Predigt am Sonntag "Laetare" - 30.3.2003

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Textlesung: Joh. 12, 20 - 26

Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest. Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen. Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen's Jesus weiter. Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, daß der Menschensohn verherrlicht werde. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Wer sein Leben liebhat, der wird's verlieren; und wer sein Leben auf dieser Welt haßt, der wird's erhalten zum ewigen Leben. Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Liebe Gemeinde!

Letzten Sonntag hieß es: "Laßt die Toten ihre Toten begraben." Und heute: "Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren; und wer sein Leben haßt, der wird's erhalten zum ewigen Leben." Was sind das nur für Worte!? Was mutet uns Jesus da zu!

Warum dürfen wir uns denn nicht am Leben freuen? Warum soll das denn falsch sein, wenn einer sagt: Ich bin gern in der Welt? Und wer "haßt" sein Leben denn wirklich? Das ist doch wohl Verzweiflung oder Lüge, wenn einer so denkt und spricht: "Ich möchte am liebsten sterben!" Wie gehen wir mit einem solchen Wort Jesu um?

Bei dem Wort von den "Toten, die ihre Toten begraben sollen", haben wir gesehen, daß Jesus bewußt oft sehr scharf formuliert hat. Das ist ja noch heute so - oder heute noch viel mehr! - daß die Leute gar nicht mehr zuhören, wenn einer so sanft und unverbindlich daherkommt. Was hätte er denn ausgerichtet, wenn er sagte: "Dient nach Kräften dem Leben! Haltet euch von toten Dingen fern und hängt euch nicht daran!" Was hätte das denn bewirkt? Aber: "Laßt die Toten ihre Toten begraben!" Das läßt aufhorchen. "Wie bitte, meint der etwa mich?" - "Ich soll tot sein? Na, erlaube mal!" Und einer, der Jesus nun noch liebt und etwas auf das gibt, was er sagt, der wird erkennen: Wie wichtig muß das sein, was er mir hier nahebringen will, wenn er so scharfe Worte wählt! Wie ernst, wie unendlich ernst ist das doch!

Machen wir's doch hier genauso! Gehen wir davon aus: Das ist sehr wichtig, entscheidend, ja, da hängt viel daran, vielleicht alles! Deshalb spricht Jesus auch hier so hart, so deutlich und unmißverständlich: "Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren!"

Nein, da sind nicht so harmlose Dinge gemeint: Daß man gern lebt, sich auch einmal an einem schönen Tag freut und es liebt, zu lachen und zu feiern. Hier geht es um die Menschen und ihr Denken, die ganz aufgehen in dieser Zeit zwischen Geburt und Tod, die nur schaffen und raffen können und um den eigenen Nabel kreisen. Ihr Gott ist ihr Bauch. Ihr Herz ist im Portemonnaie. Ihre Seele haben sie mit tausend Gütern umstellt. Da dringt kein Wort Gottes mehr durch. Und wenn, dann ist es ihrem weltlichen Kopf ganz fremd, sie können es nicht verstehen: "Nächstenliebe" - was ist das? "Sünde" - ist denn nicht alles erlaubt, was mir Spaß macht? "Vergebung" - wer hätte mir etwas zu vergeben? "Dank" - ja, wem gegenüber denn? Ich verdanke alles mir selbst! "Auferstehung" - Pfaffengeschwätz! Wenn ich erst in die Grube fahre, ist es aus. Genau darum will ich ja genießen und alles mitmachen, solange das Lämpchen glüht! - Solche meint Jesus: "Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren!"

Und was ist damit: "Wer sein Leben haßt...?" Übersetzen wir's doch so: Wer sein Leben in dieser Zeit nicht als das Ganze achtet, wer weiß, daß es um mehr geht, als um essen und trinken, tanzen und verdienen, schlafen und alles mitnehmen... Wer sein Leben als Geschenk Gottes versteht, wer es aus seinen Händen empfängt und ihm dankt, wer teilen kann und andere lieben, wer zurückstehen kann und auch einmal verzichten, wer sich freut, wenn ein anderer auch einmal etwas hat..., der wird's erhalten zum ewigen Leben! Dem wird zu seinem Leben in dieser Welt noch ein ewiges hinzugefügt! Und dann geht es noch weiter, was Jesus sagt, und nicht weniger deutlich: Wer mir dienen will, der folge mir nach und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren! So geht also das rechte Leben in seinem Sinn auf im Dienen und ihm Nachfolgen. Und am Ende...da kommt dann die Ehre bei Gott und seine ewige Nähe heraus. - Ist das nicht eine sehr gesetzliche Predigt, die Jesus hier hält? Ist das nicht ein Aufruf an uns, durch ein Leben im Dienst und Verzicht die Ewigkeit zu verdienen? Ist das denn noch "evangelisch"? Will Gott uns nicht beschenken und aus reiner Gnade - um Christi willen - das ewige Leben geben?

Ist Gott also doch ein Rechenmeister, der dem Guten Lohn zuteilt und den Bösen leerausgehen läßt? Denn wie paßt das zum "gnädigen Gott": Wer sein Leben liebt, der wird's verlieren? Wer sein Leben haßt, der wird's erhalten zum ewigen Leben? Und: Wer mir dient, den wird Gott ehren?

Es gibt ein Lied eines irischen Popinterpreten, darin spricht der Sänger die Menschen an, doch nur ja auf die Worte und Zeichen zu achten, die ihnen gesagt werden und die am Rande ihres Lebensweges stehen. Und es gibt in diesem Lied ein wunderbares Bild, das ich sehr eindrücklich finde und das uns eine Antwort auf unsere Frage geben kann, ob Gott am Ende nicht doch ein Rechenmeister ist. Es heißt im Kehrvers des Lieds: "Dann fliegt deine Seele zum Himmel, du bist bereit einzutreten; aber die Tür öffnet sich nicht - du hast den Schlüssel weggeworfen!"

Von diesem Sprachbild her können wir vielleicht verstehen, warum viele Menschen, um im Bild zu bleiben, den "Eintritt in den Himmel" nicht erlangen. Sie haben die Zeichen, die Gott rechts und links neben ihrem Lebensweg aufgebaut hat, nicht sehen wollen! Sie haben seine Worte nicht gehört, weil ihre Ohren so voll waren mit dem Lärm der Welt und ihr Herz gefangen war im Erwerb von Sachen und der Lust nach Geld und noch mehr Geld. An jedem Kreuzweg neu hat Gott gestanden! Immer wieder hat er versucht, seine Winke und Rufe anzubringen, daß sie endlich auf ihn aufmerksam werden. Sie haben immer nur vor sich hingesehen, hinunter auf ihren Bauch und gerade noch vor die Füße. Ja, Gott hat ihnen den Schlüssel zum Leben hingehalten. Dieser Schlüssel, hat er gesagt, ist das wirkliche, erfüllte Leben. Dieser Schlüssel öffnet euch einmal die letzte Tür - durch den Tod ins Licht, in die Ewigkeit, zu mir. Wenn diese Menschen den Schlüssel überhaupt einmal in die Hand genommen haben, so haben sie ihn doch bald - wie einen überflüssigen Ballast - von sich geworfen. Und schließlich heißt es am Ende von ihnen: Dann stehen sie vor der Tür, wollen eintreten - und haben keinen Schlüssel mehr in Händen. Sie selbst haben sich von ihm getrennt. Sie selbst verantworten jetzt, wenn die Tür nicht aufgeht! - Merken sie, liebe Gemeinde, wie diese Antwort ein ganz anderes Licht auf die Frage wirft: "Belohnt Gott unser Wohlverhalten, bestraft er unser Leben fern von ihm? Ist er denn nicht gnädig?"

Das Bild vom "Schlüssel" malt eine andere Sicht: Nicht am Ende erst gibt Gott uns den Einlaß in sein Reich. Nicht nach gelungenem, ihm wohlgefälligen Leben tut er uns die Tür zur Ewigkeit auf. Schon am Anfang unseres Erdenweges - denken wir ruhig an die Taufe - hält er uns den Schlüssel hin, der in das Schloß der letzten Tür paßt. Und wenn wir vielleicht nicht gleich begreifen, welchen Schatz wir da in Händen haben, wenn wir diesen Schlüssel vielleicht nicht recht würdigen können und ihn beiseitelegen, dann bietet er ihn wieder und wieder an. Hartnäckig und manchmal so, daß es uns auf die Nerven geht, sind seine Zeichen: Auf dem Krankenlager spricht er uns an: Dir fehlt die Fülle, die Mitte im Leben. Wenn du jetzt gesund wirst, dann laß dich auch noch an deiner Seele heilmachen von mir. Du brauchst mehr als dein Auskommen, mehr als Geld und Güter! Du brauchst mein Wort. In einer Stunde des Glücks tritt er vor uns: Was du jetzt erlebst, kommt von mir! Es ist mein Geschenk; willst du mir nicht auch einmal danken? Willst du nicht diesen Dank austeilen an andere? Du siehst doch, wie schlecht und elend viele Menschen in deiner Umgebung dran sind! Schenk' dein Glück weiter an sie! So vermehrst du es noch! Und mit einem Unglück oder einer Prüfung legt er uns immer auch die Hand auf die Schulter und fragt uns: Spürst du jetzt, wie rasch alles dahin ist, was du so sicher zu besitzen glaubtest? Merkst du immer noch nicht, daß du nichts machen kannst, die Dinge nicht im Griff hast, sondern stets nur meine Gaben empfängst? Frage doch endlich einmal nach dem, was bleibt und Bestand hat: Meine Sache, mein Reich - in dieser Welt und einmal in der ewigen. Tu meinen Willen! Bleibe verbunden mit mir in Gebet und Hören. - Immer wieder wollte uns Gott den Schlüssel zu seiner Ewigkeit geben. Immer wieder... Ob wir am Ende vor einer verschlossenen Tür stehen, die wir nicht öffnen können, wird an uns liegen, nicht an Gottes Gnade! Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren. Wer den Schlüssel zu Gottes ewiger Welt von sich wirft, wird nicht ins Leben gelangen. Wer sein Leben haßt, der wird es erhalten. Wer den Schlüssel bewahrt und behält wie den köstlichsten Schatz, der dreht ihn am Ende im Schloß und tritt ein ins ewige Leben. - Lassen wir uns von Jesu deutlichen Worten rufen, mahnen und warnen! Schauen wir nach, ob wir den Schlüssel noch besitzen und bewahren wir ihn gut!