserer Tage warten auf ganz andere Dinge! Den Lottogewinn vielleicht, der ihnen viel Geld und ein von äußeren Sorgen freies Leben beschert. Den Aufstieg im Beruf, die Karriere mit dem fetten Gehalt und das Ansehen, das damit verbunden ist, sich ein großes Haus bauen oder einen dicken Wagen vor die Tür stellen zu können. Von diesen Erwartungen ist die Sehnsucht nach innerem Frieden, nach "Heil", wie das die Bibel fast schon mit einem Fremdwort nennt, weitgehend überdeckt und abgetötet. Daher rührt auch das Desinteresse an der Kirche, wie es in unseren Tagen auch unter Christen spürbar ist. Denn in unserer Gemeinde gibt es keine weltlichen Güter zu erwerben, hier bekommen wir "nur" Ruhe für unsere Seele, einen Halt in dunklen Zeiten, ein Ziel und eine Hoffnung über das Ende unseres Lebens in dieser Welt hinaus. Dafür aber ist in der gegenwärtigen Zeit mit ihren tausend Zerstreuungen, der seichten Kurzweil und dem billigen Vergnügen, das nur ablenkt und abspeist, kein Gedanke mehr frei. Es sind nur wenige - und oft solche, denen das Leben mit Sorge, Not, Behinderung und Krankheit viel abverlangt hat - die sich noch auf das konzentrieren und über das freuen können, was Jesus uns offenbaren und schenken kann. Aber das führt uns schon zum letzten Gedanken, den er uns nahe bringen will:

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Ja, mühselig und beladen müssen wir sein, wenn wir von ihm erquickt werden wollen. Oder besser: Das muß uns in unserem Leben aufgegangen sein, wie arm, wie unerfüllt wir doch sind, trotz aller Güter, inmitten eines Lebens in Wohlstand und Luxus, bei einer Karriere, die steil nach oben führt und in der nichts fehlt, was uns äußerlich reich und satt macht. Aber wir wollen niemandem einreden, daß ihm etwas fehlt, der Frieden der Seele, die Ruhe und Gelassenheit eines getrosten Glaubens... Und wir müssen es niemandem einreden! Sie kommen ja selbst, früher oder später! Immer wieder sind es doch gerade die Reichen und an Gütern Satten, die uns Leute von der Kirche ansprechen und auf ihre - manchmal sehr unbeholfene Weise - nach dem Glauben fragen, und uns oft genug beharrlich prüfen, was es denn "bringt", zu glauben und ob sie denn "schlechtere Menschen" wären, weil sie nur Heiligabend zur Kirche gehen, oder das Abendmahl meiden...?
Und sie, liebe Gemeinde, kennen das doch auch: Wenn wir uns zur Kirche halten, wenn wir vielleicht sogar einen Kreis unserer Gemeinde besuchen, sind wir nicht immer wieder Ziel der Fragen und manchmal der Attacken derer, die doch angeblich keinen Gott und keinen Jesus brauchen!? "Du mit deinem Glauben", sagen sie, aber sie hören nicht auf, uns nach diesem Glauben zu befragen! "Ich habe keinen Gott nötig", so sprechen es ihre Lippen aus, aber ihr Blick ist ein einziger Schrei, und ihre Miene ein Bekenntnis: "Ich brauche Gott, mein Leben ist reich, aber farblos, ich habe alles - und bin doch der ärmste Mensch. Könntest du mir doch abgeben von deinem Vertrauen, deinem Wissen um einen Sinn, ein Ziel..."

Liebe Gemeinde, dann ist es dran, das klare Wort, das deutliche Bekenntnis zu ihm, der allein der Seele Ruhe schaffen kann, dessen Joch sanft und dessen Last leicht ist. Aber achten wir darauf: Legen wir sein Joch nun nicht den anderen auf, als wäre es hart und schwer. Belasten wir sie nicht mit Bußübungen und dem Eingeständnis ihrer tiefen Reue... Denken wir, wie es war, als wir zum Glauben gefunden haben. Was konnten wir dazu beitragen? War das mehr, als ein Staunen, mehr als diese wunderbare Geborgenheit, die der Glaube erst hervorbringt? Ja, war der Glaube nicht eben ein Geschenk an uns?

Darum erzählen wir vom Glauben, sagen wir den Menschen, was wir mit Gott erfahren haben, sprechen wir davon, wo Jesus Christus uns geholfen hat. So bleibt sein Joch auch für die anderen sanft. So können sie sich seine Last auf die Schulter legen. - Es ist Reue und Buße genug, wenn ein Mensch vielleicht in den "besten Jahren" oder am Ende seines Lebens erkennen muß, wie lange er die Mitte, den Halt und das Ziel seiner Tage entbehrt hat. Freuen wir uns mit ihm, wenn er dahin kommt, daß er voller Freude und aus tiefster Seele einstimmen kann in die Worte unseres Herrn:

"Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart."